Münchner Seminare:Ökonomie des Austritts

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Patrick Minford zeichnet ein rosiges Bild vom Brexit.

Von Max Ferstl, München

Fast alle Menschen, die etwas von Wirtschaft verstehen, reden über den Brexit wie über einen anstehenden Zahnarztbesuch: Die Unternehmen werden unter dem Brexit leiden, heißt es. Unklar ist nur die Intensität des zu erwartenden Schmerzes, die vor allem davon abhängt, ob sich Großbritannien und die Europäische Union doch noch zu einer gütlichen Einigung durchringen können. So oder so, beide Parteien werden später jammern, das gilt als gesichert.

Es ist fast unmöglich, einen Wissenschaftler zu finden, der nicht vor den wirtschaftlichen Komplikationen des Brexit warnt - außer man kennt Patrick Minford, Professor für angewandte Ökonomie an der Cardiff University. Minford, 75, redet über den Brexit wie über einen anstehenden Wellnessurlaub: Großbritannien werde gestärkt aus der Trennung hervorgehen, das Bruttoinlandsprodukt werde wachsen, die Preise sinken. "Großbritannien geht es außerhalb der EU besser", sagt Minford bei der Vortragsreihe "Münchner Seminare", die das Ifo Institut und die Süddeutschen Zeitung organisieren.

Minford hat von Beginn an für den Brexit geworben, seitdem arbeitet er sich an sämtlichen Pessimisten ab, die düstere Prognosen stellen. Ohne Grund, wie er glaubt. Sobald Großbritannien den europäischen Binnenmarkt verlässt, könne es Freihandelsabkommen mit allen Ländern abschließen, von Japan bis Amerika. Die Briten hätten dann eine viel größere Auswahl, was die Preise auf Weltmarktniveau sinken lassen würde. Die EU-Länder müssten ihre Waren dann ebenfalls günstig anbieten, "sonst würden sie nichts verkaufen", sagt Minford. Also selbst wenn Europa Zölle auf den Handel mit Großbritannien erheben wollten - sie könnten es nicht.

Es gibt kein Problem, das Minford als solches gelten lässt. Auch nicht die drohenden Kontrollen an den Grenzen. Gerade auf der irischen Insel will niemand eine harte Grenze, weil sie den fragilen Frieden gefährden könnte. Minford wischt die Bedenken beiseite: Die moderne Grenze nehme man kaum wahr. "Die meisten Produkte werden vorab überprüft."

Auch ein harter Brexit: Kein Problem, es würden eben die Regeln der Welthandelsorganisation gelten. "Er klingt wie Boris Johnson", murmelt ein Herr in der zweiten Reihe. Johnson, der ehemalige britische Außenminister, steht im Verdacht, die Konsequenzen des Brexit etwas zu optimistisch zu betrachten. Aber Minford hat alles berechnet: Um vier Prozent werde das Bruttoinlandsprodukt durch freien Handel zulegen. Weitere zwei Prozent kämen hinzu, weil lästige EU-Regularien wegfallen, gerade im Finanzsektor. Auch müsste man nicht mehr in den EU-Haushalt einzahlen. Macht insgesamt: 6,8 Prozent Wachstum, ein Plus von 135 Milliarden Pfund.

Wer Minford zuhört, fragt sich, wie es Großbritannien so lange in der EU ausgehalten hat. Und warum das britische Finanzministerium davon ausgeht, dass das Bruttoinlandsprodukt um vier Prozent schrumpfen wird, selbst im Fall einer Einigung. "Sie unterschätzen die Effekte von freiem Handel", glaubt Minford. Von der neuen Ordnung würde übrigens auch die EU profitieren, Konkurrenz belebe ja das Geschäft. Eigentlich ein schöner Gedanke: Das gegenwärtige Brexit-Chaos löst sich in einer Win-win-Situation auf. Vorausgesetzt, fast alle irren sich.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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