Nikon:Zum Geburtstag viel Druck

Lesezeit: 3 min

Prestigeobjekt: Auch Faye Dunaway verwendete in dem Thriller "Die Augen der Laura Mars" eine Nikon-Kamera. (Foto: imago/United Archives)

Nikon leidet am Niedergang des Marktes für Kompaktkameras. Die Konzentration auf hochwertige Apparate und auf Medizintechnik soll das 100 Jahre alte Unternehmen aus der Verlustzone bringen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

1917 war für Japan ein Gründerjahr, der Erste Weltkrieg trieb die Exporte seiner jungen Industrie an. 2017 feiern mehr als tausend damals gestartete Firmen ihr 100-jähriges Bestehen. Unter ihnen ist auch der Kamerahersteller Nikon. Er wird sein Top-Modell, die D5, eine Reihe Objektive sowie Binokulare in einem Jubiläums-Design anbieten. Dazu Anstecknadeln und eine Kristallglas-Attrappe der "Nikon Model I" von 1948, die Nikons Weltruf begründete. Das gläserne, von Swarovski hergestellte Schaustück für Fotoläden und Fans sorgt unter ernsthaften Fotografen, wie sich Amateure mit teurer Ausrüstung nennen, schon vor der Auslieferung im Juni für Kontroversen. Das Online-Magazin Gizmodo höhnte, Nikon versuche mit "einem protzigen und nutzlosen Klumpen Kristall" sein sinkendes Schiff aufzurichten. Die Technologie-Website The Verge ist dagegen begeistert.

Sony bedrängt die etablierten Hersteller Nikon und Canon

Dabei lenkt die gläserne Marginalie von Nikons realen Problemen und Erfolgen ab. Das Unternehmen mit etwa 25 000 Mitarbeitern und 800 Milliarden Yen Umsatz, 6,7 Milliarden Euro, schickte kürzlich 1100 Mitarbeiter in den freiwilligen Vorruhestand. Für das abgelaufene Geschäftsjahr rechnet es mit einem Defizit von neun Milliarden Yen, 76 Millionen Euro. Es muss sich restrukturieren und hat die angekündigte DL-Linie von drei anspruchsvollen Kompaktkameras gestoppt. Die Entwicklung habe sich verzögert und der Markt schrumpfe, so die Erklärung. Gizmodo deutete dies als Zeichen des Niedergangs.

Im Rekordjahr 2010 wurden weltweit 121 Millionen Digitalkameras verkauft, knapp 90 Prozent Kompaktmodelle und zehn Prozent DSLR, digitale Spiegelreflexkameras, deren Objekte gewechselt werden können. Der DSLR-Markt ist seither um 17 Prozent von 12,9 Millionen auf elf Millionen geschrumpft, jener für Kompaktkameras dagegen zusammengebrochen. Diese Jahr werden erstmals seit 1984 weniger als 20 Millionen Kameras und mehr DSLR als Kompakte verkauft - dafür 1,5 Milliarden Smartphones mit Kamera. Das Smartphone treibt den Kameramarkt an den Rand des Kollaps, er ist seit 2010 um 80 Prozent geschrumpft. Das trifft alle Anbieter.

Mit der Streichung der DL-Linie hat Nikon Geräte gestoppt, deren Markt über Nacht fast verschwunden ist. "Nur alte Leute fotografieren noch mit Kompakten", konstatierte die Fotografen-Website Lensvid.com. Allerdings hechelt Nikon auch im neuen Sport-Segment der Action- und 360-Grad-Kameras der Konkurrenz der Elektroniker und dem Start-up GoPro hinterher.

Dabei hat die Menschheit noch nie so viel fotografiert wie heute. Nach einer Studie von Samsung sagen 92 Prozent aller Smartphone-Nutzer, die Kamera sei die Funktion, die sie am häufigsten nutzten. Zählt man auch die Smartphones, wurden noch nie so viele Kameras verkauft wie heute - allerdings an den bisherigen Herstellern vorbei. Solange die Profis analog fotografierten, war Nikon der Branchenführer: vor allem für die Sport- und News-Fotografie. Mit der D1 produzierte das Unternehmen 1999 auch eine erste überzeugende Digital-Kamera für Profis, verlor 2003 die Führung aber an Canon. Damals priesen die Chefs der beiden Firmen ihre "freundschaftliche Rivalität", sie treibe den Fortschritt an. Doch dann eilte Canon Nikon technologisch davon. Im Laufe der Nullerjahre stiegen viele Profis auf Canon um.

Inzwischen bedrängt Sony, das 2006 die Kamerasparte von Konica-Minolta schluckte, als dritte professionelle Marke die beiden. Sony ist der Marktführer bei den Kamerasensoren, auch in vielen Nikon-Geräten steckt ein Sony-Sensor. Für Hybrid-Kameras, also solche, mit denen Profis Fotos und Videos schießen, sei Sony konkurrenzlos, sagt der bekannte Fotograf Adri Berger, der mit dem Umstieg von analog auf digital zu Canon und inzwischen zu Sony überging. Eine Rückkehr zu Nikon schließt er aus. Sein Kollege Marc Schlossman dagegen blieb Nikon treu. Nach schwierigen Jahren sei er mit den Digitalkameras heute sehr zufrieden. "Mit den Objektiven weniger. Obwohl es auch davon abhängt, was man fotografiert, würde ich meine Nikon nie gegen eine Canon tauschen." Besonders bei schwachem Licht sei Nikon überlegen.

Während die Kamerahersteller den Knipser-Markt an die Smartphones verloren haben, sind sich die Experten einig: DSLR bleibt das Format für Anspruchsvolle. Und DSLR ist Nikons Stärke. In die roten Zahlen ist die Firma mit der Halbleiterproduktion für Lithografiesysteme geraten, die bei der Herstellung von Flachbildschirmen gebraucht werden. Auch die japanische Konkurrenz, Canon und Ricoh, macht in dieser Sparte Verluste. Nikon wird deshalb seine bisher getrennten drei Ingenieurabteilungen für das Design von Objektiven, Mikroskopen und Halbleitern zusammenlegen. Und mehr in die Medizin-Optik investieren. Damit will es 2018 wieder schwarze Zahlen schreiben.

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: