Neue Krypto-Zahlungslösung:Mit Bitcoins ins Märchenschloss

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Ab Mai können Gäste im Züricher Hotel Dolder Grand mit der digitalen Währung Bitcoin bezahlen - einfach per Smartphone-Applikation. Auch andere Unternehmen interessieren sich für das Modell.

Von Katharina Wetzel

Hoch über Zürich trohnt eines der besten Fünf-Sterne-Hotels der Stadt: das Dolder Grand. Wer nicht mit dem Auto anreist, nimmt am Römerhofplatz die Dolderbahn. Oben angekommen, dauert es seine Zeit, bis man einen grauen unterirdischen Gang zurückgelegt hat, ehe man dann bei Kaffee und Mousse-au-Chocolat-Torte die Aussicht auf Stadt, See und Alpen genießen kann. Sympathisch, aber etwas verschlafen wirkt das Märchenschloss, wie das Dolder Grand gerne genannt wird. Viel beschäftigte Top-Manager steigen lieber in einem Business-Hotel in der City ab als in dem edlen Haus mit seiner 120-jährigen Geschichte, in dem zahlreiche wertvolle Kunstwerke von Weltrang hängen. Doch so manches Haus wird künftig im Vergleich alt aussehen. Denn in Kürze will das Dolder Gäste empfangen, die technikaffin sind und längst lieber digital bezahlen als mit Schweizer Franken. "Meines Wissens sind wir das erste Schweizer Hotel, in dem man alle Leistungen und Konsumationen am Ort ganz einfach auch in Bitcoins bezahlen kann", sagt André Meier, Director of Finance des Dolder Hotels.

"Wir haben kein Interesse daran, mit Kryptowährungen zu spekulieren."

Bitcoin, das ist die Digitalwährung, die mittels der Blockchain-Technologie funktioniert. Der Technik wird eine so umwälzende Entwicklung vorhergesagt wie etwa der Erfindung des Internets. Ende 2017 erreichte die Digitalwährung Bitcoin ein Hoch von fast 20 000 Dollar. Derzeit beträgt der Preis für einen Bitcoin mehr als 5000 Dollar. Doch nicht nur wegen der großen Preisschwankungen hat die nur virtuell verfügbare Währung bei vielen Regierungen und Bankenaufsehern noch immer einen schlechten Ruf. Denn der Zahlungsverkehr läuft anonym, Intermediäre wie Banken werden überflüssig, so die Drohkulisse, da die virtuellen Geldeinheiten am Computer erzeugt werden - ohne Zentralbank oder Aufsicht. Die Blockchain (Blockkette) macht es möglich. Dabei werden Transaktionen von Digitalwährungen wie Bitcoin in Datenblöcken zusammengefasst und verkettet. Allmählich versucht man auch in Deutschland, den Anschluss nicht zu verpassen. Die Bundesregierung entwickelt derzeit eine Blockchain-Strategie und setzt auf die Beratung durch Unternehmen und Verbände, um Chancen und Risiken der innovativen Technologie auszuloten.

Beim traditionsreichen Dolder ist man schon einen Schritt weiter. "Wir fanden das Thema schon länger sehr reizvoll, aber wir hatten keine praktische Lösung zur Hand", berichtet André Meier beim Gespräch. Bislang führt die digitale Währung noch ein Nischendasein. Zwar gibt es Bitcoin-Geldautomaten, die Bitcoins in lokale Währungen wechseln - allein in Zürich davon 15. Doch nur wenige Banken und Dienstleister bieten ein Bitcoin-Konto an, dies macht die praktische Umsetzung für Unternehmen schwierig. Meier und seine Kollegen suchten den Kontakt zum Zuger Krypto-Valley, einer Hochburg von Blockchainexperten und Bitcoinfreunden. Hier sitzt auch das Schweizer IT-Beratungsunternehmen Inacta, das für das Dolder eine neue App namens Inapay entwarf, ein Programm für Bitcoin-Zahlungen.

