Neuer Zeichentrick-Sender gestartet:Nichts für Kinder

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Große blaue Augen, sexy lange Beine und der ewige Kampf gegen das Böse - mit dem ersten Vollprogramm für japanische Zeichentrickfilme drängt sich der Sony-Sender Animax in die deutschen Pay-TV-Kanäle.

Peter Martens

An diesem Sommerabend im Juni sieht man viel dunkles Tuch auf der Dachterrasse des Nobelhotels Bayerischer Hof. Herren im Anzug stehen herum und essen Sushi - Filmproduzenten, Rechtehändler, Medienanwälte. Vereinzelt dazwischen ein paar Schönheiten der Branche.

"Chrono Crusade": Mit geheimnisvollen Kugeln gehen Rosette und Chrono auf Dämonenjagd - im Abendprogramm. (Foto: Foto: Animax)

Direkt gegenüber der Terrasse die Kuppeln der Frauenkirche, rundum die Dächer der Münchner Altstadt in der Abendsonne. Dort, wo sonst Staatschefs und Popsänger bei ihrem Besuch in Bayern absteigen, wird heute japanisches Bier gereicht.

Wer mit dem Sushi fertig ist, posiert neben zwei Samurai-Kämpfern für die Fotografen, den Dom und die Abendsonne im Hintergrund. Dazu läuft globales Lounge-Gedaddel, nicht direkt aus Japan, aber sicher auch in Japan kompatibel.

Mächtig ins Zeug gelegt

Der Medienkonzern Sony Pictures hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Es gilt, ein Ereignis zu feiern - den Sendestart der ersten deutschen Fernsehkanals für japanische Zeichentrickfilme, den sogenannten Animes.

Zwar ist der kostenpflichtige Kanal über Unity Media vorerst nur in Hessen und Nordrhein-Westfalen empfangbar, doch die deutsche Sony-Tochter SPTI Networks Germany präsentiert den Start wie eine Sensation.

"Wir rechnen mit einem schnellen Erfolg und wollen schon Anfang nächsten Jahres bundesweit auf Sendung sein", sagt Robert Niemann, Geschäftsführer von SPTI Networks, gegenüber sueddeutsche.de. Der Markt sei sehr vielversprechend, Animax habe hier eine "manifeste Lücke" geschlossen.

Tatsächlich hat es bis jetzt auch in den zahlreichen deutschen Bezahlangeboten noch keinen Fernsehkanal gegeben, der sich ausschließlich japanischen Zeichentrickfilmen verschrieben hat.

Kaum älter als Vierzehn, kurz vor dem Abgrund

Für Comics aus Japan steht vor allem der Manga-Stil. Das Pendant auf der Leinwand und auf dem Bildschirm heißt Anime, abgeleitet vom englischen animation.

Die besondere Ästhetik der Manga-Bilder haben die Anime-Trickfilme übernommen. Es sind langbeinige Figuren, die selten älter aussehen als Vierzehn und sich stets in einer großen Bewegung befinden: Kurz vor dem Sprung in den Abgrund, rennend, mitten im Flug oder im Kampf. Selbst wenn sie still halten, scheinen die Charaktere selbst und alles um sie herum in Bewegung zu sein.

Das markanteste Merkmal der japanischen Manga-Comics und Anime-Filme sind die großen Kulleraugen der Helden, eingerahmt von bunten, wild wehenden Haarmähnen.

Diese in Japan so erfolgreichen und völlig unjapanisch aussehenden Figuren entsprechen nicht nur dem Kindchenschema, gelegentlich wird dieser Stil auch als die Sehnsucht seiner japanischen Fans nach einem solchen Aussehen verstanden. Auf jeden Fall sind die Manga- und Anime-Helden ständig im Kampf: Gegen Außerirdische, gegen Roboter, gegen böse Geister oder die Jungs von der anderen Schulklasse.

Genau dieses Sujet und seine Ästhetik ziehe Jugendliche und junge Erwachsene besonders an, behauptet Sony Pictures und setzt seinerseits zum internationalen Verdrängungswettbewerb im umkämpften Markt des Bezahlfernsehens an.

Anders als bisherige Anime-Inhalte richtet sich Animax ausdrücklich an die Kernzielgruppe zwischen 14 bis 29 Jahren - "Es wird keine einzige Kindersendung geben", betont Niemann.

In unterschiedlichen Genres wie Action, Romantic, Science-Fiction oder Horror laufen insgesamt 20 als Serien angelegte Zeichentricks. Sie werden alle in Japan produziert und dann für die jeweiligen Märkte zusammengestellt und aufbereitet.

Keine einzige Kindersendung

So werden Anime-Helden wie Earth Girl Arunja, Najica und Chrono im deutschen Fernsehen natürlich deutsch reden - dank der Synchronisierungen für SPTI Networks Germany.

Dieses Konzept hat offenbar Erfolg: 1998 begann Animax in Japan zu senden, expandierte in asiatische Länder und ging 2005 nach Lateinamerika, später nach Osteuropa. Nach Angaben von Sony Pictures erreichen Serien wie "Trinity Blood", "Burst Angel" oder "One Piece" derzeit etwa 36 Millionen Abonnenten in 38 Ländern.

Seit 2000 wurden etwa in die USA Anime-Programme im Wert von umgerechnet von 2,5 Milliarden Euro exportiert, berichtet das japanische Außenhandelsministerium.

