Nachhaltige Geldanlagen:Zäher Kampf gegen die Vorurteile

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Fast jeder ist dafür - kaum einer tut es: Die wenigsten Investoren legen nach sozialen, ethischen oder ökologischen Kriterien an. Die Verfechter nachhaltiger Geldanlage versuchen Vorurteile auszuräumen, um dem Dilemma zu entkommen. Ihr Credo: Alternative Anlagestrategien zahlen sich aus.

Von Martin Hesse

(SZ vom 07.01.2004) — Beobachter schätzen den Markt für nachhaltige Geldanlage in Deutschland aktuell auf drei Milliarden Euro. Zum Vergleich: Allein Deutschlands größter Vermögensverwalter, Allianz Dresdner Asset Management, managt weltweit rund 1000 Milliarden Euro.

Zwar kamen auch 2003 zahlreiche neue Investmentprodukten auf den deutschen Markt, die neben ökonomischen auch nach ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen. Rund 160 Fonds und Zertifikate werden mittlerweile in Deutschland vertrieben.

Und auch die Nachfrage ist weiter gestiegen. "Unter dem Strich ist wohl auch 2003 mehr neues Geld in die Nachhaltigkeitsfonds geflossen, als abgezogen wurde", sagt Andreas Knörzer, Leiter des Bereichs nachhaltige Geldanlage bei der Schweizer Bank Sarasin.

Doch die Hoffnungen derer, die nachhaltige Geldanlage propagieren, und die tatsächlich Entwicklung klaffen noch immer auseinander. "Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass der Marktanteil nachhaltig gemanagter Finanzprodukte auf zehn bis zwanzig Prozent wachsen kann", sagt Walter Kahlenborn, Vorstandsvorsitzender des Forums Nachhaltige Geldanlage. Derzeit steckt jedoch nur knapp ein Prozent des angelegten Geldes in diesem Segment. Wo hakt es?

Erfolgreiches Jahr

"Eines der größten Hemmnisse für den Markt besteht noch immer in dem Vorurteil, ökologisch-ethische Geldanlage sei mit einem Renditeverzicht verbunden", sagt Robert Haßler, Vorstandsvorsitzender der Ratingagentur Oekom Research. Weil das so ist, gibt es mittlerweile ein Bündel von Studien, die das Gegenteil zu belegen versuchen.

Die jüngste Untersuchung stammt aus dem Hause Oekom. Gemeinsam mit der Investmentbank Morgan Stanley untersuchte die Agentur die Kursverläufe von 602 Unternehmen, die im MSCI Weltindex enthalten sind. 186 Unternehmen, die gemessen an den ökologischen und sozialen Kriterien von Oekom als weltweit führend in ihrer Branche eingestuft wurden, haben im Durchschnitt zwischen Ende 1999 und Oktober 2003 um rund 23 Prozent besser abgeschnitten als die übrigen 416 Titel.

Zu positiven Ergebnissen kommen in ähnlichen Studien etwa das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, die WestLB oder der auf nachhaltige Geldanlage spezialisierten Vermögensverwalter SAM.

Die Schweizer Bank Pictet heizte in diesem Jahr die Diskussion an, weil sie zu dem Schluss kam, dass die Börse zwar sozialverträgliches Handeln belohnt, die Berücksichtigung ökologischer Kriterien jedoch negativ auf die Kursentwicklung wirkt ( siehe Interview).

Allgemeine Aussagen zum Erfolg nachhaltiger Finanzprodukte sind also offenbar problematisch. Das zeigt auch das abgelaufenen Jahr. "Fonds mit Aktien kleinerer und mittlerer Unternehmen liefen gut", sagt Fondsmanager Knörzer. Beispielsweise erholten sich Aktien aus dem Bereich erneuerbarer Energien, die allerdings im Jahr zuvor extrem stark gefallen waren.

Nachhaltigkeitsindizes warfen 2003 mehr als 30 Prozent ab - wenngleich mit sehr unterschiedlichen Konzepten. Der Natur-Aktien-Index, der 25 meist kleinere internationale Unternehmen erfasst, verbesserte sich um rund 35 Prozent. Der breiter gefasste Dow Jones Sustainability Weltindex stieg, in Dollar gerechnet, um etwa 33 Prozent. Dieser Index schließt keine Branche von vornherein aus, sondern wählt etwa auch unter Öl- und Autokonzernen diejenigen aus, die schonender als die Konkurrenz mit Ressourcen und Mitarbeitern umgehen.

Neue Richtlinien für Fonds

"Performance-Vergleiche sind stets mit Vorsicht zu genießen, weil immer die Frage ist, wie man Nachhaltigkeit definiert", sagt Jörg Weber, Chefredakteur des auf nachhaltige Geldanlage spezialisierten Informationsanbieters Ecoreporter.de. In dem Dickicht von Produkten mit den unterschiedlichsten Anlagekonzepten verlieren Anleger jedoch leicht den Überblick.

Daher hat das europäische Forum für nachhaltige und verantwortungsbewusste Geldanlage (Eurosif) im Herbst Transparenzrichtlinien für Anbieter von Nachhaltigkeitsfonds aufgestellt.

Sie müssen unter anderem darlegen, was sie unter Nachhaltigkeit verstehen, wie sie den Begriff in eine Anlagestrategie umsetzen und wer die Unternehmen nach welchen Kriterien prüft. So sollen die Konzepte und ihre Umsetzung für Anleger besser vergleichbar werden. In Deutschland haben bislang 17 Fondsanbieter die Leitlinien unterzeichnet.

"Doch es bleibt dabei, dass Anleger mehr Informationsaufwand betreiben müssen, als wenn sie in herkömmliche Produkte investieren", räumt Haßler ein. Und nicht nur die Anleger. In Deutschland spielt der Vertrieb traditionell eine große Rolle für den Erfolg von Finanzprodukten.

"Doch die Vertriebsberater wissen oft gar nicht, dass ihre Bank oder Fondsgesellschaft einen Nachhaltigkeitsfonds im Angebot hat. Erklären können sie das Konzept schon gar nicht", sagt Kahlenborn. Zwar haben auch die großen Vermögensverwalter von Allianz bis Münchner Rück mittlerweile Nachhaltigkeitsfonds im Programm. "Doch die Anreize für den Vertrieb fehlen", klagt Kahlenborn.Privatanleger bleiben für die Anbieter also schwer zu erreichen.

Umso größere Hoffnungen setzt die Branche auf institutionelle Investoren. In Großbritannien etwa, wo die Altersvorsorge über Pensionsfonds und -kassen traditionell eine große Rolle spielt, sind 85 Milliarden Euro nach wie auch immer formulierten Nachhaltigkeitskriterien investiert. "In Deutschland steckt die betriebliche Altersvorsorge noch in den Kinderschuhen. Nur etwa ein dreistelliger Millionenbetrag ist in Pensionsfonds investiert", schätzt Kahlenborn.

Immerhin wende aber bereits ein Viertel dieser Fonds bei der Anlage Nachhaltigkeitskriterien an. Während jedoch die Pensionsfonds jährlich Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob sie bei der Anlage ökologische oder soziale Kriterien berücksichtigen, gibt es diese Berichtspflicht für Pensionskassen, die rund 80 Milliarden Euro verwalten, nicht. "Der Gesetzgeber sollte daher die Berichtspflicht für alle Formen der privaten Altersvorsorge einführen", fordert Kahlenborn.

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