Nachhaltige Lieferketten:Die Wäsche des Ministers

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Minister Gerd Müller achtet auf nachhaltigen Konsum. Er droht mit einem Gesetz, falls die Selbstverpflichtung nicht reicht.

Von Elisabeth Dostert, Berlin

Die Zeit läuft. Noch bis zum 10. Dezember haben die Unternehmen Zeit, die Fragebögen, die ihnen die Bundesregierung im August zugeschickt hat, auszufüllen. Sie sollen Auskunft darüber geben, wie nachhaltig all die kleinen Teile überall auf der Welt hergestellt worden sind, die am Ende zu einem Produkt zusammengesetzt werden, das dann von diesen Unternehmen verkauft wird.

Nachhaltige Lieferkette heißt das neudeutsch; und die Unternehmen müssen erklären, ob sie darauf achten, dass zum Beispiel ihre Lieferanten in Afrika oder Asien die Menschenrechte achten. Die Kette fängt in den Nähereien in Bangladesch an oder in den Minen in Afrika, wo Seltene Erden abgebaut werden, ohne die kein Smartphone läuft. "Am Anfang der Kette herrscht häufig brutale Ausbeutung", sagt Gerd Müller (CSU), Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. "Sie können mich auch Außenwirtschaftsminister nennen, aber bitte sagen sie nie mehr Entwicklungshilfeminister. Das gibt es nicht mehr." Es ist eine Jobbeschreibung, die ihm nicht behagt. Entwicklung ja. "Wir müssen Entwicklung über Handel auslösen", sagt Müller. Aber "Hilfe", das klingt mitleidig, herablassend.

Müller fordert von den deutschen Unternehmen Investitionen, vor allem in Afrika, dem Kontinent, der manchem fern vorkommt, aber uns so nah ist - in Sichtweite. Von der Stadt Marbella aus sehe man die Küste von Marokko mit bloßem Auge.

"Wir leben in einem globalen Dorf. Es hängt alles mit allem zusammen."

Der CSU-Politiker stammt aus Krumbach in Schwaben. Er hat dort in der Kommunalpolitik angefangen, er saß von 1989 bis 1994 im Europäischen Parlament, seither sitzt er im Bundestag, seit Ende 2013 hat er dieses Ministeramt inne. Er sagt: Sein Horizont habe sich geweitet. Müller hat jetzt die Welt im Blick. Das Amt des Außenwirtschaftsministers scheint ihm viel wichtiger als das Amt des Wirtschaftsministers. Er will die Sorgen in Deutschland nicht kleinreden, aber ihm geht es ums Ganze: "Wir brauchen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine neue globale Verantwortung. Wir müssen raus aus dem nationalen Kleinklein," fordert er. "Wir leben in einem globalen Dorf. Es hängt alles mit allem zusammen." Angela Merkel verstehe das. Müller bezeichnet die Bundeskanzlerin als seine Mentorin. "Sie versteht die Welt global." Und sie sei auf der Weltbühne "die prägende europäische Kraft".

Jedes Jahr wachse die Weltbevölkerung um rund 80 Millionen Menschen, "einmal Deutschland". Die Bevölkerungsexplosion sei der Auslöser vieler Herausforderungen. Es gibt für den Minister einige "Überlebensfragen der Menschheit". Er stellt sie: "Wie ernähren wir die wachsende Weltbevölkerung?" Bis 2050 müsse die Lebensmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden. Passiere nichts, drohten Hunger, Not, Elend, Kriege und Flucht. Dennoch: Müller hält eine Welt ohne Hunger für möglich, durch technologischen Fortschritt und einen veränderten Konsum.

Die zweite Überlebensfrage sei der Klimaschutz. "Welches Wachstumsmodell ist denn zukunftsfähig?" Bislang werde Erfolg daran gemessen, wie stark das Wachstum ausfalle. Müller verlangt von der Wirtschaft Antworten. "Ist der 7er von BMW die Lösung der Mobilitätsfrage in Afrika?" Er sehe kein passendes Angebot aus Deutschland, kritisiert der Minister. Mit deutschen Technologien und Investitionen könne Afrika "der grüne Kontinent der erneuerbaren Energien werden", statt die Entwicklung auf Basis der Kohle zu verfolgen.

"Wir brauchen eine neue faire Handelskooperation - weg von Ausbeutung von Mensch und Natur." Dazu gehören für ihn nachhaltige Lieferketten. "Wenn wir bereit sind, im Einkauf statt fünf Dollar für eine in Bangladesch gefertigte Jeans sechs Dollar zu zahlen, dann können wir den Lohn der Näherinnen in Bangladesch verdoppeln - und dann könne die leben." Müller trägt, so sagt er, zwei Beispiele für nachhaltige Lieferketten am Leibe: "Ich trage Unterwäsche von Trigema und einen Anzug von Boss." Die machten das freiwillig. Andere nicht. "Wenn wir auf Basis der ausgewerteten Fragebögen zum Ergebnis kommen, dass die Standards nicht freiwillig eingehalten werden, dann wird es ein Gesetz geben."

© SZ vom 13.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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