Nach Seiferts Weggang:Deutsche Börse sieht unsicheren Zeiten entgegen

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Seit Börsenchef Seifert von den Anteilseignern aus dem Amt gedrängt wurde, ist die strategische Ausrichtung des Konzerns unklar. Friedrich Merz hat zudem den Vorschlag abgelehnt, Rolf Breuer im Aufsichtsratsvorsitz nachzufolgen.

Von Lothar Gries

Der einflussreiche britische Hedge-Fonds TCI plädierte für eine Fusion mit der von Frankreich dominierten Vierländerbörse Euronext.

Geht es nach dem Hedgefonds TCI, könnte in Frankfurt bald im Euronext-Verbund gehandelt werden. (Foto: Foto: AP)

Ein solches Szenario wäre phantastisch, sagte Patrick Degorce, einer der Partner von TCI dem Handelsblatt.

Der Manager wollte aber auch einen Zusammenschluss mit der Londoner Börse LSE nicht ausschließen. Er habe keine Präferenzen, stellte Degorce klar.

Voraussetzung für eine Fusion sei allerdings, dass sie Mehrwert für die Aktionäre schaffe. Schließlich sei es das Ziel der Anleger, mit ihren Investitionen Gewinn zu machen.

Auch der amerikanische Fonds Atticus Capital, der ebenfalls an der Deutschen Börse beteiligt ist, hält eine Konsolidierung der europäischen Börsenlandschaft nach wie vor für erstrebenswert.

Atticus nur für Fusion unter Gleichen

"Es sollte aber eine Fusion unter Gleichen sein. Wir sind nicht damit einverstanden, wenn ein Unternehmen für viel Geld ein anderes übernimmt", sagte Atticus-Geschäftsführer David Slager.

Präferenzen für eine bestimmte Konstellation hat Atticus aber keine. Grundsätzlich werde man aber alle Vorschläge unterstützen, die den Wert des Unternehmens verbessern, so der Fondsmanager.

Dagegen sprach sich Fritz Oelrich, Vorstandschef der Dekabank, der Fondsgesellschaft der Sparkassen, dafür aus, dass die Deutsche Börse als eigenständiges Unternehmen in Frankfurt bleibt.

Angst vor Zerschlagung

Weder die Euronext noch die LSE wollten die Spekulationen am Dienstag kommentieren. Die Londoner Börse will einen Bericht der britischen Wettbewerbsaufsicht abwarten, der am 12. September erwartet wird.

Trotz der Ungewissheit legten die Aktienkurse der Deutschen Börse und der Euronext am Dienstag weiter zu. In den vergangenen Wochen hatten die neuen Großaktionäre auch den Verkauf einzelner Teile der Börse ins Gespräch gebracht und damit die Sorge ausgelöst, dem Konzern drohe die Zerschlagung.

Als einen Fehler betrachten die Fondsmanager besonders den Kauf des Wertpapierabwicklers Clearstream. Er gilt als nicht profitabel genug.

Merz lehnt ab

Unklar bleibt auch, wen die neuen Eigentümer als Nachfolger für den Ende des Jahres ausscheidenden Aufsichtsratschef Rolf-Ernst Breuer nominieren werden.

Die beiden Fondsgesellschaften TCI und Atticus, die als Wortführer der rebellierenden Aktionäre gelten, hatten wiederholt den CDU-Politiker Friedrich Merz ins Spiel gebracht. Merz lehnte das Angebot jedoch ab. Er werde 2006 wieder für den Bundestag kandidieren und stehe als Nachfolger für Breuer derzeit nicht zur Verfügung, sagte Merz.

Breuer sagte am dem Magazin Capital, er werde möglicherweise früher als geplant ausscheiden. "Sobald ich eine Lösung liefern kann, trete ich zurück. Am liebsten träte ich sofort zurück", erklärte der 67-Jährige.

Breuer wollte nicht ausschließen, dass er bereits auf der Hauptversammlung am 25. Mai gestürzt wird. Weiter sagte Breuer: "Es ist gefährlich, wenn sich die Hedgefonds zu Herren der Szene machen und der Mehrheit der stabilitätsorientierten Anleger ihre Sicht aufzwingen.Das wird für Vorstände in Deutschland eine ganz andere Welt sein und trifft die deutsche Volkswirtschaft ins Mark."

Deshalb müssten die Deutschen über strengere Gesetze gegen Hedgefonds ernsthaft nachdenken.

Clement fordert mehr Transparenz bei Hedge-Fonds

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement erklärte, er gehe davon aus, dass die Vorgänge an der Börse legitim seien. Er forderte jedoch größtmögliche Transparenz beim Gebaren der Hedge-Fonds in Deutschland.

Unterdessen forderte der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel die neuen Anteilseigner der Börse auf, ihre Ziele offen zu legen.

Das Unternehmen habe dem Land gegenüber zu erklären, wies langfristig die Voraussetzungen für den Betrieb und die Fortentwicklung der Frankfurter Börse erfüllen will.

Deshalb sei es nun die Pflicht der Eigentümer, Klarheit über die strategische Ausrichtung und den weiteren Kurs des Unternehmens zu schaffen, so der für die Betriebsgenehmigung und Aufsicht der Börse zuständige Minister.

SPD-Fraktionsvize Joachim Poß hatte den Fall als Beleg für die von SPD-Parteichef Franz Müntefering angestoßene Kapitalismus-Diskussion gewertet.

"Die angelsächsische Praxis, dass selbst Spitzenpositionen vom Kapital kontrolliert werden, ist bei uns angekommen", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner.

© SZ vom 11.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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