Musikindustrie:Harmonie-Bedürfnis

Lesezeit: 2 min

Lange hat es gedauert, doch nun hat sich die deutsche Phonowirtschaft darauf geeinigt, Musikstücke kostenpflichtig im Internet zum Herunterladen anzubieten.

Andreas Grote

(SZ vom 19.08.2003) — Die großen Musikkonzerne der Welt haben den ungleichen Kampf gegen die illegalen Online-Tauschbörsen nun aufgegeben und endlich eingesehen, dass Gerichtsbeschlüsse im Internet nichts ausrichten.

Nach einer langen Zeit des Abwartens begibt sich nun die deutsche Phonowirtschaft selbst ins Internet, um dem massenhaften Austausch von digitaler Musik über Datenleitungen mit einem eigenen Online-Angebot Konkurrenz zu machen. Es trägt den Namen Phonoline.

Musik über Zwischenhändler

Hierbei werden Musiktitel allerdings nicht direkt von den Plattenfirmen an die Kunden verkauft, sondern über Zwischenhändler im Internet, welche die Songs gegen Gebühr zum Herunterladen anbieten. Als mögliche Partner werden derzeit Medienportale wie Amazon, T-Online, RTL, Karstadt, Saturn, MTV und Viva genannt. Auch soll es keine festgelegten Preise für Musiktitel geben.

Das handeln die Medienportale direkt mit den Musikfirmen aus, ebenso wie die möglichen Beschränkungen der Nutzungsrechte. Dabei sind verschiedene Stufen möglich: zum Beispiel, ob der Titel nur auf dem PC abgespielt werden darf, ob auch das Brennen auf CD-ROM erlaubt ist und ob sich das Musikstück auch auf beliebigen CD-Spielern abspielen lässt. Diese Vorgaben bleiben dem Rechteinhaber überlassen.

Die technischen Voraussetzungen von Phonoline schafft die Festnetz-Tochter T-Com der Deutschen Telekom über ihr Universal Delivery System (UDS). Die große Musikfirmen wie Universal, Warner, BMG, EMI oder Sony sowie unabhängige kleinere Labels stellen der PhonoNet GmbH, einer Tochtergesellschaft des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft, hierzu ihre Musiktitel zur Verfügung. Diese werden mit digitalen Nutzungsrechten versehen, in ein MP3-ähnliches Format kodiert und beim Medienhändler zum Download bereitgestellt.

Zeitdruck gab Ausschlag für Phonoline

Die Bosse der großen Plattenfirmen haben sich erst nach einer langen Zeit des Zögerns und Taktierens auf Phonoline eingelassen. Ausschlaggebend war ein gewisser Zeitdruck, wollte man das Geschäft in Deutschland nicht anderen überlassen.

Der Computerhersteller Apple hat vor einigen Monaten seinen Music Store für US-Internetnutzer mit überragendem Erfolg eröffnet und plant für das Frühjahr 2004 einen Ableger in Deutschland.

Und Universal bietet bereits seit dem Frühjahr Musik zum Herunterladen über das Musikportal Popfile an. Nun hat sich auch der Rest der Branche vom klassischen Vertriebsweg für Musik gelöst und sich die Telekom-Tochter als Technik-Dienstleiter für den Online-Vertrieb ins Boot geholt.

Ob Phonoline ein Erfolg wird, bleibt abzuwarten. Im Gegensatz zu Apples Music Store, der als Großhändler Musiktitel bei den Plattenherstellern zu günstigen Konditionen einkauft und zum Festpreis von 99 Cent über sein eigenes Portal an Kunden verkauft, treten bei Phonoline die zwischengeschalteten Medienhändler untereinander in Konkurrenz.

Der Preis für digitale Musiktitel wird also vom Markt geregelt. Spätestens wenn Apple mit seinem erfolgreichen US-Modell nach Deutschland kommt, wird der Preiskampf ausbrechen. In jedem Fall erhalten Käufer anders als in einer Tauschbörse nicht nur eine rechtmäßig erworbene Kopie des Musikstücks, sondern auch die Sicherheit, den Titel vollständig und in guter Qualität zu erwerben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: