Motorsport in Le Mans:Der Dompteur im Rennzirkus

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Wolfgang Ullrich ist Motorsportchef bei Audi. An diesem Wochenende geht es für ihn wieder um den Sieg in Le Mans - und um das Polieren des Markenimages.

Michael Kuntz

Wahrscheinlich muss man Ruhe und Ausgeglichenheit ausstrahlen, wenn man im Rennsportzirkus erfolgreich sein will wie Wolfgang Ullrich, 56. Wahrscheinlich muss man souverän sein und einen kühlen Kopf bewahren als Motorsportchef bei Audi - in einem Geschäft, wo Erfolg und Misserfolg nur Bruchteile von Sekunden auseinanderliegen.

Wahrscheinlich ist es besser, erst abzuwägen und dann sorgfältig zu formulieren - schließlich ähnelt sein Job dem eines Fußballtrainers in der Bundesliga.

Siege sind dabei nicht alles: Ein falsches Wort, und alles ist vorbei. Mit einer Verweildauer von nahezu 15 Jahren beim gleichen Arbeitgeber ist Wolfgang Ullrich jedenfalls in dieser Hinsicht eindeutig einer der erfolgreichsten Manager des Autorennsports.

Da spielt anderes nur eine Rolle am Rande: Wahrscheinlich ist es nicht unbedingt ein Nachteil, im Volkswagen-Konzern des österreichischen Ingenieurs Ferdinand Piëch ein österreichischer Ingenieur zu sein.

"Ich fahre nämlich nicht gerne so oft zum Tanken''

Und bedeutungsvoll selbst Banales verkünden zu können, wie etwa: "Ich fahre nämlich nicht gerne so oft zum Tanken.'' Das ist eine feinsinnige Anspielung auf den bisher größten Erfolg in der Karriere des promovierten Maschinenbauers: den ersten Sieg mit einem Dieselauto bei den 24 Stunden von Le Mans im vorigen Jahr.

Bis zu 16 Runden schaffte der Audi mit einer Tankfüllung. An diesem Wochenende muss Ullrich diesen Titel gegen die neue Dieselkonkurrenz durch den Peugeot 908 verteidigen - und gegen die anderen Teams mit konventionellen Rennmotoren.

Der Mythos

Le Mans ist für Ullrich "eines der wenigen Rennen mit einem Mythos dahinter''. Marken wie Ferrari oder Bentley haben sich durch Siege hier erst ihre großen Namen erarbeitet.

Das Besondere ist nicht nur der mit 13,6 Kilometern außergewöhnlich lange Rundkurs, sondern auch, dass es keine permanente Rennstrecke gibt. Die Fahrt geht teilweise über abgesperrte Fahrbahnen, die rund ums Jahr als Landstraßen jedermann zugänglich sind.

Zudem starten 55 Teams in vier Leistungsklassen gleichzeitig. In Le Mans wird eine komplette Formel-1-Saison im Zeitraffertempo abgespult - mit demselben Auto, Motor, Getriebe. Für die Techniker "eine ganz besondere Herausforderung''.

Doch Audi wollte noch mehr. Ullrich wollte mit einem Diesel nach Le Mans gehen, "um zu zeigen, dass der Dieselmotor auch dieses Tüpfelchen Sportlichkeit in sich hat, das man ihm ja manchmal abzusprechen versucht''. Der erste Triumph eines Dieselsportwagens macht Le Mans für Audi zum wichtigsten Rennen für Marke und Technologieführerschaft.

Um beides stand es nicht eben gut, als der gebürtige Wiener im November 1993 als Leiter der Abteilung Sport- und Sonderentwicklungen zu Audi kam und sozusagen der Dompteur im Rennzirkus wurde.

"Vorsprung durch Technik''

Zuvor hatte er für Porsche und den Abgas-Spezialisten H. Gillet GmbH & Co. KG gearbeitet. Audi kämpfte damals noch gegen sein Image, ein Autohersteller für den weniger sportlichen Herrn zu sein, obwohl mit dem Vierradantrieb, dem Leichtbau mit Aluminiumteilen und Einspritzanlagen für die Motoren schon das begonnen hatte, was der Werbeslogan "Vorsprung durch Technik'' versprach.

Da passte eine Beteiligung am Motorsport in die Strategie. So ist die Karriere des Sportchefs Ullrich eng verknüpft mit dem Wandel von Audi weg vom Hosenträger-Image hin zum ernstzunehmenden Wettbewerber von BMW.

Anders als die Konkurrenz engagierte sich Audi bislang aber nicht bei der Formel 1. Die Kostenrechner in Wolfsburg und Ingolstadt dürfte das wohl freuen - auch wenn kein Hersteller sich offiziell zum Aufwand für den Motorsport äußert, auch Audi nicht.

Doch lässt sich einiges erahnen: Toyota etwa beschäftigt in seiner Formel-1-Fabrik in Köln 750 Leute, also etwa fünf Mal so viele wie Audi, wo man sich auf die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft, die nordamerikanische Le-Mans-Serie mit ihren zwölf Rennen und den Klassiker in Nordfrankreich konzentriert. Seit dem Jahr 2000 ist Audi die Marke, die es in Le Mans zu schlagen gilt.

Ist die Rumraserei im Kreis eigentlich noch zeitgemäß? Wolfgang Ullrich holt tief Luft und bleibt ganz ruhig: "Motorsport ist bei Audi für das Markenimage ein sehr wichtiger Faktor. Solange man mit den Erfolgen für die Marke etwas tun kann, macht das auch Sinn.'' Der Dieselmotor in Le Mans sei ein deutliches Zeichen dafür, "im Rahmen der Möglichkeiten den Rennsport dem gesteigerten Bewusstsein für die Umwelt anzupassen''.

Wird eine Serie so vieler Siege nicht langweilig? Keineswegs, kontert Ullrich: "Wenn Bayern München die Champions League gewinnt, ist das kein Grund, bei der nächsten nicht dabei sein zu wollen.''

© SZ vom 16.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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