Nahende Entscheidung:Streit um Spekulationsteuer

Lesezeit: 3 min

Unter Experten gilt es als ausgemachte Sache: Die so genannte Spekulationsteuer, also die Steuer auf Gewinne aus Wertpapiergeschäften, wird demnächst vom Bundesverfassungsgericht gekippt.

Von Daniela Kuhr

(SZ vom 9.1.2004) — Grund: Wegen mangelnder Kontrollmöglichkeiten ist der Fiskus nicht in der Lage, für die ordnungsgemäße Besteuerung von Aktiengewinnen zu sorgen. Der Staat ist also auf die Ehrlichkeit der Steuerzahler angewiesen.

Anleger aber, die ihre Kursgewinne aus Aktiengeschäften dem Finanzamt verschweigen, haben kaum etwas zu befürchten - dem Bankgeheimnis sei Dank. Der Bundesfinanzhof in München (BFH) - das oberste deutsche Steuergericht - hatte deshalb ein "strukturelles Vollzugshindernis" angenommen, das die Bürger ungleich belastet und somit verfassungswidrig ist.

Entscheidung naht

Die Münchner Richter legten die Sache dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor, da dieses ausschließlich zuständig ist, wenn es um Fragen der Vereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz geht.

Der Verhandlungstermin in Karlsruhe fand im November statt. Eine Entscheidung steht in den kommenden Monaten an. Allgemein wird erwartet, dass die Karlsruher Richter sich im Ergebnis den Münchner Kollegen anschließen werden.

Politiker aller Parteien diskutieren deshalb schon seit Monaten, wie die Besteuerung von Aktiengeschäften aussehen könnte, so dass sie künftig vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat. Dabei haben sie allerdings nicht ausschließlich die Kritik der BFH-Richter im Kopf, sondern - wohl vor allem - die 1,5 Milliarden Euro, die dem Fiskus nach einer Schätzung der Steuergewerkschaft jährlich entgehen. Angeblich werden nur fünf Prozent der Aktiengewinne dem Finanzamt mitgeteilt.

Kontrollinstrumente

"Naheliegende Konsequenz kann die Einführung massiver Kontrollinstrumente sein", meint Rechtsanwalt Johann Seipl von der Münchner Kanzlei Wannemacher & Partner. So hat der Gesetzgeber bereits Ende Dezember angekündigt, dass er den Finanzbehörden ermöglichen will, im Einzelfall gezielt über das Bundesamt für Finanzen zu ermitteln, bei welchen Banken ein Steuerpflichtiger Konten oder Depots besitzt.

Doch Seipl bezweifelt, dass es dabei bleiben wird. "Mitteilungspflichten der Banken, Kontrollmitteilungen der Betriebsprüfungen, Sammelauskunftsersuchen und Durchsuchungsmaßnahmen der Steuerfahndung" sieht er als weitere Maßnahmen, die der Fiskus womöglich ergreifen wird, um Steuersündern besser auf die Schliche zu kommen. Nach Ansicht des Juristen wäre das allerdings ein drastischer Schritt "zulasten der Privatsphäre und der Freiheitsrechte der Bürger".

Verschiedene Modelle

Seipl favorisiert deshalb eine Art Quellensteuer, die ebenfalls bereits diskutiert wurde. Dabei stellten sich aber "sofort Folgeprobleme", meint der Fachmann. "Soll die Quellensteuer in Form einer Abgeltungsteuer endgültig erhoben werden oder - wie derzeit bei Zinserträgen - nur als Vorauszahlung auf die individuelle Einkommensteuer gelten?"

Bei Zinserträgen behält die Bank nach geltendem Recht 30 Prozent der Zinsen ein und führt den Betrag direkt an das Finanzamt ab. Diese so genannte Zinsabschlagsteuer ist keine eigene Steuer, sondern lediglich eine Vorauszahlung auf die persönliche Einkommensteuer.

Stellt sich bei der jährlichen Steuererklärung heraus, dass der Einkommensteuersatz des Sparers mehr als 30 Prozent beträgt, muss er nachzahlen. Liegt sein persönlicher Steuersatz darunter, erhält er die zu viel gezahlte Zinsabschlagsteuer zurück.

Hindernis Bankgeheimnis

Diese Regelung für Zinserträge hatte der Gesetzgeber auf Druck des Bundesverfassungsgerichts erlassen. Die Richter hatten in einer Entscheidung 1991 kritisiert, dass Zinsen zwar per Gesetz einkommensteuerpflichtig sind, eine wirksame Besteuerung aber durch das Bankgeheimnis verhindert wird.

Experten erwarten, dass die Richter nun bei Spekulationsgewinnen aus Wertpapiergeschäften ähnlich argumentieren werden. Insofern liegt es also durchaus nahe, auch bei Aktiengeschäften eine Art Abschlagsteuer einzuführen.

Doch dabei gibt es ein Problem. Denn im Gegensatz zu Zinsen, bei denen ein bestimmter Betrag fließt und die Abschlagsteuer genau auf diesen Betrag anfällt, ergibt sich der Spekulationsgewinn bei Wertpapiergeschäften erst aus der Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufskurs des Papiers.

Nach dem derzeit noch geltenden Recht ist diese Differenz dann steuerlich relevant, wenn zwischen Kauf und Verkauf weniger als ein Jahr liegt. Verkauft also jemand Aktien, müsste die beauftragte Bank erst ermitteln, zu welchem Preis er die Papiere gekauft hatte, um eine eventuelle Abschlagsteuer einbehalten zu können.

Mögliche Variante

Dieses Problem könnte behoben werden, indem der Gesetzgeber bei Wertpapierverkäufen einen bestimmten Gewinn unterstellt - also etwa einen bestimmten Prozentsatz des Verkaufspreises als Spekulationsgewinn unterstellt, von dem die Bank dann wiederum einen festgelegten Teil an das Finanzamt abführt.

Sollte der Gewinn des Steuerpflichtigen in Wahrheit aber darunter liegen oder hat er sogar mit Verlust verkauft, müsste er das dann in seiner Steuererklärung geltend machen. Auch diese Variante wurde bereits unter Politikern diskutiert.

Neuregelung nötig

"Eine solche Regelung würde aber vermutlich noch komplizierter als die bisherigen Vorschriften zur Zinsabgeltungsteuer, die schon weitgehend unverständlich sind", befürchtet Seipl. Am liebsten wäre ihm, wenn Spekulationsgewinne in Zukunft ganz einfach steuerfrei gestellt würden, gleichzeitig räumt er aber ein, dass das "wenig wahrscheinlich" ist.

Eine Neuregelung, wie auch immer sie ausfalle, müsse deshalb seiner Ansicht nach so klar gefasst sein, "dass der Steuerpflichtige wenigstens auf Anhieb erkennt, ob er in der Pflicht ist oder nicht". Derzeit sei das oft nicht der Fall.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: