Nachruf:Eine Frage der Einstellung

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Berthold Leibinger (1930-2018) engagierte sich in Politik und Gesellschaft. (Foto: dpa)

Er machte aus dem "Fabrikle" Trumpf einen Maschinenbauer von Weltrang: Zum Tod von Berthold Leibinger, dem schwäbischen Vorzeigeunternehmer.

Von Stefan Mayr und Nikolaus Piper

März 1989 in Leipzig, auf der letzten Frühjahrsmesse vor dem Sturz der SED-Herrschaft in der DDR. Höhepunkt der Messe ist, wie jedes Jahr, der Rundgang von Staats- und Parteichef Erich Honecker, umgeben von einem Pulk wichtiger Leute aus der sozialistischen Wirtschaft und der Staatssicherheit. Die Verweildauer Honeckers an den Messeständen ist ein Politikum; besonders lange hält er sich am sowjetischen Stand auf und - mit deutlichem Abstand - an denen von Krupp, Thyssen und anderen Konzernen des westdeutschen Klassenfeindes.

1989 aber ist es ein bisschen anders. Da spricht der DDR-Herrscher auffallend lange mit einem seinerzeit noch nicht allzu bekannten schwäbischen Mittelständler: Berthold Leibinger, Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter des Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf aus Ditzingen nördlich von Stuttgart. Wenig später unterzeichnet Leibinger mit Heinz Warzecha, dem Direktor des Werkzeugmaschinenkombinats "7. Oktober" in Berlin, einen Vertrag über Entwicklung und Bau einer Laser-Werkzeugmaschine. Honecker würdigt das Geschäft als Beitrag zum "Abbau der Arbeitslosigkeit in der BRD". Acht Monate später fällt die Mauer.

Die Geschichte aus der Endphase der DDR wird bis heute erzählt, auch wegen Leibingers wunderbarer Replik auf Honecker: "Der Laser ist ein Werkzeug, mit dem man trennen oder verbinden kann", sagte er, "es kommt nur auf die Einstellung an."

Eine Frage der Einstellung - das ist der schwäbische Unternehmer in Idealform. Leibinger war gläubiger, vom württembergischen Pietismus geprägter Christ, das Verbindende lag ihm stets näher als das Trennende. Sein Leben verstand er als Dienst an der Menschheit. Er wagte immer wieder Neues, ohne seine Werte aufzugeben. Und bei allem ließ er nie ab von seinem gepflegten Stuttgarter Honoratioren-Schwäbisch.

Leibinger war ein self-made man. In dem Unternehmen, das ihm später gehören sollte, begann er seine Karriere 1950 als Lehrling. Trumpf galt damals als "Fabrikle" für Maschinenbau und saß noch im Stuttgarter Stadtteil Weilimdorf. Mit dem Gesellenbrief in der Tasche studierte er Maschinenbau und erprobte sein Wissen in den Vereinigten Staaten, bei einem Maschinenbauer in Cincinatti. 1961 kehrte er zurück zu Trumpf als Leiter der Konstruktionsabteilung und brachte es in fünf Jahren zum Geschäftsführer. Christian Trumpf, der kinderlose Eigentümer der Fabrik verkaufte die Firma nach und nach an Leibinger. Dabei halfen dem Geschäftsführer die zahlreichen Patente, die er in die Firma eingebracht hatte. Damals hatte Trumpf 400 Mitarbeiter, die umgerechnet zehn Millionen Euro Umsatz erwirtschafteten. Heute sind es 13 500 Beschäftigte und 3,6 Milliarden Euro Umsatz. Die Firma gilt als Prototyp des Hidden Champions, als Weltmarktführer, den nicht alle kennen - eine besondere Stärke der deutschen Wirtschaft. Trumpf war zunächst Weltmarktführer in der Bearbeitung von Blechen. Später erkannte Leibinger das Potenzial des Werkzeugs Licht und machte seine Firma zum Pionier industrieller Laser-Anwendungen. Leibinger löste auch die Nachfolgefrage - eine Aufgabe, an der viele Familienunternehmen scheitern. 2005 übergab er die Führung der Firma an seine älteste Tochter Nicola Leibinger-Kammüller.

Engagement in Politik und Gesellschaft gehörten für Leibinger zum Unternehmer-Sein. Er war Mitglied der CDU und sorgte 2014 für Aufsehen, als er plötzlich für die FDP Reklame machte. Die CDU brauche ein "liberales Korrektiv", erklärte er damals. Nach seinem Ausstieg aus der Geschäftsführung blieb Leibinger als Mäzen für Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft aktiv. Er gründete eine Stiftung, die einen Innovationspreis, aber auch einen Comicbuchpreis vergibt. Im Alter von 82 Jahren tat es Leibinger seinen drei Kindern nach und promovierte.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) würdigte ihn als "visionären Unternehmer". Sein "stetiger Drang, Neues zu wagen", habe Trumpf weltweit erfolgreich gemacht. "Mit seinem vielfältigen sozialen und kulturellen Engagement hat er zudem Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes übernommen. Und er hat immer wieder öffentlich klare Kante gezeigt, auch über unternehmerische Fragen hinaus. Hierfür bin ich ihm sehr dankbar." Berthold Leibinger ist am Dienstag nach langer Krankheit im Alter von 87 Jahren gestorben.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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