Nach der Übernahme:Was von Mannesmann übrig blieb

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Vier Jahre nach der Übernahme neigt sich die Zerstückelung des Düsseldorfer Traditionskonzerns dem Ende zu.

Von Michael Kläsgen

Wer der Frage nachgeht, was aus den einzelnen Mannesmann-Töchtern und den Mitarbeitern des übernommenen Traditionskonzerns geworden ist, hat es nicht leicht.

"Das wollten schon viele herausfinden, haben es aber nicht geschafft", entmutigt Horst A. Wessel, Chef des Mannesmann-Archivs in Mülheim an der Ruhr und damit sozusagen das wandelnde Gedächtnis des Konzerns.

Das liegt daran, dass der Konzern mit seinen etwa 140.000 Beschäftigten in diverse Konzerne aufgegangen ist und die Aufteilung noch andauert. Erst Anfang dieses Monats verkaufte der Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) eine frühere Mannesmann-Tochter, den Koblenzer Autozulieferer Stabilus.

Atecs ging an Siemens

Außerdem will KKR offenbar auch den Schweizer Hersteller von Elektrizitäts- und Wärmezählern Landis&Gyr veräußern. Betroffen wären zusammen 6.300 Ex-Mannesmänner.

Bereits kurz nach der Übernahme durch den britischen Mobilfunk-Konzern Vodafone im Frühjahr 2000 ging der Industriezweig Atecs mit 9.0000 Beschäftigten an Siemens. Davon blieb der Autozulieferer VDO bei den Münchnern, Bosch übernahm die Steuerungstechnik von Rexroth und der Autoteilespezialist Sachs landete bei ZFFriedrichshafen.

Damit ist die Zerstückelung längst nicht umfassend beschrieben, aber verwirrend genug. Klar dagegen ist, dass Vodafone der Rechts-nachfolger Mannesmanns ist.

Das zog für die Briten unter anderem die ungeahnte Konsequenz nach sich, dass sie sich nun mit Fragen der Zwangsarbeit im Dritten Reich oder Bergbau-Schäden durch Steinkohle-Abbau beschäftigen müssen.

Die meisten der 9.300 Vodafone-D2-Mitarbeiter ficht das natürlich nicht an. Bei gutem Wetter versammelt sich in der Regel ein Dutzend der Holding-Mitarbeiter vor dem Düsseldorfer "Mannesmann-Hochhaus" am Rheinufer zur Mittagspause.

Viele unterhalten sich auf Englisch. Nein, Mannesmann vermisst hier keiner wirklich. Selbst Michael Mönks, Ex-Mannesmann und inzwischen ausgeschiedener Gesamtbetriebsratsvorsitzender von VodafoneD2, sagte stets, dass die Ängste nach der Übernahme zum großen Teil unberechtigt waren.

Aufspaltung schon länger geplant

In der Tat war die Aufspaltung Mannesmanns in eine Technik- und eine Mobilfunk-Sparte schon vor der Übernahme geplant, ebenso wie eine stärkere Ausrichtung auf den Shareholder-Value.

Unabhängig davon meint Archivar Wessel, der viele der alten/neuen Standorte kennt: "Selbstverständlich traut sich niemand, etwas gegen seinen neuen Dienstherrn zu sagen."

Zu den Gewinnern der Übernahme zählt Wessel die Röhrenwerke mit ihren 13.000 Beschäftigten. Die Werke verkaufte Vodafone schuldenfrei für einen Euro an die Salzgitter AG.

"Die sitzen zum größten Teil auf der Straße"

Seit kurzem taucht der Name Mannesmann wieder im Firmenemblem auf. Klein darunter steht: "Ein Unternehmen der Salzgitter Gruppe". "Niemand kennt Salzgitter", erklärt Wessel. Mannesmann dagegen wurde wegen seiner nahtlosen Rohre weltweit bekannt.

Sein Sohn, sagt der 1943 geborene Archivar, habe das typische Schicksal vieler Mannesmann-Mitarbeiter erlitten. Er kam zu Siemens, gilt aber bis heute nicht als "Siemensianer", über die guten alten Zeiten bei Mannesmann solle er aber auch nicht reden.

Zu dem am Donnerstag zu Ende gegangenen Mannesmann-Prozess meint Wessel: "Ich wundere mich, dass vor Gericht behauptet wird, es hätte keine Entlassungen gegeben." Auf die Abteilungen Umweltschutz, Versicherung oder Aus- und Weiterbildung treffe das nicht zu. "Die sitzen zum größten Teil auf der Straße."

© SZ vom 22. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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