Nokia-Aus in Bochum:Tränen am Werkstor

Lesezeit: 2 min

Das Nokia-Werk in Bochum schließt seine Pforten. Endgültig, denn Handys können in Rumänien billiger produziert werden. Der letzte Arbeitstag für 2300 Nokianer - Szenen des Abschieds.

Keiner blickt zurück auf das blaue Nokia-Logo: Viele fallen sich in die Arme, manche trotten wortlos durch das Werkstor - Tränen in den Augen haben sie fast alle. Der letzte Arbeitstag für die Mehrzahl der 2300 Mitarbeiter im Bochumer Nokia-Werk hat am Freitag nochmals die Emotionen hochkommen lassen. "Ich hätte nicht gedacht, dass es mich so mitnehmen würde", sagt Betriebsrat Frank Schubert, auch wenn er schon die letzten Tage und Nächte nur über diesen Tag nachgedacht habe. Ute Beer umarmt eine Kollegin. "Wir waren wirklich wie eine Familie hier", sagt die 46-Jährige, die 13 Jahre im Werk arbeitete.

Tränen zum Abschied: Zwei Nokia-Mitarbeiterinnen an ihrem letzten Arbeitstag in Bochum. (Foto: Foto: dpa)

"Ich bin mal gespannt, ob die mich in meiner Kündigung auch noch duzen", sagt Rolf Wöhlke und zieht seine Freistellung aus seiner Jeansjacke, in der er mit "Rolf" angesprochen wird. "Aus den bekannten Gründen" werde er freigestellt. Dem 52-Jährigen wird "für die Zukunft schon jetzt alles Gute" gewünscht. Unterschrieben hat Klaus Goll, Direktor des Nokia-Werks. "Und das von dem, der hat uns doch angelogen bis zum Geht-Nicht-Mehr", kommentiert Wöhlke.

Abfindung gesteigert

Gekündigt werden die Bochumer Nokia-Angestellten in den nächsten Wochen, die Kündigungsfristen laufen aber zum Teil bis zum 31. Dezember. Am 8. Juni soll auf einer Betriebsversammlung die Transfergesellschaft vorgestellt werden, sagt die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach. Rückblickend habe der Betriebsrat in den Verhandlungen mit dem Management zumindest die Abfindungssumme von 70 Millionen auf 200 Millionen Euro steigern können.

Seit Bekanntwerden der Schließung am 15. Januar hatten die Bochumer "Nokianer" mit Unterstützung der Landes- und Bundesregierung vergeblich um einen Standorterhalt gekämpft. Subventionen waren zurückgefordert worden und etliche tausend Menschen auf die Straße gegangen. Am Freitag stehen Grüppchen von Nokia-Mitarbeitern vor dem "Solidaritäts-Zelt" neben dem Werk in Bochum-Riemke, trinken Kaffee und rauchen Zigaretten. Einige verabreden sich "für später" in einem Café, andere winken Kollegen, die im hupenden Auto nach Hause brausen.

Foto von den letzten Handys

Eine besondere Geschichte hat Kristina Lau an ihrem letzten Tag bei Nokia erlebt. Sie hat die letzten 30 Handys mit verpackt, die das Werk noch verließen. "Und dann kam der Timo Elonen (einer der beiden Geschäftsführer)und wollte noch auf Kumpel machen", sagt die 47-Jährige. Der habe auch ein Foto der letzten Telefone gemacht. "Am liebsten hätte ich gesagt: 'Habt Ihr 'se nich' mehr alle'", erzählt Lau. Nokia-Sprecherin Kristina Bohlmann wollte ein solches Foto nicht dementieren. Die Produktion sei aber schon am Mittwoch eingestellt worden.

Achenbach sagt, sie persönlich habe es noch ganz gut getroffen, denn sie könne in Altersteilzeit gehen, "aber Sorgen mache ich mir um die Leute um 50, die schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben." Den Nokia-Mitarbeitern in Finnland und anderswo sagt sie das gleiche Schicksal wie den Bochumern voraus: "Irgendwann lassen die dann nur noch fremd fertigen, dort wo es am günstigsten ist."

© sueddeutsche.de/dpa/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: