Neuer Transnet-Chef Krauß:"Herr Mehdorn ist ein netter, sympathischer Herr"

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Von heute auf morgen auf den Chefsessel der Gewerkschaft: Der neue Transnet-Boss Lothar Krauß über den plötzlichen Wechsel seines Amtsvorgängers Norbert Hansen zur Bahn, was gegen einen Schmusekurs mit Konzernchef Hartmut Mehdorn spricht - und warum er selbst nicht so schnell umkippt.

Melanie Ahlemeier

Lothar Krauß führt seit Mitte Mai die Transnet, eine von drei bei der Deutschen Bahn organisierten Gewerkschaften. Er folgte auf Norbert Hansen, der Anfang Mai überraschend als Arbeitsdirektor zur Deutschen Bahn wechselte. Krauß ist ein echter Gewerkschaftsfunktionär, schon als Bahn-Azubi trat er 1973 im Alter von 17 Jahren in die Gewerkschaft ein. Seit 1999 war er Gewerkschaftsvize. Der 52-Jährige gilt als eloquent und überzeugungsstark - Attribute, die einen Gewerkschafter schmücken. In seiner Freizeit kocht Lothar Krauß mit Vorliebe für seine Familie.

Lothar Krauß: "Das Gerangel um Mitglieder untereinander stärkt die deutsche Gewerkschaftsbewegung nicht." (Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Als bisheriger stellvertretender Vorsitzender kennen Sie Transnet bis ins kleinste Detail. Welche Aufgaben wollen Sie in Ihrer neuen Funktion zuerst angehen?

Lothar Krauß: Es gibt eine ganze Reihe von Themen. Dazu gehört die jetzt vom Bundestag beschlossene Bahn-Teilprivatisierung. Wir müssen in das neue Unternehmen und in die neuen Aufsichtsräte reinkommen. Wir müssen uns um die paritätische Mitbestimmung kümmern. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die in diesem Jahr ausgehandelten Tarifverträge eins zu eins umgesetzt werden.

sueddeutsche.de: Sie kümmern sich also zuerst um die Außenwirkung der Transnet. Welche Baustellen gibt es intern und auch mit Blick auf die Konkurrenzgewerkschaften GDBA und GDL?

Krauß: Ich habe Verständnis dafür, dass jeder glaubt, er müsste sein Organsiationsgebiet ausweiten. Aber ganz gleich, ob es DGB- oder DBB-Gewerkschaften sind: Das Gerangel um Mitglieder untereinander stärkt die deutsche Gewerkschaftsbewegung nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht den Auftrag haben, uns gegenseitig die Mitglieder abspenstig zu machen.

sueddeutsche.de: Wie sollte eine vernünftige Zusammenarbeit der Gewerkschaften Ihrer Meinung nach denn aussehen?

Krauß: Ich habe es zu meiner Herzensangelegenheit gemacht, dass wir uns sehr schnell mit den Kollegen von Verdi und der GDL zusammensetzen. Auf Dauer schadet die Konkurrenz den Belegschaften und hilft nur der Kapitalseite.

sueddeutsche.de: Haben Sie schon die Einladungen verschickt, wenn Ihnen die Harmonie zwischen den Gewerkschaften dermaßen wichtig ist?

Krauß: Wir suchen die passenden Gelegenheiten. Und vielleicht muss das zunächst einmal in einem Rahmen ablaufen, in dem es nicht gleich die Öffentlichkeit wahrnimmt.

sueddeutsche.de: Ihr Amtsvorgänger Norbert Hansen war bekannt für seinen guten Draht zu Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Auffällig war auch, dass die Transnet als einzige von drei Gewerkschaften für den Bahn-Börsengang gestimmt hat. Entspricht der Schmusekurs mit dem eigentlichen Gegner - dem Arbeitgeber - auch Ihrer persönlichen Strategie?

Krauß: Herr Mehdorn ist ein netter, sympathischer Herr - der macht seinen Job. Aber ich bin der Vorsitzende der Transnet, und die Eisenbahner können sich darauf verlassen, dass wir kompromisslos für ihre Belange eintreten. Da gibt es keinen Schmusekurs.

sueddeutsche.de: Also müssen sich die Transnet-Mitglieder keine Gedanken machen, dass Sie auch bald bei der Bahn anheuern?

Krauß: Nein, da braucht sich wirklich kein Mensch Gedanken zu machen. Das ist nicht mein Ding.

sueddeutsche.de: Bleibt von der Ära Norbert Hansen mehr als das Geschmäckle?

Die Bahn strebt an die Börse: 24,9 Prozent der Transportsparte werden privatisiert. (Foto: Foto: AP)

Krauß: Ich hätte mir gewünscht, dass man den Personalwechsel transparenter und in einer Form gestaltet hätte, dass es unsere Mitglieder verstehen - und nicht in diesem Hauruck-Verfahren. Wir fanden es auch nicht toll, dass er bei uns noch nicht richtig abgefahren war, aber mit den Medien schon über Personalabbau redet.

sueddeutsche.de: Haben Sie ihn zur Räson gerufen?

