Neue Regeln:Dax auch für ausländische Firmen offen

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Die Deutsche Börse will verhindern, dass ihr wichtigster Index an Bedeutung verliert: Künftig können auch bestimmte Konzerne mit Sitz im Ausland in den Dax aufrücken.

Martin Hesse

Mit den neuen Regeln passt die Deutsche Börse sich internationalen Gepflogenheiten an. Beispielsweise ist der französische Leitindex CAC40 unter bestimmten Bedingungen bereits jetzt für ausländische Unternehmen offen, ähnlich ist es an anderen europäischen Handelsplätzen.

Dax-Notierungen in Frankfurt mit einem Zoom-Objektiv aufgenommen. (Foto: Foto: dpa)

In Deutschland kann künftig ein Unternehmen, das seinen juristischen Sitz nicht in Deutschland hat, unter zwei alternativen Voraussetzungen in den Dax aufgenommen werden: Ein Unternehmen könnte dann Zugang zum Leitindex bekommen, wenn ein Teil der Geschäftsführung hier angesiedelt ist.

Zweitens ist die Aufnahme in den Dax auch möglich, wenn mindestens 33 Prozent des weltweiten Handels mit Aktien der betreffenden Firma an deutschen Börsen stattfinden.

Erster Nutznießer

Die Deutsche Börse AG gab die neuen Regeln in einer Situation bekannt, in der sie selbst zum ersten Nutznießer der Reform werden könnte. Sollte es doch noch zu der erhofften Fusion mit der Vierländerbörse Euronext kommen und der juristische Sitz einer fusionierten Börse in Amsterdam angesiedelt sein, könnte die Deutsche Börse nach dem neuen Regelwerk im Dax bleiben.

Die Deutsche Börse hatte Euronext eine Lösung vorgeschlagen, bei der die Geschäftsführung vorwiegend in Frankfurt liegen sollte, der juristische Sitz aber in einem der Euronext-Länder. Das Euronext-Management hatte aber vor wenigen Tagen den Zusammenschluss mit der New Yorker Börse beschlossen.

Die Börse betonte am Mittwoch, dass die Reform nicht aus diesem Grunde gerade jetzt erfolge. "Die geplante Fusion mit Euronext hat für das Timing keine Rolle gespielt", sagte Hartmut Graf, der bei der Deutschen Börse für das Indexgeschäft zuständig ist.

Reform schon lange geplant

Der Arbeitskreis Aktienindizes arbeite bereits seit langem an einer Reform. Es gehe darum, mit der Indexgestaltung der Internationalisierung der Kapitalmärkte Rechnung zu tragen.

Ziel sei es unter anderem, dass in Zukunft auch Aktien von Unternehmen in den Dax aufgenommen werden können, die sich für die neue Rechtsform einer Europäischen Gesellschaft (SE) entscheiden. Unter den großen deutschen Konzernen hat dies bislang nur die Allianz getan, die allerdings auch ihren juristischen Sitz in Deutschland beließ und deshalb auch ohne die neue Regel im Dax hätte bleiben können.

Ein Börsensprecher ließ allerdings durchblicken, dass sich schon zahlreiche Unternehmen erkundigt hätten, wie sich die Umwandlung in eine SE auf die Dax-Mitgliedschaft auswirken würde. Geprüft wird ein solcher Schritt unter anderem von der Deutschen Bank, es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass sie sich tatsächlich in eine Europa AG umwandelt.

Die Börse widersprach Befürchtungen, der Dax könne durch die Aufnahme ausländischer Gesellschaften seine Identität verlieren. "Der Dax wird kein internationaler, paneuropäischer Index", sagte Holger Wohlberg, der neben Graf für die Indexentwicklung der Börse verantwortlich ist.

Durch die Kriterien sei sichergestellt, dass nur Aktien von Unternehmen in den Dax kommen können, die ihren Schwerpunkt in Deutschland haben. "Es wird nicht gehen, dass nur der Briefkasten hier hängt", sagte Graf.

Die Börse verweist darauf, dass die Nebenwerte-Indizes MDax und TecDax bereits heute für Firmen mit Sitz im Ausland offen sind. Deshalb notiert beispielsweise die auf die Staatsfinanzierung spezialisierte Depfa Bank im MDax, obwohl sie aus steuerlichen Gründen ihren juristischen Sitz in Dublin hat.

Depfa Bank könnte aufrücken

Die Depfa Bank könnte nach den neuen Regeln, die von diesem Oktober an gelten, je nach Entwicklung des Handels mit ihren Aktien frühestens bei der Index-Anpassung Anfang 2007 in den Dax aufrücken. "Wir hoffen, jetzt zum Dax-Kandidaten zu werden", sagte ein Sprecher der Spezialbank.

Die Depfa habe deutsche Wurzeln und nahezu der gesamte Börsenhandel entfalle auf Frankfurt. Deutschland sei noch immer ein wichtiger Markt für das Unternehmen. Allerdings müsste die Aktien dazu auch die Regel erfüllen, nach denen alle Dax-Aspiranten gemessen an Börsenumsatz und Marktkapitalisierung zu den 35 größten Unternehmen zählen müssen.

EADS nur theoretisch Kandidat

Nur ein theoretischer Kandidat für den Dax ist daher vorerst der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, der zwar einen Teil der Geschäfte in Deutschland führt, sich aber gemessen am Handelsumsatz in Deutschland bei weitem nicht qualifiziert.

Neben der Reform der Dax-Regeln gab die Börse einige weitere Veränderungen in den Nebenwerte-Indizes bekannt. Danach steigt der Börsenneuling Wacker Chemie mit Wirkung vom 19. Juni erwartungsgemäß in den MDax auf.

Dafür muss Fonds-Emissionshaus MPC den Index verlassen. Außerplanmäßig fällt T-Online bereits am Freitag aus dem Technologieindex TecDax. Die Verschmelzung der Internetfirma auf den Mutterkonzern Deutsche Telekom war schon am Dienstag in das Handelsregister eingetragen worden. Als Nachrücker ist der Windanlagenbauer Nordex vorgesehen.

© SZ vom 08.06.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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