Nahost-Krise:Ölpreis steuert die 80-Dollar-Marke an

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Die Eskalation in Nahost hat den Ölpreis auf neue Rekordstände getrieben. Mit 78 US-Dollar war US-Leichtöl am Freitag so teuer wie nie zuvor. Die Sorge bei deutschen Konjunkturexperten wächst.

Wegen der politischen Krisen im Libanon und im Iran klettert der Preis für Öl in diesen Tagen von einem Rekord zum nächsten. Am Freitag erreichte der Preis für das Barrel US-Leichtöl 78 Dollar - und der Trend zeigt nach oben.

Beirut nach israelischen Raketenangriffen am Freitag. (Foto: Foto: dpa)

Für die deutsche Wirtschaft ist das nach Ansicht vieler Ökonomen noch kein Grund zur Sorge. Doch ein Preis von 80 Dollar ist in greifbare Nähe gerückt, und viele Volkswirte schließen selbst das Knacken der symbolträchtigen 100-Dollar-Marke nicht mehr aus.

"Wir kommen langsam an einen Wendepunkt", sagt Volkswirt Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank. "Wenn der Ölpreis weiter stark steigt oder wenn die Weltwirtschaft abkühlt, wird es der deutschen Wirtschaft richtig weh tun."

Annahme: 65 Dollar

Die optimistischen Prognosen von rund zwei Prozent Wirtschaftswachstum in diesem Jahr haben die Institute und Großbanken unter der Annahme erstellt, dass der Ölpreis um 65 Dollar pendelt.

Voraussetzung für ein robustes Wachstum sei, dass "nennenswerte Störungen der Ölproduktion ausbleiben", haben die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten geschrieben. Solche Turbulenzen schließen die Experten bei einer Eskalation im Nahen Osten oder im Iran inzwischen aber nicht mehr aus.

"Größtes Konjunkturrisiko"

"Der Ölpreis ist zurzeit das größte Konjunkturrisiko", sagt der Chefvolkswirt von Allianz Group und Dresdner Bank, Michael Heise. Die Bank ist mit 2,2 Prozent Wachstumsprognose für 2006 besonders optimistisch für die deutsche Wirtschaft.

Nach Einschätzung Heises wäre ein starker Ölpreisanstieg in diesem Jahr gravierender als 2005 - als ein erstes Rekordhoch von 70 Dollar erreicht wurde - weil die Zinsen im Euro-Raum steigen und bis Jahresende über 3,0 Prozent steigen sollen. Damit werden Kredite für Verbraucher und Unternehmen teurer.

Die Exportnation Deutschland brauchte sich bislang relativ wenig Sorgen um den Ölpreis zu machen. Denn die Petrodollars, die Deutschland zahlt, kommen als Exportaufträge aus den reichen Ölförderländern wieder zurück.

So legten die deutschen Ausfuhren nach Russland - einem der wichtigsten Ölexporteure - 2005 um mehr als 15 Prozent zu, die Exporte in die OPEC-Länder um 18 Prozent.

Besonders der mittelständisch geprägte Maschinenbau mit seinen hochspezialisierten Produkten profitiert davon. "Die hohen Ölpreise beunruhigen uns nicht", sagt Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Maschinenbau-Verbands VDMA.

10 Dollar kosten 0,2 Prozentpunkte

Doch die Gesamtwirtschaft leidet unter der Verteuerung des lebenswichtigen Rohstoffs. Nach gängiger Schätzung dämpft ein um 10 Dollar höherer Ölpreis die Wirtschaft um 0,2 Prozentpunkte Wachstum im Jahr.

Ausgebremst werden vor allem der private Konsum und damit der Einzelhandel sowie die Investitionen der Firmen. Teures Benzin und hohe Strom- und Gasrechnungen ziehen den Verbrauchern das Geld aus der Tasche.

Viele Produkte teurer

Die vom Öl angeheizte Inflation verteuert viele Produkte. Für die Unternehmen steigen die Energiekosten, so dass ihre Gewinne schrumpfen.

"Bislang hat es weder beim Konsum noch bei den Investitionen einen Einbruch gegeben", sagt der Chefvolkswirt der Bank of America, Holger Schmieding. "Die bessere Lage am Arbeitsmarkt hat die Kaufkraft gestärkt, und die Unternehmen profitieren von den geringen Lohnsteigerungen."

Der Einfluss des Ölpreises auf die Konjunktur ist schwächer geworden, weil er nicht mehr zu drastisch höheren Lohnabschlüssen wie noch in den 70er Jahren führt.

Der Konsum soll auch wegen der Fußball-WM und der drohenden Mehrwertsteuererhöhung Anfang 2007 in diesem Jahr erstmals seit Jahren wieder deutlich wachsen. "Noch gibt es für die deutsche Wirtschaft keinen Grund zur Panik", sagt Schmieding.

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