Nahaufnahme:Bettina Orlopp

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"Ich sage es noch einmal und noch einmal." Bettina Orlopp, bald Vorstand der Commerzbank, plädiert für mehr Frauen in Chefetagen. (Foto: A. Lechner)

Die 45-jährige Betriebswirtin griff zu, als ihr die Macht angeboten wurde: Bei der Commerzbank soll sie nun in den Vorstand aufrücken - und hat dabei nur Fürsprecher.

Dass deutsche Firmen mehr Frauen in die Führungsetagen holen sollten, davon braucht man Bettina Orlopp nicht zu überzeugen. "Ich sage es noch einmal und noch einmal und noch einmal", rief sie vor einiger Zeit auf einer Managerinnen-Konferenz von der Bühne. Fast ein wenig wütend war sie damals. Wütend über die zementierten Geschlechter-Verhältnisse in Deutschland. Die Unternehmen müssten dringend, sehr dringend investieren, um mehr Frauen den Aufstieg an die Spitze zu erleichtern. Sie selbst geht jetzt mit gutem Beispiel voran, indem sie zugreift, wenn ihr die Macht angeboten wird. Denn seit Sonntag ist nicht nur klar, dass Martin Zielke neuer Vorstandschef der Commerzbank wird, sondern auch, dass die 45-Jährige die erste Frau im Vorstand von Deutschlands zweitgrößter Bank wird.

Seit 2014 ist die zweifache Mutter bereits Strategiechefin der Commerzbank. Nach ein bis zwei Jahren soll sie nun in den Vorstand nachrücken und die Bereiche Personal, Recht sowie Compliance - also die Einhaltung der Regeln - übernehmen. Die Wartefrist ist nötig, weil Orlopp wie jeder Bankvorstand die Zustimmung der Finanzaufsicht braucht und etwa noch Erfahrungen in der Kreditvergabe sammeln muss.

Die Zustimmung der Arbeitnehmer indes hat sie längst in der Tasche. "Wir freuen uns, dass wir endlich eine Arbeitsdirektorin haben, die sich dem Thema vorrangig widmen kann", sagt Betriebsratschef Uwe Tschäge. Bisher ist Vorstand Frank Annuscheit für Personalfragen zuständig, neben der Mega-Aufgabe Digitalisierung. Bereits als Strategiechefin habe sich Orlopp für die Belange der Mitarbeiter interessiert, sagt Tschäge. "Der Kontakt zur Arbeitnehmerseite ging von ihrer Seite aus. Das zeigt, dass sie Interesse daran hat. Das ist nicht selbstverständlich und eine gute Voraussetzung für den neuen Job." Auch von Kollegen kommt viel Lob. Einer sagt, sie sei "tough, teamorientiert, schlau". Ein anderer, der sie seit Langem kennt, beschreibt sie als zugleich analytisch und herzlich - so etwas ist eher selten.

Diese Eigenschaften kann sie brauchen. Nicht umsonst gilt ihr Ressort intern als "heißer Posten". Denn da ist nicht nur die Verantwortung für Personal, bei der es wie in jedem Konzern Verhandlungsgeschick und Gefühl für die Hauspolitik braucht. Es geht auch um das Rechtsressort, das beispielsweise neue Milliardenstrafen zu verhindern hat, etwa weil die Bank wieder irgendwelche Vorschriften ignoriert. Als studierte Betriebswirtin muss sich Orlopp nun auch auf das Urteil ihrer Hausjuristen verlassen.

In Fragen der Strategie von Banken jedoch verfügt sie über einen reichen Erfahrungsschatz. Zuletzt durch ihr Amt im Hause, wo sie nicht nur die einzelnen Sparten auf Linie brachte, sondern auch für die Investitionen in Banken-Start-ups verantwortlich war. In erster Linie aber durch fast 20 Jahre bei der Beratungsgesellschaft McKinsey, mehr als zehn Jahre davon als Partnerin. Ihr Hauptkunde damals war ausgerechnet der Konkurrent Deutsche Bank. Bei der Integration der Postbank nach 2010 leitete sie das gesamte Projektmanagement. Mit ihrer ruhigen Art konnte sie Hitzköpfe auf beiden Seiten gut in Balance halten, heißt es. Dabei arbeitete sie sogar als Partnerin vorübergehend Teilzeit, zunächst ein Novum für die Beraterfirma, aber dann Vorbild für andere.

Als Anfang 2014 das Angebot der Commerzbank einging, zog sie mit ihrem Mann, einem Manager, und den zwei schulpflichtigen Kindern von München nach Frankfurt. Schnell sei klar gewesen, dass sie das Zeug zum Vorstand habe, sagt ein Aufsichtsrat, der das am Sonntag bestätigt fand, als sie sich im Sitzungssaal auf der 49. Etage dem Kontrollgremium vorstellte.

© SZ vom 08.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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