Niederlande:Stabilitätspakt in Gefahr

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Nach harter Kritik an Deutschland und Frankreich werden die Niederlande im nächsten Jahr voraussichtlich selbst gegen die Regeln des europäischen Stabilitätspaktes verstoßen.

Von Siggi Weidemann

(SZ vom 5.12.03) — Die Niederlande werden eine staatliche Neuverschuldung von 3,25 Prozent des Bruttoinlandprodukts erreichen.

Als Grund für das Überschreiten der Schuldengrenze nennt das Centrale Planbüro (CPB), das die Zahlen am Donnerstag veröffentlichte, das rigide Sparprogramm der konservativen Regierung Balkenende und die daraus resultierende Kaufzurückhaltung der Verbraucher.

Sinkender Dollar

Zudem trage auch der sinkende Dollar-Kurs, der sich nachhaltig auf die exportorientierte holländische Industrie auswirkt, zu der Entwicklung bei, hieß es. Dass der wirtschaftliche Aufschwung länger als erhofft auf sich warten lässt, habe ebenfalls Konsequenzen.

Die Überschreitung der Drei-Prozent-Grenze ist für Finanzminister Gerrit Zalm besonders peinlich, da er in der vergangenen Woche Frankreich, vor allem aber Deutschland schwer kritisiert hatte, weil diese beiden Länder gegen den Stabilitätspakt verstoßen.

Unwetter

Alle Kommentatoren hatten Zalm dafür einhellig gelobt. Ministerpräsident Jan Peter Balkenende spricht jetzt von "einem Unwetter". Zalm hat angekündigt, sein Ministerium werde die CPB-Zahlen nachrechnen lassen. Erst wenn darüber Deutlichkeit bestehe, werde man über den künftigen Sparkurs nachdenken, heißt es aus dem Finanzministerium.

Die Niederlande stecken zurzeit in der schlechtesten wirtschaftlichen Situation seit Kriegsende und sind wirtschaftliches Schlusslicht innerhalb der EU. Im Gegensatz zu der ansteigenden Wachstumsprognose für die Euro-Zone skizzieren die Rechenmeister von CPB auch die Aussichten als "außergewöhnlich schlecht".

Sozial Schwache betroffen

Um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, hatte die konservative Regierung ein Sparpaket von 17 Milliarden Euro geschnürt. Eine Milliarde Euro müsste jetzt noch zusätzlich eingespart werden, damit die Drei-Prozent-Marke nicht überschritten wird. Vom bisherigen Sparkurs sind vor allem Behinderte, chronisch Kranke und Sozialhilfe-Empfänger betroffen, die nun 4,5 Prozent bis acht Prozent weniger Kaufkraft zur Verfügung haben.

"Wir müssen jetzt einen kühlen Kopf behalten", betonte Fred Crone von der oppositionellen Arbeiterpartei, "aber es ist die Frage, ob die Regierung ihre angekündigten Steuererleichterungen durchführen kann". "Schlechter kann es einfach nicht mehr werden", kommentierte der Sprecher der Arbeitgeberorganisation VNO/NCW am Donnerstag "den Ernst der Lage".

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