Neues Niveau:Eklat im Mannesmann-Prozess

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Die Bandagen im Mannesmann-Prozess werden immer härter. Jetzt spricht die Verteidigung offen von Verleumdung und erhebt zudem Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft.

Von Michael Kläsgen

Im Mannesmann-Prozess ist es am Mittwoch zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft gekommen. Eberhard Kempf, Verteidiger von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, beschuldigte die Ankläger, seinen Mandanten wider besseres Wissen zu verleumden.

Akcermanns Anwalt Eberhard Kempf zieht alle Register. (Foto: Foto: dpa)

"Bewusste Falschdarstellung"

Die Behauptung, Ackermann habe die Mannesmann-Aktionäre auf der Hauptversammlung im Juni 2000 vorsätzlich falsch über die Finanzierung der Anerkennungsprämien informiert, sei eine "bewusste Falschdarstellung". Auch der Anwalt von Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser, Sven Thomas, sprach von "Verunglimpfung und Diffamierung" seines Mandanten.

Kempf teilte vor Gericht mit, er habe eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwälte beim nordrhein-westfälischen Justizminister eingereicht. Dies ist ein ungewöhnlicher Vorgang. Im Ministerium ist am späten Mittwochnachmittag eine Version des Schreibens eingegangen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bezeichnete das Vortragen einer solchen Beschwerde in der Hauptverhandlung als "Versuch einer unzulässigen Einflussnahme auf das Gericht".

Interpretationshilfen der Deutschen Bank

Deutsche-Bank-Mitarbeiter verteilten das Schreiben unterdessen an die im Gerichtssaal anwesenden Journalisten. Bislang hatten sich die Deutsch-Banker darauf beschränkt, telefonisch nach jedem Verhandlungstag in den Redaktionen nachzuhaken. Seit drei Wochen schickt die Deutsche Bank zudem "Interpretationshilfen" schriftlich an die Redakteure.

Staatsanwalt Johannes Puls sprach in Bezug auf die Vorwürfe der Verteidigung von "Polemik". Sein Kollege Dirk Negenborn nannte die schriftlich verfasste Einlassung Kempfs ein "Pamphlet". Nachdem sie bereits in der Vorwoche sieben Beweisanträge gestellt hatten, erhoben sie am Mittwoch weitere Vorwürfe. So soll Esser über den Sachverhalt, wie genau die Millionen-Prämien zustande kamen, die bei der Übernahme Mannesmanns vor vier Jahren verteilten wurden, bewusst falsch informiert haben.

Kein Geld für Mihatsch

Am Vormittag hatte das Ex-Mannesmann-Vorstandsmitglied Peter Mihatsch als Zeuge ausgesagt. Er gilt als der Begründer der Telekommunikation bei Mannesmann. Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, welche Anerkennung er dafür erfahren habe, sagte er: "Zwei Standing Ovations auf meiner letzten Hauptversammlung."

Die Vorsitzende Richterin Brigitte Koppenhöfer zerstreute erstmals etwaige Hoffnungen auf ein baldiges Prozess-Ende. Sie kündigte an, dass das Gericht plane, die 30-tägige Sommerpause in der letzten Augustwoche beginnen zu lassen, falls der Prozess noch so lange dauere.

© SZ vom 29.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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