Nach jahrelangen Verhandlungen:Europa und USA liberalisieren Flugverkehr

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Künftig dürfen Fluggesellschaften von jedem Flughafen der EU jede Stadt in den USA anfliegen und umgekehrt. Schnelle Auswirkungen auf die Ticketpreise werden nicht erwartet.

Andreas Oldag

New York - Nach zweijährigen Verhandlungen haben sich die Europäische Union und die Vereinigten Staaten überraschend schnell auf eine Liberalisierung des transatlantischen Luftverkehrs verständigt.

Im Flugverkehr sollten in beide Richtungen keinerlei Restriktionen mehr gelten, sagte der amerikanische Verkehrsminister Norman Mineta in Washington. Die Vereinbarung sei eine "historische Chance", die Qualität des zivilen Flugverkehrs zwischen den USA und der EU zu verbessern. Die beiden Kontinente könnten so eng zusammenrücken wie nie zuvor, sagte Mineta.

Fluggesellschaften der EU, wie etwa Lufthansa, British Airways oder Air France/KLM, sollen zu allen Airports der USA und von dort weiter in dritte Staaten fliegen dürfen. Dieselbe Regelung soll in umgekehrter Richtung gelten.

Die Vereinbarung muss nun noch von den Regierungen der 25 EU-Mitgliedstaaten sowie von der US-Regierung gebilligt werden. Die so genannte "Open Sky"-Vereinbarung ersetzt eine Vielzahl von bilateralen Abkommen, die seit dem Zweiten Weltkrieg getroffen wurden.

Bislang dürfen die europäischen Fluglinien nur von ihrem Heimatland aus die USA anfliegen, also etwa Lufthansa nur von Deutschland aus. Zudem wird es künftig keinerlei Beschränkungen für die Zahl der Flüge in beiden Richtungen, den Typ der eingesetzten Flugzeuge oder die Flugrouten geben. Die EU und die USA einigten sich außerdem darauf, in Sicherheitsfragen intensiver zusammenzuarbeiten.

Stärkerer Konkurrenzkampf erwartet

Experten erwarten sich durch das Abkommen einen stärkeren Konkurrenzkampf zum Nutzen der Kunden. Ob es allerdings unmittelbar zu Preissenkungen kommt, ist unwahrscheinlich. Schon jetzt ist der Wettbewerb unter den Anbietern auf den Strecken zwischen Europa und den USA hart. Die Preise stehen bereits enorm unter Druck.

EU-Verhandlungsführer Daniel Calleja äußerte sich zu den Ergebnissen vorsichtiger als seine amerikanischen Partner. Die Vereinbarung sei ein "erster Schritt" auf dem Weg zur Marktöffnung, meinte er.

In den zähen Verhandlungen der vergangenen Monate hatte die EU eine noch weiter gehende Vereinbarung gefordert. In einer gemeinsamen Erklärung mit den amerikanischen Verhandlungspartnern betonte die europäische Delegation, auch die Obergrenzen für die Beteiligung ausländischer Investoren an amerikanischen Fluggesellschaften müssten abgeschafft werden. Derzeit dürfen Ausländer höchstens 25 Prozent der Anteile an einer US-Airline erwerben.

Beide Seiten äußerten die Hoffnung, dass die Liberalisierung bereits mit der Umstellung auf den Winter-Flugplan im Oktober kommenden Jahres in Kraft treten könne. Am 5. Dezember beraten die EU-Verkehrsminister bei ihrer nächsten Ratssitzung über das Verhandlungsergebnis. Dann sei die Möglichkeit einer "ersten Bewertung" gegeben, sagte Calleja. Auch die US-Regierung muss noch zustimmen.

Zugang zu Heathrow

Die Europäische Union und die USA hatten ihre Verhandlungen über das neue Abkommen nach zweijährigen Gesprächen im Juni 2004 zunächst abgebrochen, vor etwa einem Jahr aber fortgesetzt.

Die Einigung wurde möglich, nachdem US-Präsident George W. Bush Anfang November zugesagt hatte, ausländischen Investoren mehr Einfluss auf US-Fluglinien zu gewähren. Die Höchstgrenze für Beteiligungen bleibt aber bei 25 Prozent.

Gegen die Zusagen des US-Präsidenten gibt es allerdings Widerstand im US-Kongress und ebenso bei den Gewerkschaften der Fluggesellschaften. Die Gegner befürchten einen weiteren Arbeitsplatzabbau bei den angeschlagenen amerikanischen Airlines. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass das Abkommen im Kongress noch blockiert wird.

Die Vereinbarung könnte beispielhaft sein auch für andere Luftverkehrsregionen. So gibt es unter anderem Bestrebungen, die Verbindungen zwischen den USA und Australien zu liberalisieren.

Die USA erhalten durch das Abkommen vor allem auch einen besseren Zugang zum Londoner Flughafen Heathrow, dem größten Drehkreuz für Transatlantikflüge in Europa. Bislang dürfen von den USA nur die Gesellschaften United Airlines und American Airlines den Flughafen anfliegen.

Von London aus in die USA starten nur British Airways und Virgin Atlantic Airways. Branchenkenner sind allerdings skeptisch, dass die Verbindungen nach und von Heathrow tatsächlich zunehmen, weil es auf dem völlig überfüllten Flughafen derzeit viel zu wenige Landerechte (Slots) gibt.

© SZ vom 21.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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