Krauß: Norbert Hansen ist bei uns ausgeschieden und hat einen Job bei der Bahn übernommen. Das ist ein neues Verhältnis, denn er ist Angestellter der Deutschen Bahn - da muss er sich mit dem Vorstand der Bahn arrangieren.

sueddeutsche.de: Unmittelbar vor der Abstimmung des Bahn-Aufsichtsrat haben Sie als Transnet-Chef Krallen gezeigt und mit dem Platzen des Börsenplans gedroht, falls der Konzern nicht den Beschäftigungssicherungspakt unterschreiben sollte. Kurze Zeit später sind Sie dann aber doch umgekippt und haben die Börsenpläne abgnickt.

Krauß: Ich bin ein kräftiger Typ, da kippe ich nicht so schnell um. Wir haben einen Tarifvertrag mit der Deutschen Bahn AG verhandelt. Und in diesem Tarifvertrag hatten wir Inhalte vereinbart, die deutlich über die Regeln hinausgehen, die der Bundestag jetzt beschlossen hat. Wir wollten nicht von einer möglichen Regierungsänderung in Berlin abhängig sein. Wir haben gesagt: Politik ist gut, Kaufvertrag ist auch gut, Tarifvertrag ist besser.

sueddeutsche.de: Und warum dann erst dieses Zetern?

Krauß: Um kurz vor zwölf haben die Bahn AG und Herr Mehdorn, salopp formuliert, rumgezickt. Ein Tarifvertrag gilt aber erst dann, wenn er die Unterschriften beider Tarifparteien trägt. Es war eine klare Ansage, dass wir nur dann im Aufsichtsrat die Zustimmung erteilen können, wenn ich auf der anderen Seite einen unterschriebenen Tarifvertrag habe. Das haben wir gemacht, da ist keiner umgefallen - der Herr Mehdorn nicht und der Herr Krauß auch nicht.

sueddeutsche.de: Der neue GDL-Chef Claus Weselsky befürchtet einen Stellenabbau, wenn die Bahn an die Börse kommt. Sehen Sie auch schwarz? Und wie bereiten Sie die Transnet-Mitglieder auf eine eventuell drohende Arbeitslosigkeit vor?

Krauß: Wir haben einen Tarifvertrag abgeschlossen, in dem betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung ausgeschlossen werden. Über den konzernweiten Arbeitsmarkt ist gesichert, dass die Mitarbeiter bei der Bahn und in Arbeit bleiben. Im Gegensatz zu Herrn Weselsky habe ich nicht die Befürchtung, dass eine Teilprivatisierung per se das Unglück der Menschheit darstellt.

sueddeutsche.de: Voraussichtlich im Oktober können die Bahn-Aktien gezeichnet werden. Eine gute Geldanlage?

Krauß: Ich persönlich darf keine Bahn-Aktien erwerben, da ich im Aufsichtsrat sitze. Für unsere Mitglieder ist vorgesehen, dass ein Prozent der Aktien, die ausgegeben werden, als Mitarbeiter-Aktien reserviert und den Kollegen angeboten werden.

sueddeutsche.de: Transnet kümmert sich nicht nur um Eisenbahner, sondern auch um Busfahrer. Ein Mindestlohn soll "deutlich über 7,50 Euro liegen", sagten Sie kürzlich. Aus den aktuellen politischen Diskussionen ist das Lieblingsthema der Gewerkschaften derzeit aber völlig verschwunden.

Krauß: Ich bedaure besonders, dass die große Koalition an dieser Stelle sich selbst gegenseitig lähmt. Ich glaube aber nicht, dass wir in diesem Verkehrssegment mit einem gesetzlichen Mindestlohn alleine auskommen. Unser Anliegen ist, dass wir mit Verdi zusammen bei allen Gesellschaften, die Busse und Bahnen betreiben, dafür sorgen, dass dort Tarifverträge abgeschlossen werden.

sueddeutsche.de: Es gibt genügend Beispiele dafür, dass Gewerkschaften Dumpinglöhne mit ausgehandelt und per Tarifvertrag gebilligt haben.

Krauß: 7,50 Euro sind für viele Menschen, auf die Sie anspielen und die in solchen Dienstleistungsberufen arbeiten, schon ein Fortschritt.

sueddeutsche.de: Ist der flächendeckende Mindestlohn mit der großen Koalition noch realisierbar? Oder muss erst eine neue Regierung her, damit ein neuer Versuch gestartet werden kann?

Krauß: Ab Frühjahr 2009 wird der Wahlkampf ausbrechen - da werden sich große Themen nicht mehr bewegen lassen. Wir sind froh, wenn wir wesentliche Themen noch in diesem Jahr vorantreiben können.

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