Neckermann-Pleite:Arbeitnehmer beschuldigen Finanzinvestor

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Nach der Insolvenz des Traditionsunternehmens Neckermann beschuldigen Arbeitnehmervertreter den Finanzinvestor Sun Capital, die Mitarbeiter um ihre Abfindung zu bringen. Die kurzfristigen Renditen seien dem Eigentümer wichtiger als die dramatische Lage seiner Beschäftigten. Sun Capital beharrt dennoch auf seinem Kurs.

Das Schicksal des Traditionshauses Neckermann ist besiegelt, seit diesem Montag wird der insolvente Versandhändler abgewickelt. Für die Arbeitnehmer - die meisten sind bereits entlassen - ist die Sache damit aber noch lange nicht erledigt: Sie beschuldigen den Finanzinvestor Sun Capital, ihre prekäre Lage zu missachten und sie um mögliche Abfindungen zu prellen. "Was keine kurzfristige Rendite bringt, wird abgestoßen, ohne Rücksicht auf die Beschäftigten", schreibt Neckermann-Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Thurner in einem Gastbeitrag für die Financial Times Deutschland.

Für die meisten der rund 2000 Neckermann-Beschäftigten war vergangener Freitag der letzte Arbeitstag, ab heute beginnt der Ausverkauf des Traditionsunternehmens. (Foto: dapd)

Paul Daccus, Manager bei Sun Capital, hatte bereits Anfang Mai klargestellt, dass der Finanzinvestor die Zahlung der Gehälter bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht verbindlich zusichern könne. Nicht einmal, wenn die Beschäftigten dafür auf ihre Abfindung verzichten würden.

"Es lässt sich kaum klären, ob das Management im Wissen um die tatsächliche Geschäftssituation Abfindungen vermeiden wollte oder ob der Eigentümer die Geduld verloren hatte", so Aufsichtsratsmitglied Thurner. Selten zuvor habe sich ein Arbeitgeber so hartnäckig geweigert, den Beschäftigten in ihrer dramatischen Lage finanziell durch Abfindungen entgegenzukommen.

Die Fronten sind seit langem verhärtet. Die Geschäftsführung poche auf ihr Restrukturierungsmodell, so Thurner, wolle das traditionsreiche Unternehmen im Onlinehandel mit Technik und Möbeln voranbringen. Rund 25 Millionen Euro zusätzliches Kapital stellte der Eigentümer für den Wandel zu Verfügung. Doch sobald es um Abfindungen gehe, knauserten die Eigentümer, moniert das Aufsichtratsmitglied. Auch für die Gewerkschaft ver.di sind solche Gebaren unzumutbar. Sie widersetzte sich den Bestreben der Arbeitgeber und entwarf ein eigenes Fortführungskonzept, in dem die Textilsparte erhalten bleiben und der Onlinehandel mit einer Printkampagne gefördert werden sollte.

Doch die Pläne der Gewerkschaft und der Betriebsräte wurden vom Investor zurückgewiesen. 50 bis 60 Millionen Euro hätten die Eigentümer investieren müssen, um das Konzept realisieren zu können. Lösung versprach am Ende einzig und allein der Abschluss eines Sozialtarifvertrags. Nach fünf Tagen Streik, einer Urabstimmung und zähen Verhandlungen einigten sich die Widersacher schließlich auf Abfindungen in Höhe von 2,5 Monatsgehältern - insgesamt neun Millionen Euro, die dem Kassenzufluss abgezapft werden sollten. Doch bereits ein Tag später verweigerte Sun Capital seine Zustimmung wieder und ließ Neckermann in die Insolvenz schlittern.

Mit Beginn dieses Monats wird das einstige Traditionsunternehmen abgewickelt. Gerade einmal 150 Mitarbeiter der einstigen Belegschaft bleiben dafür in der Zentrale in Frankfurt. "Bei Neckermann haben wir keine Substanz mehr vorgefunden", sagt Insolvenzverwalter Michael Frege. Die Betriebskosten hätten jeden Gewinn aufgesogen, nicht einmal der nächste Monatslohn hätte überwiesen werden können.

© Süddeutsche.de/skes/ftd/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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