Nach der Pleite:Woolworths ist zurück

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Mit der Pleite der britischen Billigkaufhauskette wollte sich eine Mitarbeiterin nicht abfinden. Sie eröffnete eine Filiale neu - unter dem Namen "Wellworths".

A. Oldag

Es ist eine Reminiszenz an vergangene Zeiten. In einem Büroraum der ehemaligen Woolworths-Filiale in Dorchester hängt noch ein kleines Pappschild: "Woolworths - people serving people (Woolworths - Menschen dienen Menschen). Nun ist der Billigfilialist zwar pleite. Doch in der südenglischen Kleinstadt haben ehemalige Woolworths-Mitarbeiter den Kaufhaus-Zombie zu frischem Leben erweckt.

Das "Wunder von Dorchester": Bei der Eröffnung der Wellworths-Filiale strömten viele Interessierte herbei. (Foto: Foto: Getty Images)

Stolz sitzt Claire Robertson auf einem abgeschabten Plastiksessel. Die spärliche Einrichtung ihres Büros besteht aus Resopaltischen. Sie versprühen den Charme eines früheren HO-Ladens in der DDR.

Doch für die energische Frau sind dies Nebensächlichkeiten: Die 34-Jährige ist Chefin des Kaufhauses mit dem Namen "Wellworths" - in Anlehnung an das englische Wort "well", was "gut" bedeutet.

Von der Angestellten zur Managerin

Aus der Woolworths-Angestellten Robertson ist eine Managerin geworden. Mit finanzieller Unterstützung eines Investors hat sie die Filiale neu eröffnet. Es sei einfach der Wille gewesen, nicht aufzugeben, sagt die Wellworths-Chefin. "Als wir gehört haben, dass Woolworths schließt, gab es Tränen", erzählt die Mutter von zwei Kindern, die 18 Jahre bei dem Traditionshaus gearbeitet hatte.

Es waren dunkle Tage im Januar, als der britische Discounter wenige Wochen nach der Insolvenzanmeldung mehr als 800 Filialen schließen musste. 27.000 Mitarbeiter standen auf der Straße. Die Pleite war ein weiterer Schlag für den von der Rezession schwer gezeichneten britischen Einzelhandel.

In der Filiale in Dorchester standen die Regale leer. Bei einem letzten Ausverkauf hatten die Kunden Plastikspielzeug, Klobürsten und Süßigkeiten herausgeschleppt. Der insolvente Filialist hatte die ohnehin schon zum Billigpreis angebotenen Waren nochmals um 50 Prozent herabgesetzt. Das Ende einer Kaufhaustradition.

Doch dann geschah das "Wunder von Dorchester", wie die Lokalzeitung Dorset Echo schreibt: Zusammen mit 20 anderen Woolworths-Beschäftigten entschied sich Robertson fürs Weitermachen.

Glücklich trotz magerem Mindestlohn

Sie sprach mit dem Vermieter, um die Verpachtung der 600 Quadratmeter großen Ladenfläche zu sichern. Sie telefonierte mit Lieferanten und erreichte nach zähen Verhandlungen, dass Wellworths die branchenübliche Zahlungsfrist von 30 Tagen eingeräumt bekommt.

Die Wellworths-Beschäftigten erhalten zwar nur den gesetzlichen Mindestlohn von knapp sechs Pfund pro Stunde. Doch die meisten sind glücklich, in Zeiten, in denen britische Firmen fast täglich neue Entlassungen melden, einen Job zu haben.

"Ich konnte mir nicht vorstellen, nicht mehr hierherzukommen. Der Verlust meines Arbeitsplatzes wäre so schlimm gewesen wie der Verlust meiner Familie", sagt die 64-jährige Chris James, die 47 Jahre bei Woolworths beschäftigt war.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, auf welchen Umsatz Claire Robertson in ihrem Laden hofft.

Seit Mittwoch hat Wellworths in der Haupteinkaufsmeile von Dorchester geöffnet. Es herrscht reger Betrieb. Die Kunden stehen Schlange vor den fünf Kassen. An der Süßigkeiten-Theke "Pick'n mix" (nimm und mische selbst) quengeln Kinder.

Mütter füllen schwarze Lakritz-Rollen und "Jelly Beans" in Pappbecher. 100 Gramm der zuckrigen Dickmacher kosten 79 Pence. Das alles gab es schon bei Woolworths. Doch Robertson hat sich entschieden, neben dem bekannten Sortiment auch neue Waren in die Regale zu stellen: So gibt es eine kleine Gartenabteilung ebenso wie Tierfutter. Auch Puzzlespiele hat sie verstärkt ins Sortiment aufgenommen. Doch auch in Dorchester interessieren sich die Kinder mehr für Plastik-Wasserpistolen und Star-Wars-Spielfiguren.

Robertson hofft nun, einen Umsatz von umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro pro Jahr zu erreichen. Im Gegensatz zu vielen anderen Filialen sei der Laden mitten in Dorchester immer profitabel gewesen, behauptet sie.

"Das hat die Kunden verwirrt"

Sie sieht es als Vorteil, dass Wellworths nicht mehr von schwerfälligen Entscheidungen einer Konzernzentrale abhängig ist. "Früher habe ich häufig Anrufe bekommen, beispielsweise eine Ware in ein anderes Regal umzustellen. Doch das hat die Kunden verwirrt", sagt Robertson.

Eigentlich wollte Woolworths in diesem Jahr das hundertjährige Firmenbestehen feiern. Für die Briten hat "Woolies" einen hohen Nostalgiewert. Viele verbinden damit die Erinnerung an die Nachkriegszeit, als in diesen Kaufhallen endlich wieder bescheidener Wohlstand präsentiert wurde.

Das Geschäftskonzept des Amerikaners Frank Woolworth, der nach dem Start in den USA seine erste britische Filiale 1909 in Liverpool eröffnet hatte, ging voll auf. Alle Artikel kosteten damals entweder drei oder sechs Pence.

Harter Konkurrenzkampf auf der Insel

Der tiefe Fall des Filialisten, der unabhängig von Woolworth Deutschland ist, begann in den 90er Jahren. Die Konkurrenz von Tesco, Asda und Sainsbury setzte dem Haus ebenso zu wie die Neueröffnungen von Lidl und Aldi auf der Insel.

Woolworths geriet in die Hände von Finanzinvestoren. Zuletzt häuften sich die Schulden des börsennotierten Unternehmens auf umgerechnet mehr als 400 Millionen Euro. Nach der Insolvenz im November hat sich der Internet-Händler Shop Direct Firmenlogo und Namensrechte gesichert.

Doch die wahre Tradition von "Woolies" wird in Dorchester gepflegt. "Vielleicht folgen andere ehemalige Mitarbeiter und machen das Gleiche", hofft Wellworths-Chefin Robertson.

© SZ vom 14.3.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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