Neue Rekordzahl:Bald 5,1 Millionen Menschen ohne Job

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Bereits den Fünf-Millionen-Schock für Januar hat Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement durch gezielte Interviews entschärft, bevor die offizielle Zahl überhaupt verkündet wurde. Diese Strategie wendet er nun für die Februarzahlen wieder an.

Von Marc Beise

Die Rekordarbeitslosigkeit vom Januar mit mehr als fünf Millionen Menschen wird im Februar deutlich übertroffen werden. Zu befürchten sind rund 5,1 Millionen Arbeitslose.

Clements Strategie: Er entschärft die Rekord-Arbeitslosenzahlen, noch bevor sie mit großem Glockengeläut offiziell verkündet werden. (Foto: Foto: dpa)

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) spricht von einem "bedrückenden Zustand" und hofft jetzt "sehr auf den März".

Schon einmal hat die Methode der scheibchenweisen Information funktioniert, jetzt probiert es Wolfgang Clement (SPD) ein zweites Mal.

Im Februar werde die Zahl der Arbeitslosen noch einmal kräftig steigen, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Donnerstag im Bundestag - lange bevor die Bundesagentur für Arbeit die neuen Zahlen am 1. März in Nürnberg bekannt geben wird.

Durch gezielte Interviews entschärft

Arbeitsmarktexperten verschiedener Institute erwarten einen Anstieg der offiziell registrierten Arbeitslosen auf mehr als 5,1 Millionen Menschen. So rechnet Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, mit noch einmal 100.000 Arbeitslosen. Bei den Augsburger Konjunkturgesprächen nannte Sinn für das gesamte Jahr 2005 im Mittel rund 4,6 Millionen Arbeitslose.

Bereits das politisch heikle Überschreiten der Fünf-Millionen-Grenze im Januar 2005 hatte Clement durch gezielt gesetzte Interviews in den Tagen vor der Pressekonferenz der Bundesagentur zu entschärfen versucht.

Mit Erfolg: Über die Nachrichten aus Nürnberg berichteten die Medien zwar ausführlich, doch fand das Thema in der Öffentlichkeit ein nur verhaltenes Echo. Und das, obwohl mit 5.037.142 registrierten Arbeitslosen ein Rekord in der Geschichte der Bundesrepublik erreicht worden ist.

Als Grund für den erneuten Anstieg nannte Clement jetzt die Eingliederung bisheriger Sozialhilfeempfänger in die Statistik. In der Tat tauchen nach BA-Statistiken rund 200.000 arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger erstmals auf.

Allerdings wird zugleich eine große Zahl anderer Arbeitsloser nicht erfasst, so dass Experten die wahre Arbeitslosigkeit in Deutschland je nach Rechnung auf bis zu neun Millionen Menschen addieren.

Wahrheit hinter der Statistik

Nicht erfasst in der offiziellen Zählung sind 990.000 Arbeitslose in Schulungsmaßnahmen der BA und 210.000 Arbeitslose in Maßnahmen der Kommunen, ferner 984.000 Arbeitslose im Vorruhestand, 65.000 Kurzarbeiter (umgerechnet auf volle Stellen) sowie die stille Reserve derjenigen, die die Arbeitssuche vorübergehend aufgegeben haben, bei besserer Arbeitsmarktlage aber wieder aufnehmen würden: Deren Zahl wird auf bis zu 1,8 Millionen Menschen geschätzt.

Auch von den zwei Millionen als "nicht arbeitsfähig" geltenden Sozialhilfeempfängern "liegt nur ein Bruchteil im Bett und kann tatsächlich nicht arbeiten", sagte Sinn in Augsburg und forderte weitere Reformanstrengungen.

Der Wirtschaftsprofessor widersprach dem Optimismus des Wirtschaftsministers. Der hofft jetzt "sehr auf den März". Immerhin stehe dem immer noch geringen Wachstum eine "unbestrittene Stärke der deutschen Volkswirtschaft" gegenüber.

Dagegen machte Sinn "hohe, feste und starre Löhne" für die zunehmende Arbeitslosigkeit verantwortlich. Wenn daran nichts geändert werde, sei mit einem positiven Wandel am Arbeitsmarkt nicht zu rechnen.

Merkel: Versagen der Regierung eine "Schande"

In einer teilweise hitzig geführten Debatte im Bundestag warf CDU-Fraktionschefin Angela Merkel der Regierung Schröder völliges Versagen vor. Es sei eine Schande, mit welch untauglichen Lösungsvorschlägen die Regierung angesichts der Massenarbeitslosigkeit aufwarte.

Die Oppositionsführerin forderte die Regierung auf, die Reform der Firmensteuer in Angriff zu nehmen, und bot dabei ihre Mitarbeit an. SPD und Grüne betonten dagegen, die CDU habe nicht einmal ein Konzept für eine Unternehmensteuerreform vorzuweisen. Zudem sei der zehn Punkte umfassende "Pakt für Deutschland" der CDU in weiten Teilen gar nicht zu finanzieren.

Der Pakt sieht unter anderem vor, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 1,5 Prozentpunkte zu senken, den Kündigungsschutz zu lockern und eine zeitweise untertarifliche Entlohnung zu ermöglichen.

Grüne: CDU betreibt "radikalen Kahlschlag"

CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann betonte, man müsse in Deutschland endlich zur Kenntnis nehmen, dass das Problem der Arbeitslosigkeit sich nicht mit Mitteln der Arbeitsmarktpolitik lösen lasse.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, wies Forderungen nach einer Lockerung des Kündigungsschutzes zurück. Zahlreiche Studien belegten, dass ein Abbau von Schutzrechten für Arbeitnehmer nicht zu mehr Beschäftigung führe. Sie warf der CDU einen "radikalen Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik" vor.

Die Union wolle die notwendigen elf Milliarden Euro zur Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung durch Streichungen bei Existenzgründungen oder Weiterqualifizierungs-Maßnahmen finanzieren. Damit würden für Langzeitarbeitslose die Brücken zum ersten Arbeitsmarkt abgerissen.

© SZ vom 18.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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