"Die Lösung ist relativ trivial", sagt Meier. Kunden brauchen nur ein Handy-Wallet, in dem ihr Bitcoin-Geld gespeichert ist, um den zu bezahlenden Betrag in Bitcoins zu scannen. Dem Hotel Dolder Grand wird dann der Umsatz in Schweizer Franken gutgeschrieben. Als Herr der Finanzen war es Meier "ziemlich wichtig", dass das Ganze nur ein geringes Risiko birgt: "Wir haben kein Interesse daran, mit Kryptowährungen zu spekulieren. Wir sind darauf angewiesen, dass wir harte Währungen bekommen", betont Meier mit Blick auf den Bitcoin-Hype und jähen Absturz. Zuvor hat sich Meier auch andere Lösungen von Anbietern aus Singapur angesehen. "Die Schweizer Lösung mit der Frankenkonversion fanden wir am überzeugendsten. Das starke Wertschwankungsrisiko ist so weg vom Tisch." Sobald der Kunde in Bitcoins sein Hotelzimmer, sein Essen oder die Spa-Behandlung bezahlt, blockiert ein spezialisierter Schweizer Finanzdienstleister im Hintergrund den Wechselkurs für eine kurze Zeit, bis die Transaktion erfolgt ist.

Das Dolder beteiligt sich an den Entwicklungskosten der App mit einem vier- bis fünfstelligen Betrag. Ab Mai geht die neue Zahlungslösung beim Dolder und dem Autohaus Kessel mit Niederlassungen in Lugano und Zug an den Start. Später sollen weitere Händler die Lösung gegen eine monatliche Gebühr nutzen können. "Viele Unternehmen möchten den Kunden die Freiheit geben, zu wählen, wie sie zahlen möchten, aber selbst keinen komplizierten Prozess aufbauen", erklärt Roger Darin, der bei Inacta für die digitalen Vermögenswerte verantwortlich ist. Bisher interessieren sich vor allem Firmen aus dem Luxusbereich, wie etwa aus der Juwelierbranche, für die neue Zahlungslösung von Inacta, sowie weitere Restaurants und Hotels. "Es haben auch Anbieter angefragt, die gerne Finanzdienstleister wären für ihr entsprechendes Land", sagt Darin. Gut möglich, dass die Lösung bald auch in anderen Ländern erhältlich sein wird. Anfragen erhielt Inacta bereits aus Liechtenstein, England und dem Mittleren Osten. "Ich denke, da wird sich einiges bewegen in den nächsten Monaten." In Deutschland ist das Bewusstsein um die enorme Bedeutung der Blockchain-Technologie und ihrer möglichen Anwendungen oft noch nicht vorhanden, meint der Fintech-Rat, ein Gremium des Bundesministeriums der Finanzen in Berlin, das aus Vertretern der deutschen Finanzszene und Verbänden besteht. Die Initiative der Bundesregierung, eine Blockchain-Strategie Mitte des Jahres bekannt zu geben, sei begrüßenswert, sagt Professor Philipp Sandner vom Frankfurt School Blockchain Center und Mitglied im Fintech-Rat. Im Kern empfiehlt das Gremium eine zügige technologieneutrale Regulierung auf europäischer Ebene, um Firmen Rechtssicherheit zu bieten.

In Zukunft können Kunden auch beim Bäcker mit Bitcoins bezahlen

In Zukunft werde es nicht einmal mehr nötig sein, beim Bitcoin-Geldautomaten vorbeizugehen, weil man direkt beim Bäcker bezahlen könne, meint Darin. Bis es so weit ist, könnte die App Inapay behilflich sein. "Meine Hoffnung ist, dass wir die Lösung künftig so günstig anbieten können, dass sich das auch für den Friseur oder die Pizzeria um die Ecke rechnet", sagt Darin. In zwölf Monaten könnte es so weit sein.

Auch Meier vom Hotel Dolder glaubt, dass Zahlungsmittel auf Basis der Blockchain Bestand haben werden. In "Phase zwei" will er sogar noch andere digitale Währungen als Zahlungsmittel akzeptieren. Dabei gibt Meier offen zu: "Wir haben ganz bestimmt Kunden aus der Fintech-Szene, hatten aber bisher noch nie eine Nachfrage. Ein Kunde, der im Dolder Grand absteigt, erwartet nicht zwingend, dass er mit Bitcoins bezahlen kann. Das würde man eher in einem jüngeren, trendigeren Hotel erwarten." Doch am Ende will man hier überraschen und dem Kunden etwas Besonderes bieten: Was wäre ein Märchenschloss auch ohne tolle Geschichten?

© SZ vom 26.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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