Neuer Markt: Als die Blase platzte:Gesunde Aktienmüdigkeit

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Es war eine schmerzhafte Lehre: Vor zehn Jahren platzte die Internetblase am Neuen Markt. Seither fällt es den Anlegern immer schwerer, den Aktienmärkten zu vertrauen - und das zu Recht.

Markus Zydra

Alte Namen helfen der Erinnerung auf die Sprünge. Haffa-Brüder? Unvergesslich, das waren doch die mit den Fernsehrechten. Gigabell? Ein Telekomkonzern, der ist doch Pleite gegangen. Neuer Markt? Der Börsenplatz, wo alle Internetunternehmen gelistet waren.

Man kann mit Freunden abendfüllend über diese Zeit diskutieren, aber richtig verbittert wirkt kaum jemand mehr. Alles klingt wie eine Jugendsünde. In der Rückschau verklärt sich vieles, selbst schlimme Geldverluste. Wenn man heute vom Platzen der Internetblase spricht, dann klingt das auch irgendwie läppisch.

Sicher, ab März 2000 begann eine schmerzhafte Lernphase. Aktionäre merkten, dass viele Versprechen, Prognosen und Geschäftsberichte nichts wert waren. Der Begriff New Economy bekam ein Geschmäckle.

Vorstände, die gerade noch zur besten Sendezeit in den Medien als Visionäre interviewt wurden, tauchten in Windeseile ab, sei es ins Ausland, in die innere Emigration oder in Untersuchungshaft. Das war schlimm, aber was ist das schon im Vergleich zur aktuellen Finanz- und Staatenkrise? Die Welt steckt derzeit in noch schlimmerem Schlamassel als 2000, und die Internetblase war Vorbote der aktuellen Krise.

Damals vor zehn Jahren, der Bundeskanzler hieß Gerhard Schröder, da glaubte die Welt noch an einen Aufschwung ohne Grenzen. In Amerika, Japan, Osteuropa und auch in Deutschland, überall gab es die Vorstellung, dass Gewinn und Umsatz eines Unternehmens nichts mit dem Wert des Konzerns zu tun hätten.

Die größte Verlustklitsche konnte an der Börse Milliarden Euro kosten. John Kenneth Galbraith hat einst gesagt, dass die Spekulation den Verstand der Beteiligten aufkaufe - die Ereignisse von 1996 bis 2000 sind mit diesen Worten vortrefflich beschrieben.

Nun hätte man eigentlich erwartet, dass die Investoren aus dieser Katastrophe lernen würden, denn die Verluste waren ja hoch genug. Dennoch kam es schon 2004 bis 2007 zur nächsten euphorischen Preisblase.

Ausgangspunkt waren diesmal die amerikanischen Immobilienmärkte. Natürlich hat die Gier der Spekulanten auch diesmal eine Rolle gespielt, aber die Notenbanken haben ab 2001 mitgeholfen: Sie verbilligten das Geld, das heizte die Spekulation erneut an, und so mündete die Internetblase nach ihrem Platzen direkt in die Finanzblase.

Die Lehre ist: Schlimme Börsencrashs passieren häufiger als gedacht. Sehr wahrscheinlich bleibt es auch so. Der Börsenhandel hat sich enorm beschleunigt. In Millisekunden wechseln Aktien den Besitzer, der Handel läuft 24 Stunden am Tag, viele Investoren spekulieren auf Pump in fremden Währungen.

Das gab es im Jahr 2000 schon in Ansätzen, mittlerweile ist die Verzahnung der globalen Finanzmärkte so eng, dass ein Gerücht über die Pleite eines Hedgefonds reichen kann, einen Staat in den Bankrott zu treiben. Das ist keine Grundlage für wertstabile Investitionen.

Geldanlage war schon immer ein kompliziertes Geschäft. Doch früher konnte man sich darauf verlassen, dass der Markt langfristig die guten Unternehmen mit Preissteigerungen belohnte. Diese Markteffizienz strahlte eine gewisse Fairness aus, doch jetzt hat das kurzfristige Zocken die Oberhand gewonnen.

Die entscheidende Frage ist, wie Sparer mit dieser Tatsache umgehen sollen. Denn viele Experten behaupten immer noch, dass gerade Aktieninvestments ein probates Mittel für die Altersvorsorge sind. Doch so einfach ist es nicht: Man kann Teilhaber in einem sehr guten Unternehmen sein, doch wenn es im globalen Finanzsystem ein Problem gibt, dann verliert auch diese "gute" Aktie sehr schnell sehr viel an Wert.

Das Angebot an Finanzanlagen ist riesig, doch die Qualität ist es nicht. Anders als im Jahr 2000 spüren viele Anleger diesen Qualitätsmangel. Sie sind misstrauischer geworden. Eigentlich wollen sie in Gelddingen niemandem mehr vertrauen, andererseits trauen sie selbst sich die Investition auch nicht zu. Dieses Dilemma erklärt die Aktienmüdigkeit der Deutschen. Nach den vielen Crashs ist es eine gesunde Müdigkeit.

© SZ vom 09.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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