Auf der Terrasse des Bayerischen Hofs blicken die Herren mit Weingläsern und japanischen Bierflaschen in der Hand zufrieden auf die Dächer Münchens. Plötzlich kommt Bewegung in die Runde: "Der Minister kommt." Welcher Minister? "Der Staatsminister."

Der Staatsminister Erwin Huber lässt es sich nicht nehmen, den Freistaat persönlich bei der Gründung des Trickfilmkanals zu vertreten. Das kommt daher, dass Animax immerhin die Landeshauptstadt zu ihrem Hauptsitz erwählt hat, obwohl die Animes vorerst in Hessen und NRW laufen, aber im bayerischen Sendegebiet noch keine Spur von ihnen zu sehen ist.

Zwei Ninjas im tödlichen Kampf und gleichzeitig schwer verliebt - die Anime-Serie "Basilisk" (Foto: Foto: Animax)

Huber ist um ein Kommentar dazu nicht verlegen: "Wir Bayern sind ja großzügig. Wir geben den anderen Geld. Wir geben ihnen auch Programme. Und darum werden wir auch beneidet. München ist nicht nur ein Medienzentrum in Bayern, sondern auch in Deutschland und Mitteleuropa."

"Wir Bayern sind großzügig"

An diesem milden Sommerabend ist Huber in lockerer Stimmung. In sehr bayerischem Englisch wendet er sich an den anwesenden Ross Hair, Senior Vice President von Sony Pictures Europe. "In Bavaria we are world-open. We like foreigners." Gelächter der Anwesenden. In seinem sehr speziellen Englisch fährt er fort: "Ich bin hier wegen dem Launch von Animax. Ich würde auch zum zweiten und zum dritten und zum vierten Launch kommen, so lange Sie hier Jobs schaffen und Steuern zahlen." Applaus.

Den Umfang der Animax-Investitionen in den Standort und das Personal möchte Geschäftsführer Niemann lieber offen lassen. Auch zu Zielvorgaben im Hinblick auf die Einschaltquoten will er nichts sagen. Niemann betont jedoch, dass der Sender kräftig expandieren soll. Schon bald sollen die bunten Bilder via Kabel, Satellit, IPTV und Mobilfunk empfangbar sein.

Das Problem mit dem Free-TV

Er erwähnt auch den harten Wettbewerb, der zwischen den Pay-TV-Kanälen herrscht, und die zusätzlichen Schwierigkeiten, die solche Anbieter speziell in Deutschland haben.

Das Angebot an qualitativ hochwertigen und dazu auch frei empfangbaren Fernsehprogrammen ist hierzulande einfach sehr groß.

In der Marktdurchdringung soll Animax ein anderer Sender aus dem Hause Sony Schützenhilfe leisten - der Actionsender AXN, der in Deutschland bereits über eine Million Abonnenten hat und mithilfe von 15 Distributionspartnern verbreitet wird.

Im Konkurrenzkampf setzt Niemann jedoch vor allem auf die Trickfilme selbst: "Wir können den Kampf nur über Inhalte gewinnen." Entsprechend sollen nur Animes ins Programm genommen werden, die zu den besten dieses Genres gehören.

Zusätzlich sucht der Sender die Abgrenzung von Animes, die bisher im deutschsprachigen Raum gezeigt wurden: Nach den Worten von Niemann waren das bisher stets Inhalte für Kinder, obwohl sich nur ein Teil der japanischen Animes an Kinder richtet.

Grell, laut, kitschig

"Man muss auch solche Inhalte ausstrahlen, die dem Jugendschutz unterliegen. Andere Sender haben sich das bisher nicht getraut", so Niemann.

Rund ein Drittel der Serien im Animax-Programm seien nicht jugendfrei und werden entsprechend verschlüsselt, erzählt er. Trotzdem gelte im Hause Sony der Grundsatz: Sexy Programme, aber keine erotischen Inhalte.

Obwohl auch vom thematischen Anspruch die Rede ist, gelten Animes in Europa allgemein oft als grell, laut, gewalttätig und kindisch-kitschig zugleich. Häufig geht es um das ganze Universum, und kaum ein Kampf mit dem Bösen kommt ohne magische Schwerter, Bälle, Geister aus.

Die Geschichten sieht Animax-Geschäftsführer Niemann naturgemäß anders: "Die Animes entführen uns in eine Welt der Magie, weit jenseits der Realität. Ein Film ist mehr oder weniger real. Ein Anime geht da viele Schritte weiter."

"Rufen Sie mich an"

Und das Gute siegt, mithilfe der Magie. Meistens. Auch bei Animax soll alles gut werden im Kampf gegen die anderen Bezahlsender, und noch mehr gegen die frei empfangbaren.

Bayern scheint da besonders geeignet zu sein - schließlich fiel hier unter der CSU-Mitwirkung der Startschuss für die ersten privatrechtlichen Rundfunkprogramme, wie Erwin Huber bei seinem Auftritt kurz anmerkt.

Zum Schluss seiner Rede überreicht er Robert Niemann eine weißblaue Schachtel mit einem kleinen Löwen darin. "Das ist der bayerische Löwe. Er hat magische Kräfte", sagt Huber dazu. "Und wenn das nichts hilft, rufen Sie mich an."

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