Nachwuchskosten:Das Kindergeld — ein Phantom

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154 Euro landen jeden Monat auf meinem Konto. Schön. Dumm nur, dass es der Staat gleich doppelt und dreifach wieder zurückfordert. Monat für Monat.

hgn

Der Bund macht mir Mut. Alles solle besser werden für Familien. Das sagt er nicht nur, das schreibt er auch. Auf seiner Homepage bundesregierung.de.

Er erklärt auch warum: Es gebe zu wenig Kinder in Deutschland. Viel zu wenige. Gerade in dem derzeit wichtigsten aller Vergleiche, dem EU-Vergleich.

Familien, stellt die Regierung klar, seien "unverzichtbare Leistungsträger in unserer Gesellschaft". Sie sollten "breit" und "zielgenau" gefördert werden, demnach bedeuteten "Steuerfreibeträge, Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" für viele Familien einen spürbaren Beitrag zum Familienbudget.

Doch ich komme mit diesen Aussagen nicht klar. Weil sie sich mit dem Geschehen auf meinem Konto einfach nicht synchronisieren lassen.

Teure Leistungsträger

Der einzige Weg, wie sich der Bund meiner Familie unmittelbar zuwendet, ist ohnehin das Kindergeld. Und auch das ist ja in vielen Fällen nur eine vorweg genommene Steuerrückzahlung, die mit dem Kinderfreibetrag und dem Freibetrag für "Betreuung und Erziehung oder Ausbildung" verrechnet wird.

Das Erziehungsgeld, das manchen einst die ersten sechs Monate nach der Geburt versüßte, bekommen seit Beginn des laufenden Jahres deutlich weniger Personen — die dafür zulässigen Einkommensgrenzen wurden drastisch gesenkt.

Das Kindergeld also, der einzige Habenposten meines Kindes, ist die "gezielte Förderung" meiner Familie. Doch es ist nur ein Phantom, weil es verschwunden ist, bevor es kommt.

Das liegt an den Kosten für Einrichtungen, mit denen die Bundesregierung die "unverzichtbare Leistungsträger" der vorherigen Generation noch etwas länger im Berufsleben halten und die "unverzichtbaren Leistungsträger" der nächsten Generation zu eben solchen machen möchte. Die Rede ist von Kinderkrippe und Kindergarten. Von einer pisa-gerechte Schule sprechen wir hier gar nicht erst.

Was so ein Krippenplatz in München kostet? Wer sein Kind mehr als sieben Stunden unterbringen möchte, bezahlt — wenn er ausnahmsweise einen Platz findet — gemäß der aktuellen Kinderkrippengebührensatzung bis zu 370 Euro. Hinzu kommen 60 Euro Verpflegungsgeld. Die üblichen kleinen Zahlungen für Bücher und Spielzeug bleiben mal außen vor. Zusammen sind das also 430 Euro.

Die Gebührenfalle

Sicher, das ist weniger als für einen Babysitter in München zu zahlen wäre — aber 430 Euro sind knapp das Dreifache des Kindergeldes.

Wer also sein Kind in der Krippe unterbringt, zahlt bis zum Erreichen des Kindergartenalters je nach Aufenthaltsdauer zwischen 13.000 und 18.000 Euro. Der Kindergarten kostet monatlich 160 Euro plus 58 Euro Verpflegung, das sind 218 Euro im Monat. Bis zum Erreichen des Schulalters fallen also weitere 5000 bis 8000 Euro an.

Für zweieinhalb Jahre Krippe und drei Jahre Kindergarten zahlen Eltern demnach knapp 21.000 Euro an "Gebühren". Im gleichen Zeitraum erhalten sie rund 11.000 Euro Kindergeld — ein Verhältnis, dass sich im vergangenen Jahr auch noch verschlechtert hat. Denn die Preise für die Kinderkrippe haben sich im September 2003 um 58 Prozent erhöht.

Schade, liebe Bundesregierung. Ihr sagt: "Deutschland wird familienfreundlicher." Doch hier in München ist das genau umgekehrt.

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