Neues Cyber-Gesetz:Sieg der Falken

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China beschließt ein umstrittenes Cyber-Sicherheitsgesetz. Für viele Firmen in der Volksrepublik ist das ein Rückschritt. Manche Konzern erwägen, zwei Netze zu betreiben: ein eigenes nur für China und eines für den Rest der Welt.

Von Christoph Giesen, Peking

Bis zuletzt hatte man in Peking gekämpft. Wirtschaftsverbände hatten Stellungnahmen verfasst, Unternehmer offene Briefe geschrieben, durchreisende Politiker bei den zuständigen Ministern vorgesprochen. Vergeblich. Der Ständige Ausschuss des chinesischen Volkskongresses hat am Montag ein Cyber-Sicherheitsgesetz beschlossen, das von vielen Firmen in China als enorme Einschränkung betrachtet wird, als ein Sieg der Falken.

Das Gesetz gilt vom Sommer nächsten Jahres an für ausländischen Unternehmen, die Hard- oder Software an Betreiber sogenannter "kritischer Infrastruktur" in der Volksrepublik liefern. Damit gemeint sind zum Beispiel Kommunikationsunternehmen, Energie- und Wasserversorger, Transportfirmen oder Finanzkonzerne.

Betreiber dieser Unternehmen dürfen künftig nur IT-Produkte kaufen, die eine staatliche Sicherheitsüberprüfung bestanden haben. "Es ist unklar, ob ausländische Unternehmen im Rahmen dieser Prüfung die Quellcodes ihrer Produkte offenlegen müssen", sagt Nabil Alsabah vom Berliner Mercator Institute for China Studies (Merics).

Problematisch, sagt Nabil, sei außerdem, dass die Daten künftig innerhalb von Chinas Grenzen gespeichert werden müssen. "Ausländische Unternehmen befürchten, dass die Gefahr der Industriespionage und des Diebstahls des geistigen Eigentums wächst, wenn ihre Daten auf chinesischen Servern liegen."

Abgesehen vom zunehmenden Protektionismus in China sind sicherlich auch die Snowden-Enthüllungen verantwortlich für das Gesetz. Sie sorgten im Pekinger Apparat für Unruhe. Vor allem die mächtige Staatssicherheit setzte sich im Nachgang für eine möglichst strenge Auslegung ein.

Konzerne überlegen, künftig zwei Netze zu betreiben: eins in China, eins im Rest der Welt

So sind Unternehmen in der Volksrepublik künftig verpflichtet, auf Anfrage Daten der Polizei und den nationalen Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen. Firmen, die Daten ohne Genehmigung außerhalb Chinas speichern, können ihre Geschäftslizenz verlieren.

Das Gesetz sei "ein Schritt zurück", moniert James Zimmerman, Chef der amerikanischen Handelskammer in China. Statt den Fluss von Daten zu ermöglichen, baue die Regierung in Peking Hemmnisse sowohl für chinesische als auch ausländische Unternehmen auf. Sicherheit schaffe das Gesetz hingegen nicht, meint Zimmerman. Auch die Europäische Handelskammer in Peking zeigt sich enttäuscht: "Die Kammer ist weiterhin besorgt darüber, dass das neue Gesetz Auslandsinvestitionen und Unternehmen, die in und mit China tätig sind, behindern wird", heißt es in einer Stellungnahme.

Für die Entwicklung der digitalisierten Produktion, die Industrie 4.0, könnte das Gesetz ebenfalls Auswirkungen haben. Im Idealfall sollen in naher Zukunft Maschinen über Landesgrenzen hinweg miteinander kommunizieren. Der Roboter auf der Schwäbischen Alb mit seinem Pendant vor den Toren Shanghais. Doch das kann nur funktionieren, wenn der Datenverkehr dabei gesichert ist, damit kein Wettbewerber oder Geheimdienst auf die Rohdaten aus der Produktion zugreifen kann - die wichtigsten Informationen eines Unternehmens im digitalen Zeitalter.

Wenn aber nun das Cyber-Sicherheitsgesetz ausländische Firmen zwingt ihre Daten in China offenzulegen, ist das ein Bremsschuh. Die Konsequenz: Große Konzerne überlegen bereits, künftig zwei Netze unabhängig voneinander zu betreiben, eins in China, eins im Rest der Welt. Vor allem für mittelständische Unternehmen kann das teuer werden.

Die einzige Chance: Laut dem neuen Gesetz können Unternehmen in "gut begründeten Ausnahmefällen" von der lokalen Datenspeicherungspflicht befreit werden. "Was das konkret heißt, wird sich erst noch zeigen müssen", meint Merics-Mann Nabil Alsabah. "Die Erfahrungen deutscher Unternehmen in China deuten darauf hin, dass die Erfolgsaussichten für solche Ausnahmegenehmigungen größer sind, wenn ausländische und chinesische Unternehmen gemeinsam an den Staat herantreten."

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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