Musikindustrie:Ende des Jammerns

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Strategiewechsel der Musikindustrie: Wenn sie das Internet schon nicht beherrschen kann, so will sie es wenigstens bändigen. Mit Erfolg: Legale Downloads werden immer beliebter.

J. Pennekamp

Auf den ersten Blick ist alles wie immer, wenn die Musikindustrie zum Gespräch lädt: Eine trendige Berliner Bar, die Möbel sind weiß, das Licht ist gedämpft. Fachsimpelnde Fachjournalisten trinken Bier und Wein. Doch etwas ist anders: Die Branche hat aufgehört zu jammern.

Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Musikindustrie, Dieter Gorny, ist bei dieser Zähmung des Internets so etwas wie der Dompteur. (Foto: Foto: dpa)

"Es kommt neue Bewegung in unsere Industrie", sagt Dieter Gorny, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Musikindustrie. Er spricht von neuen Geschäftsmodellen im Internet und davon, dass die Plattenfirmen sich erfolgreich zu Musik-Entertainment-Unternehmen weiterentwickeln. Klar, die Klage über den Verlust "kultureller und ökonomischer Werte" durch illegale Musikdownloads im Internet darf in seinem Statement dennoch nicht fehlen.

Zähmung des Internets

Doch am Ende drängt sich der Eindruck auf, dass die Musikindustrie beginnt, das Internet als Chance zu begreifen. Angesichts 312 Millionen rechtswidriger Songdownloads in Deutschland im vergangenen Jahr glaubt zwar niemand daran, das Netz beherrschen zu können. Mit neuen Ideen will die Musikwirtschaft das Netz aber zumindest bändigen: Musik-TV im Internet, Songdownload per Handy und Musik-Flatrates sind die neuen Hoffnungsträger der Branche.

Gorny ist bei dieser Zähmung so etwas wie der Dompteur. Gerade zieht der Viva-Gründer im Hintergrund die Strippen für ein deutsches, interaktives Musikfernsehen im Internet. Die Zuschauer sollen sich je nach Vorlieben aus Tausenden Musikvideos ein individuelles Programm zusammenstellen lassen. "Uns alle bewegt die Frage, wie sollte Musikfernsehen heute aussehen. Zack, da ist es", schreibt Gorny auf der Internetseite musikfernsehen.tv, auf der das Angebot noch in diesem Jahr starten soll.

Die Labels wittern Morgenluft

Nach einer Dekade in Schockstarre wittern auch die großen Plattenlabels Morgenluft: "Natürlich kümmern wir uns nach wie vor um das physische Geschäft, wir sind aber auch bei den digitalen Innovationen vorne dabei", sagt etwa Frank Briegmann. Mit den Innovationen meint der Chef von Universal Music in Deutschland vor allem eine Kooperation mit dem Handyhersteller Nokia. Der finnische Konzern wird im kommenden Jahr in Deutschland Handys mit dem "Comes With Music"-Service anbieten: In die Handygebühren inbegriffen ist eine einjährige Flatrate zum Herunterladen beliebig vieler Musiktitel. Die beteiligten Musiklabels verdienen an den Abo-Erlösen mit.

Anders als bei früheren Projekten beteiligen sich nun alle großen Plattenfirmen an der musikalischen Handy-Flatrate. "Die Hörer interessiert es bei ihrer Musikauswahl nicht, bei wem ein Künstler unter Vertrag steht. Er will die gesamte Auswahl haben, sonst ist er enttäuscht", meint Briegmann. Darum sei es ein positiver Schritt, dass alle dabei sind. Auch sonst ist der Musikmanager neuen Wegen gegenüber aufgeschlossen. "Wenn uns ein neues, interaktives Projekt überzeugt, aber das Startkapital fehlt, ist es vorstellbar, dass wir als Stakeholder einsteigen", sagt er.

Das Geschäft wächst

Das kommerzielle Musikgeschäft im Internet beginnt sich für die Plattenfirmen zu lohnen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden laut Media Control 22,3 Millionen Songs und Alben legal aus dem Netz gezogen, das sind über 32 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2007. Vor allem bei Musik-Flatrates, wie sie von den Downloadplattformen Napster und Musicload angeboten werden, verdienen die Labels an den Abo-Gebühren mit.

Und selbst wenn der Endverbraucher selbst nichts zahlen muss, kassiert die Musikindustrie. Wer zum Beispiel bei den mächtigen Videoportalen YouTube oder MySpace-Music den Clip eines bekannten Künstlers anklickt, kann sicher sein, dass die Labels im Hintergrund die Lizenzgebühren einstreichen.

© SZ vom 10.10.2008/kim/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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