Neue Wettbewerbsregeln:Clement: Presse darf Anzeigenverbund bilden

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Die Bundesregierung will den Zeitungsverlagen erlauben, ihre Anzeigen gemeinsam zu verkaufen, damit mehr Geld in die Presse-Kassen kommt. Solche Kooperationen sollen nicht mehr unter das Kartellverbot fallen.

Von Klaus Ott

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement legte am Freitag neue Wettbewerbsregeln vor, mit denen frühere Entwürfe teilweise korrigiert werden.

Ursprünglich wollte der frühere Journalist das Kartellrecht für die Presse weitgehend außer Kraft setzen, um Verlagen in Not zu helfen. Übernahmen und Fusionen sollten den Untergang von Zeitungen verhindern. Doch dann gab es Kritik von allen Seiten, nun möchte es Clement offenbar allen Beteiligten recht machen.

Missbrauchsregel gegen Konzerne

Der neue Entwurf, den das Wirtschaftsressort jetzt den anderen Ministerien und betroffenen Verbänden präsentierte, enthält eine von Clement angekündigte "Missbrauchsregel". In Paragraf 36, Absatz 1a werden Fusionen und Übernahmen bei der Presse weitgehend freigegeben, wie schon seit Monaten geplant.

Das Kartellrecht gilt nicht, sofern der Altverleger der aufgekauften Zeitung oder ein neuer Partner mindestens 25,1 Prozent der Anteile halten und genau festgelegte Mitbestimmungs- und Vetorechte etwa bei der "redaktionellen Grundhaltung" oder der Bestellung und Abberufung der Chefredaktion haben.

In Absatz 1b wird diese Lockerung des Kartellrechts nunmehr auf Sanierungsfälle beschränkt. Die Anzeigen- und Beilagenerlöse der zum Verkauf stehenden Blätter müssen drei Jahre lang rückläufig sein oder "erheblich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Zeitungen" liegen, damit das Bundeskartellamt die Übernahme nicht verbieten kann.

Gegen diese Auflage hatte sich der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gewehrt. Der BDZV warnte das Wirtschaftsressort, finanziell angeschlagene Verlage müssten ihre Notlage dann öffentlich machen. Das könne dazu führen, dass sich die Banken zurückzögen und die Lage sich weiter verschlimmere.

Verbot von Regionalketten

Der neue Absatz 1b enthält noch eine weitere Auflage, mit der die Vormachtstellung einzelner Verlage in größeren Regionen verhindert werden soll. Die wiederholte und rasche Übernahme von Zeitungen in "räumlich benachbarten Märkten" durch einen Aufkäufer wird demnach nicht erlaubt.

Clement hatte dem BDZV angekündigt, er wolle unterbinden, dass die Presse-Konzerne die deutsche Zeitungslandschaft unter sich aufteilten, indem sie etwa "Regionalketten" bildeten. Die neue Vorgabe, mit der solche Ketten unterbunden werden sollen, ist allerdings schwammig formuliert.

Mit der Missbrauchregel im Absatz 1b möchte Clement offenbar die vielen Kritiker abwehren. Teile von SPD und Grünen, die CDU/CSU, die Journalistengewerkschaften, die Monopolkommission und vor allem das Bundeskartellamt hatten dem Wirtschaftsminister vorgeworfen, bei der Lockerung der Kartellregeln für die Presse zu weit zu gehen. Dadurch seien die Presse- und die Meinungsvielfalt gefährdet.

Union droht mit Ablehnung

Andererseits kommt Clement den Verlagen auf dem Werbemarkt noch einmal weit entgegen. Kooperationen beim Verkauf der Anzeigen und Beilagen sollen künftig nicht mehr dem Kartellverbot unterliegen. Auch das ist neu in Clements neuestem Entwurf, den Bundestag und Bundesrat in diesem Jahr verabschieden soll. Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) hat allerdings schon gewarnt, die Novelle könne im Bundesrat durchfallen. Eine weitgehende Lockerung des Kartellrechts gefährde kleine und mittelständische Verlage, kritisierte Wiesheu.

Keine Lex Springer

Clements Ressort hatte im übrigen auch erwogen, den Marktanteil von Pressekonzernen zu begrenzen. Beim Fernsehen gibt es bereits eine solche Regel. Dort darf ein Konzern mit seinen Sendern maximal 25 bis 30 Prozent Marktanteil erreichen.

Bei der Presse hätte eine ähnliche Vorgabe in der Praxis nur den Springer-Verlag getroffen, der mit Bild, Welt und zahlreichen weiteren Blättern rund 20 Prozent der Zeitungen verkauft. Am Ende verzichtete Clement aber auf eine solche Maßgabe für Springer. Im neuen Gesetzentwurf steht davon kein Wort.

Lex Holtzbrinck

Clements neuer Entwurf enthält eine Vorschrift zu Gunsten der Stuttgarter Verlagsgruppe Holtzbrinck, die ihren defizitären "Tagesspiegel" in der Hauptstadt im Verbund mit der "Berliner Zeitung" sanieren will.

Das Kartellamt hat Holtzbrinck aber den Erwerb der "Berliner Zeitung" untersagt; daraufhin machten sich die Bundesregierung und Clement daran, das Kartellrecht zu lockern.

Im jetzigen Entwurf heißt es ausdrücklich, eine Fusion oder Übernahme sei auch dann zulässig, wenn jene Zeitung Probleme habe, die ein anderes Blatt kaufen wolle. Das neue Gesetz diene auch der "langfristigen Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage der ... erwerbenden Zeitung".

Nach Einschätzung im BDZV könnte Holtzbrinck über den "Tagesspiegel" mit dieser Spezialregel die "Berliner Zeitung" gegen den Willen des Kartellamtes doch noch erwerben.

Presse-Grosso geht leer aus

Erfolglos geblieben ist dagegen der Bundesverband der Grossisten, die im Auftrag der Verlage deren Blätter an 116.000 Verkaufsstellen ausliefern. Die mittelständischen Zwischenhändler hatten über ihren Verband auf gesetzliche Schutzmaßnahmen gedrängt.

Clement sollte verbieten, dass die Verlage, denen bisher nur 12 der 78 Grosso-Betriebe in Deutschland gehören, weitere Zwischenhändler aufkaufen. Außerdem sollte die Regierung verfügen, dass die Verlage die Verkaufsstellen nicht selbst beliefern dürfen, sondern sich der Grossisten bedienen müssen. Clement sah allerdings davon ab, diese Vorschläge aufzugreifen.

Nach Angaben aus Regierungskreisen hofft der Minister auf eine "Selbstverpflichtung" von Verlagen und Grosso, damit beim Zeitungsvertrieb weiterhin kein Blatt bevorzugt oder benachteiligt werde.

Dieses Problem ist derzeit ganz akut, da der Springer-Konzern die Bild und die Bild am Sonntag ab Mitte Mai in allen 1244 Filialen von McDonalds verkaufen will, notfalls ohne das Presse-Grosso. Die Grossisten und zahlreiche Verlage forden, dass McDonalds auch andere Zeitungen anbietet, was die Fastfood-Kette aber ablehnt.

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