Neuer Wall Street-Skandal:FBI verhaftet Devisenhändler

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Vor laufenden Kameras hat die US-Bundespolizei FBI 48 Broker festgenommen. Die Justiz erhob Anklage wegen krimineller Machenschaften, da die Händler verdächtigt werden, Anleger um Millionen betrogen zu haben.

Von Andreas Oldag

(SZ vom 20.11.03) — Laut amerikanischen Medienberichten seien Investoren von Devisenhändlern mit fiktiven Geschäften betrogen worden. Das Volumen der Transaktionen reiche in die Millionen.

Bei den Festgenommenen soll es sich unter anderem um Mitarbeiter der in London beheimateten Brokerfirma ICAP handeln. FBI-Sprecher Joe Valiquette äußerte sich zunächst nicht zu der FBI-Aktion.

Vor laufenden Kameras führten FBI-Beamte die Devisenhändler in Handschellen ab und brachten sie mit Polizeitransportern fort. Einige der in elegante Anzüge gekleideten Männer versuchten, ihr Gesicht hinter ihren Mänteln zu verstecken oder senkten die Köpfe.

Lange Untersuchungen

Ein FBI-Beamter vor Ort sagte: "Es geht um Devisenbetrug, Wertpapierbetrug." Die entsprechenden Untersuchungen liefen bereits seit langem. Der Fernsehsender NBC berichtete, die Händler hätten Kunden die Beteiligung an Währungsgeschäften vorgegaukelt, an denen Kleinanleger gar nicht teilnehmen könnten.

"Wir saßen bei der Arbeit, und sie kamen einfach rein und stürmten das Büro", sagte ein Angestellter einer betroffenen Firma. "Sie hatten Waffen. Sie kamen mit Westen rein und sagten: ,Keine Bewegung.'" Das FBI habe den Angestellten der Firma erklärt, Kunden seien um vier Millionen Dollar geschädigt worden.

Geldwäsche und Betrug

In FBI-Kreisen hieß es, die Händler hätten Privatanleger im vergangenen Jahr um eine nicht genannte Summe betrogen. Es gehe um Geldwäsche und Betrug. Zu den betroffenen Unternehmen hieß es, die Ermittlungen richteten sich gegen vier Finanzhäuser, die vor allem an den Finanzmärkten und weniger außerhalb der Branche bekannt seien.

Die amerikanische Finanzwelt wird seit den Bilanzskandalen großer Unternehmen wie Enron von einem Skandal nach dem anderen erschüttert. Zuletzt hat die Staatsanwaltschaft die Fondsbranche wegen illegaler Handelspraktiken ins Visier genommen. Der Devisenhandel, der täglich rund 1,2 Billionen Dollar umsetzt, war jedoch bislang von Vorwürfen verschont geblieben.

Reformdiskussion angeheizt

Die Verhaftung der verdächtigen Devisenhändler hat die Diskussion um eine Reform der Finanzindustrie und eine Verstärkung ihrer Aufsicht und Kontrolle erneut angeheizt. Die Mitglieder der New York Stock Exchange (Nyse) haben jetzt einen neuen unabhängigen Verwaltungsrat gewählt, der Interessenkonflikte und Missbräuche künftig verhindern soll.

Die Wahl muss von den Bundesbörsenaufsehern noch genehmigt werden. Der neue verkleinerte Verwaltungsrat ist ein Teil der Reformvorschläge von Interimschef John Reed, denen die 1366 Mitglieder des weltweit größten Börsenplatzes am Dienstag zugestimmt hatten.

Nach der Grasso-Affäre

Der bisher 27-köpfige Verwaltungsrat wird im Rahmen der Vorschläge auf sechs bis zwölf Mitglieder reduziert, die für die Überwachung der Nyse und die Vergütung der Verwaltungsratsmitglieder zuständig sind. Für das operative Geschäft der Nyse wie zum Beispiel Börsenemissionen wird ein getrennter Exekutiv-Ausschuss zuständig sein.

Die Nyse war vor zwei Monaten durch das riesige Entlohnungspaket für den damaligen Börsenchef Richard Grasso ins Gerede gekommen. Die Börse habe Marktmacher und Spezialisten nicht ausreichend überwacht, hieß es. Reed, ein früherer Vorstandschef der heutigen Citigroup, trat seinen Posten als Interimschef nach Grassos erzwungenem Rücktritt Ende September an.

"Guter Schritt"

Ob die US-Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde SEC (Securities & Exchange Commission) die Reformvorschläge akzeptiert, ist noch offen. Mit einer Entscheidung wird spätestens Mitte Dezember gerechnet.

SEC-Chef William Donaldson bezeichnete die Reformen als "guten ersten Schritt", er schloss jedoch weitere Maßnahmen nicht aus. Der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer kritisierte die Empfehlungen als unzulänglich.

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