Nervosität in den Chefetagen:Wind oder Wasser

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Nach Hurrikan "Katrina" sehen sich die Versicherer mit Forderungen in Milliardenhöhe konfrontiert. Nun wollen sie nur für Schäden aufkommen, die durch den Sturm, nicht aber durch die Flut verursacht worden sind.

Andreas Oldag

Während der neue Hurrikan Rita über den US-Bundesstaat Texas hinwegfegt, ist ein heftiger Streit um die wirtschaftlichen Schäden des vorangegangenen Monstersturms Katrina entbrannt.

Wer kommt für die Schäden auf, die durch das Hochwasser entstanden sind? (Foto: Foto: AP)

Nach einer Schätzung der auf Risikoanalysen spezialisierten US-Firma Risk Management Solutions (RMS) belaufen sich allein die Versicherungsschäden auf mindestens 60 Milliarden Dollar.

Das ist dreimal mehr als Hurrikan Andrew im Jahr 1992 gekostet hatte und die doppelte Summe dessen, was die Assekuranzen für die Behebung der bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verursachten Schäden hinblättern mussten.

Kein Wunder, dass sich nun in den Chefetagen der Versicherungskonzerne Nervosität breit macht. Die Manager setzen alles daran, möglichst glimpflich aus der Katastrophe herauszukommen, ohne dass die Bilanzen zu stark belastet werden.

Nur zwei von fünf Haushalten flutversichert

Wind oder Wasser? Um diese Frage dreht sich der Hauptstreit zwischen den Unternehmen und den etwa 200.000 Versicherungskunden, deren Häuser in den US-Bundesstaaten Louisiana und Mississippi zerstört worden sind. Die Unternehmen wollen nur für die Schäden aufkommen, die unmittelbar durch den Sturm, nicht aber durch die verheerende Flut verursacht worden sind. Die Firmen berufen sich auf eine entsprechende Klausel in den Verträgen. Grundsätzlich kommt für Flutschäden in den USA eine staatliche Versicherung auf, mit der ein spezieller Vertrag abgeschlossen werden muss.

Das Problem: Nur etwa zwei von fünf Haushalten in den Katastrophengebieten hatten eine Flutversicherung abgeschlossen, die maximal Schäden von 250.000 Dollar abdeckt. Viele Menschen können sich eine solche Versicherung nicht leisten. Nun ist allerdings die Stunde der Rechtsanwälte gekommen: Sie wollen im Auftrag ihrer Mandanten gegen die Versicherungen klagen und diese zwingen, Geld für die Flutschäden auszuzahlen. Für die Konzerne geht es um Milliardensummen: Falls die Klagen vor Gericht Erfolg haben, müssen sie mit mindestens 15 Milliarden Dollar an zusätzlichen Zahlungen rechnen.

Sogar der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats Mississippi, Jim Hood, hat sich jetzt der Sache angenommen und Klage gegen fünf große Versicherungsunternehmen eingebracht. Die Inhaber der Policen seien im guten Glauben gehalten worden, dass die Assekuranzen für sämtliche Schäden aufkommen, heißt es in der Klageschrift. Es gehe um die Schutzrechte der Verbraucher. Tatsächlich haben offenbar Versicherungsmakler die Kunden mit weitreichenden Zusicherungen gelockt. Doch kaum jemand habe die komplizierten Verträge gelesen. "Ich werde nicht zulassen, dass die Versicherungen die Bewohner der Golfküste jetzt allein lassen und in den Ruin treiben", schimpfte Hood.

Damals noch kulante Regelungen

In den Katastrophengebieten schwärmen derzeit die Gutachter der Versicherungen aus, um die Schäden aufzunehmen. In vielen Fällen ist es ohnehin schwierig festzustellen, ob ein Haus primär durch den Sturm oder die darauf folgende Flut zerstört worden ist. Grundsätzlich könne man zwar sagen, dass Windschäden von oben kommen und Wasserschäden von unten, meint der Gutachter Timothy Marshall. Doch auch wenn zunächst das Dach eines Hauses weggeflogen sei und später das Wasser an den Wänden hochgestiegen ist, sei es immer eine Frage des Ermessens, gibt der Experte zu bedenken.

Offenbar gaben sich die Versicherungen bei der Katastrophe durch den Hurrikan Ivan, der im vergangenen Jahr Teile des Bundesstaates Florida verwüstete, noch kulant und hatten die Schäden großzügig beglichen. Doch jetzt sei die Situation eine andere, weil mit jedem Dollar gerechnet werden müsse, heißt es in Kreisen der Versicherungsunternehmen.

Betrüger wollen sich Gelder erschleichen

Mit falschen Identitäten versuchen indes Betrüger, sich staatliche Hilfe für die Opfer des Hurrikans Katrina zu erschleichen. Im US-Bundesstaat Louisiana gebe es nach Angaben der Staatsanwaltschaft bislang 50 derartige Fälle, berichtete die Zeitung USA Today. Die Betrüger nutzten Sozialversicherungsnummern von Flutopfern, um finanzielle Unterstützung zu bekommen. Die Schwindeleien seien aufgeflogen, nachdem die tatsächlichen Versicherten Hilfe beantragt hätten. Ein Paar aus Alabama habe sich unter der Vorgabe, sie seien Flutopfer, ein kostenloses möbliertes Apartment und Verpflegung erschlichen, heißt es weiter. Zuvor seien sie mehrere Tage in einem Motel untergebracht worden, ohne dafür bezahlen zu müssen. Inzwischen habe die Polizei die Betrüger festgenommen.

© SZ vom 24.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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