Nach harten Jahren:Boom am Bau

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Viele Städte plagt derzeit ein Problem, das es lange nicht mehr gab: Die Baufirmen kommen mit den Aufträgen nicht mehr hinterher.

Nina Bovensiepen

Die Feuerwehrleitstelle in Augsburg wird auf ein neues Dach noch warten müssen. Auch Bauarbeiten am Anna-Gymnasium der Stadt ziehen sich länger hin als geplant, Reparaturen an mehreren Augsburger Schulen können wohl ebenfalls erst im kommenden Jahr ausgeführt werden.

Der milde Winter begünstigt die Bauwirtschaft. (Foto: Foto: ddp)

Klar, es fehlt mal wieder am Geld, möchte man meinen. Doch weit gefehlt. Augsburg und andere Städte plagt derzeit ein Problem, das es lange nicht mehr gab: In vielen Kommunen liegen die Pläne und das Geld für Bauprojekte bereit, auch das Wetter spielt mit - und auf einmal kommen die Firmen mit den Aufträgen nicht hinterher.

,,Die Unternehmen sind völlig ausgelastet, wir müssen etliche Bauvorhaben ins nächste Jahr verschieben'', sagt Jürgen Fergg, Pressesprecher der Stadt Augsburg.

Ausschreibung zurückgezogen

Vor kurzem habe man eine Ausschreibung für Dachdeckerarbeiten an einem städtischen Gebäude zurückgezogen. Von den 14 Firmen, die ein Angebot machen sollten, reagierte nur eine. Diese wollte den Auftrag allerdings nicht für die geplanten 90.000 Euro machen, sondern verlangte 120.000.

Ähnliches erleben auch Kämmerer und Baureferate andernorts. ,,Es gibt Fälle, in denen signalisieren die Firmen uns, dass sie auf öffentliche Aufträge nicht mehr angewiesen sind'', sagt Jürgen Marek, Pressesprecher des Münchner Baureferats.

Folgt auf die Jahre des Jammerns und Darbens, der Insolvenzen und Entlassungen also der Boom auf dem Bau? Manche Zahlen suggerieren das.

89 Prozent mehr offene Stellen

So verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit im November 89 Prozent mehr offene Stellen für Elektriker und Schlosser, Maurer und Dachdecker als ein Jahr zuvor.

Mit 22.000 Angeboten standen die Bauberufe im vergangenen Monat ganz oben auf der Liste der am dringendsten gesuchten Kräfte.

In Brandenburg etwa waren im November 2005 im Baugewerbe 273 offene Stellen gemeldet, dieses Jahr waren es 707 - mehr als doppelt so viele. In Bremen sprang die Zahl von 55 auf 156.

Der milde Winter begünstigt die Entwicklung. Selten konnte in einem Dezember so lange draußen gearbeitet werden wie 2006.

Sondereffekte

Handwerkspräsident Otto Kentzler verweist noch auf zwei Sondereffekte, die der Branche zugute kommen. So hatte die große Koalition als Teil ihres 25-Milliarden-Investitionspakets ein Förderprogramm zur ökologischen Gebäudesanierung aufgelegt. Dies habe dem Bau einen Schub gegeben.

,,Außerdem wirken Vorzieheffekte durch die drohende Mehrwertsteuererhöhung'', sagt Kentzler. Hierin sieht auch der Augsburger Pressesprecher Fergg den Hauptgrund für den Boom am Bau. Seiner Meinung nach hat der bevorstehende Anstieg der Steuer von 16 auf 19 Prozent zu Hamsterkäufen geführt. ,,Dachdämm-Material ist derzeit in ganz Deutschland vergriffen'', hat Fergg beobachtet.

Die Stadt Augsburg will mit weiteren Aufträgen nun warten, bis sich die Lage im Jahr 2007 entspannt hat.

Manchen Betrieb dürfte das freuen. Denn ganz so rosig, wie manche die Situation der Branche derzeit sehen, ist sie auch nicht.

"Seit einem halben Jahr zieht das Geschäft an"

Dem zarten Aufschwung gingen tatsächlich sehr harte Jahre voraus. ,,Seit einem halben Jahr zieht das Geschäft endlich an'', sagt Thea Hummel, Seniorchefin der Hummel Bedachungstechnik GmbH.

Die Augsburger Firma beschäftigt 18 Mitarbeiter. ,,Wenn es weiter gut läuft, stellen wir im Frühjahr vielleicht wieder ein paar Leute ein'', sagt Hummel. Das wäre aber trotzdem ein Zuwachs auf bescheidenem Niveau: Vor drei Jahren arbeiteten bei den Hummels noch 120 Menschen.

© SZ vom 30.12.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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