Museum für Moderne Kunst:Fließende Grenzen

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Verspielter Dreiecksbau: Von außen sieht das Museum für Moderne Kunst wie ein Tortenstück aus. (Foto: imago stock&people)

Tortenstück sagen die Frankfurter zu dem Haus, dessen Name ohnehin in die Irre führt: Denn gezeigt wird vor allem Zeitgenössisches - mit Lust am Polarisieren.

Von Sandra Danicke

Eine Architektur wie diese hat man noch nicht gesehen. Um eine weitläufige zentrale Halle gruppieren sich axial fast vierzig Räume, die - bedingt durch den dreieckigen Grundriss - vom Wiener Architekten Hans Hollein individuell gestaltet wurden. Es geht treppauf, treppab. In kleine Kammern und Kabinette, die eine intime Betrachtung ermöglichen. Oft scheint es, als sei der jeweilige Raum genau auf das darin gezeigte Werk abgestimmt. Tatsächlich ist es aber oft umgekehrt, denn viele der Künstler entwarfen ihre Werke eigens für das Museum für Moderne Kunst (MMK).

Heute erscheint es ein wenig so, als sei der Name des Hauses, das die Frankfurter auch gerne Tortenstück nennen, falsch gewählt. Fast immer ist es zeitgenössische Kunst, die hier gesammelt und gezeigt wird, die klassische Moderne ist eindeutig in der Minderheit. Wobei die Grenzen naturgemäß fließend sind: Was zur Eröffnung des Hauses 1991 noch revolutionär und aufregend wirkte - etwa Hanne Darbovens akribische Notate, die als Serien ganze Wände bedecken, gehört heute längst zu den Klassikern.

Zu Beginn lag der Fokus des MMK übrigens auf der Pop und Minimal Art. Bereits 1981 hatte die Stadt Frankfurt Werke aus der Sammlung des Darmstädter Unternehmers Karl Ströher für das Museum erworben, darunter Gemälde von Roy Lichtenstein und Andy Warhol. Claes Oldenburgs raffiniert verzerrtes "Bedroom Ensemble" von 1969 hat bis heute einen festen Stammplatz im Haus. Wegweisende Objekte von Minimal-Art-Künstlern wie Donald Judd oder Carl Andre sowie Werkgruppen deutscher Künstlerstars wie Gerhard Richter und Blinky Palermo kamen ins Haus. Unter der Interimsleitung von Peter Iden kam Joseph Beuys' archaisch anmutender "Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch" in die Sammlung. Maßgeblich war es jedoch Jean-Christophe Ammann, der das Museum ab 1989 zu einem der aufregenden Hot-spots für zeitgenössische Kunst ausbaute. Sein Faible für erotisch konnotierte Werke, etwa von Nobuyoshi Araki oder Larry Clark, war manchen Kritikern damals zwar genauso suspekt wie Ammanns Ankäufe blutjunger Künstler, die zuweilen nicht einmal fertig studiert hatten. Sein Weitblick zeigte sich jedoch bei Künstlern wie Andreas Slominski, Martin Honert, Rosemarie Trockel oder Charlotte Posenenske. Mit seiner Art, die Kunst zu betrachten, hat der Schweizer Kurator stets polarisiert. Dass er zum Beispiel Benetton-Plakate im Museum präsentiert hat, schockierte seinerzeit diverse Betrachter. Dass der Museumsdirektor sein Haus als Laufsteg für Karl Lagerfeld zur Verfügung gestellt hat oder zu Werbezwecken einen gigantischen Joghurtbecher an der Fassade anbringen ließ, taugte in den Neunzigern noch zum Skandal.

Unter Ammanns Nachfolger Udo Kittelmann (heute Direktor der Nationalgalerie in Berlin) gelangten ab 2002 nicht nur markante Installationen wie das Schlafzimmer von David Reed ("Judy's Bedroom"), Gregor Schneiders Schaufenster-Installation "N. Schmidt" und eine schrille Licht-Schuss-Arbeit von Tania Bruguera ins Haus. Kittelmann konnte auch einen Teil der Sammlung des Kölners Rolf Ricke für das Museum sichern und damit bedeutende Arbeiten vorwiegend amerikanischer Künstler an den Main holen.

Immer wieder sorgte Kittelmann mit spektakulären Ausstellungen für Furore, etwa 2004 mit einer Schau der mexikanischen Künstlerin Teresa Margolles, die Betonobjekte, Seifenblasen und sogar Luft mit Leichenwaschwasser aus der Autopsie anreicherte. Noch im selben Jahr eröffnete "The Brutal Truth", eine umfangreiche Werkschau der amerikanischen Künstlerin Elaine Sturtevant, die seit 1964 Werke berühmter Künstlerkollegen originalgetreu wiederholt hat. Für die Arbeiten der Künstlerin wurde erstmals das gesamte Haus leergeräumt.

Unter der Leitung von Susanne Gaensheimer kamen seit 2009 Auftragsarbeiten von Konzeptkünstlern wie Cerith Wyn Evans oder Fotografien von Juergen Teller ins MMK. Auch für sie sind die Grenzen zwischen den Disziplinen fließend, ob es um Modedesign von Kostas Murkudis geht oder um Rauminstallationen des Choreografen und Tänzers William Forsythe, die ursprünglich als Bühnenbilder konzipiert waren. Gaensheimer gelang es schließlich, 2014 dem MMK eine neue Dependance im Taunus-Turm zu verschaffen.

Heute umfasst die Sammlung des MMK mehr als 5000 Werke. Regelmäßig werden auch Ausstellungen zeitgenössischer Künstler gezeigt. Nicht jeder davon ist vorher berühmt. Hinterher oft schon.

Die nächste Schau "Corpsing" (3. Februar bis 14. Mai) zeigt Werke des britischen Video-künstlers Ed Atkins.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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