Müllverwertung:Der Grüne Punkt soll in den Ofen

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Der "Grüne Punkt" erhitzt die Gemüter: Wirtschaftsminister Glos will ihn "grundlegend überarbeiten", was die Grünen skeptisch macht: Glos rede lediglich der Verbrennung das Wort.

Was waren die Deutschen stolz. Als Anfang der 90er Jahre die Gelbe Tonne eingeführt wurde, lobten nicht nur Politiker den Anbruch einer neuen Ära, in der "Müll" zu Wertstoff werden sollte.

Auch der gemeine Bürger fieberte. Seitdem werden Joghurtbecher, Fischdosen und Erbsenbüchsen gespült und der Abfall treusorgend auf ein halbes Dutzend Behälter in Küche und Kammer verteilt.

Und nun soll alles vorbei sein? Der Grüne Punkt und die Gelbe Tonne stehen in der Kritik. Vor allem das Bundeswirtschaftsministerium artikuliert Unzufriedenheit.

Wirtschaftsminister Glos ist für eine grundsätzliche Überprüfung des bisherigen Systems von Grünem Punkt und Gelber Tonne in der nächsten Legislaturperiode, wie sein Ministerium am Montag bestätigt hatte.

Die Umweltexpertin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, die den Verordnungsentwurf selbst bereits als unzureichend kritisiert hat, wies Glos' Vorstoß zurück. "Es reicht bei weitem nicht, nur den Gelben Sack 'in die Tonne' zu treten", betonte sie.

Wenn Glos der Verbrennung das Wort rede, zeige das, dass er von Kreislaufwirtschaft nichts verstanden habe.

Auch der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft BDE reagierte mit "Unverständnis und Befremden" auf Glos Erwägungen.

"Nicht mehr zeitgemäß"

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks mäkelt hingegen, der Grüne Punkt sei nicht mehr zeitgemäß.

Und sogar das Duale System Deutschland (DSD) selbst, der Mutterkonzern des Grünen Punkts, befürchtet den eigenen Kollaps.

Am Mittwoch soll das System in einer Expertenanhörung des Deutschen Bundestags auf Herz und Nieren geprüft werden.

Anlass ist die geplante neue Verpackungsverordnung, die aber angesichts der oft sehr grundsätzlichen Kritik an der Gelben Tonne harmlos aussieht.

"Für die Verbraucher ändert sich nichts", versichert Umweltminister Sigmar Gabriel. Verpackungen sollen auch künftig in die Gelbe Tonne, mit dem Ziel der Verwertung. Der "Restmüll" soll weiter in die graue Tonne.

Für die Entsorgung zur Kasse gebeten werden

Neu ist, dass wirklich jeder Händler oder Hersteller, der Verkaufsverpackungen in Umlauf bringt, für die Entsorgung zur Kasse gebeten werden soll.

Denn nach Angaben der Bundesregierung verabschieden sich immer mehr Firmen aus dem System. Ursprünglich zahlte fast jeder Hersteller oder Händler eine Lizenzgebühr an das Duale System Deutschland.

Dafür druckten sie den Grünen Punkt auf ihre Verpackungen, und um die Entsorgung kümmerte sich das DSD. Seit 2003 bieten allerdings Konkurrenten des DSD wie Interseroh oder Landbell einzelnen Firmen "Selbstentsorger"-Konzepte an, also den Ausstieg aus dem Grünen Punkt.

Für rund 24 Prozent der Verpackungen im Umlauf wird nach Angaben der Bundesregierung inzwischen gar nicht mehr bezahlt.

Gabriel spricht von "Trittbrettfahrern" und "Totalverweigerern", denen nun mit der Novelle der Verordnung die Lizenzgebühr abgeknöpft werden soll. Erstmals einbezogen werden sollen zudem Bäckertüten und Metzgerpapier.

Unterfinanzierung

Voller Freude reagierte deshalb das DSD auf Gabriels Entwurf, den das Kabinett Mitte September billigte. Denn: "Dem bewährten System droht durch Unterfinanzierung der Kollaps" - spätestens 2009, wenn die Novelle nicht schnell greife.

Alle Bemühungen des DSD, Unrat ohne den Grünen Punkt aus der Gelben Tonne fern zu halten, haben wenig gefruchtet. Nach Erhebungen einzelner Bundesländer sollen 40 bis 60 Prozent des Abfalls in der Gelben Tonne dort nicht hinein gehören.

Andererseits sollen auch in der grauen Tonne bis zu 50 Prozent "Wertstoffe" landen, wie die Bundesregierung unter Berufung auf eine Untersuchung in Bayern berichtet.

In der Nation der überzeugten Mülltrenner, wo laut Umfragen mehr als 90 Prozent im Recycling einen Beitrag zum Umweltschutz sehen, macht sich offenkundig Verwirrung breit. Von "Fehlwürfen" ist die Rede.

Da "stimmt etwas im System nicht"

"Wenn nach 16 Jahren immer noch Unsicherheiten bestehen, welche Verpackungen welcher Tonne zuzuordnen sind, stimmt etwas im System nicht", findet Wirtschafts-Staatssekretär Bernd Pfaffenbach.

"Letztlich sollte die Entsorgung grundsätzlich dem Wettbewerb überlassen bleiben. Neue Sortier- und Verwertungstechniken werfen zudem die Frage auf, ob es nicht einfacher und billiger geht."

Die Mülltrennung künftig allein High-Tech-Sortieranlagen zu überlassen, hält aber nicht nur Umweltminister Gabriel für völlig unrealistisch. Die Rückkehr zu nur einer Mülltonne werde es nicht geben, betont ein Sprecher seines Ministeriums.

So sieht das auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerd Friedrich Bollmann, Berichterstatter für die Verpackungsverordnung. "Wir sind im Moment eindeutig für die Getrenntsammlung", sagt Bollmann.

Andere Art der Trennung

Für denkbar halten allerdings beide eine neue Mischung in den Tonnen oder vielmehr: eine andere Art der Trennung. Statt nach Verpackung oder Nicht-Verpackung zu unterscheiden, könnte man nach dem Material gehen. "Wertstofftonne", heißt das Zauberwort.

Dort hinein dürften auch Spielzeugteile aus Plastik oder kleine Elektrogeräte. In Leipzig wurde die "Gelbe Tonne Plus" bereits getestet - mit Erfolg, wie das DSD in einer Zwischenbilanz erklärte.

Deshalb rechnet auch Bollmann nach der anstehenden fünften Novelle der Verpackungsverordnung bereits jetzt mit einer sechsten. Dann dürfte es etwas grundsätzlicher werden.

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