Moskitos:Big Busssssiness

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Mit dem feuchten Sommer und dem Zika-Virus stieg die Angst vor Mücken. Die Firma Saltigo bietet da Hilfe an.

Von Varinia Bernau, Leverkusen

Auf Shampoo, das nach Pfirsich duftet, sollte man eher verzichten, wenn man sich Mücken vom Leib halten will. Denn Mücken, betont Beate Tombeux, werden nicht durch das Licht angelockt. Sondern durch Gerüche. "Es ist eine Art Duft-Cocktail: aus Schweiß, Kohlendioxid und etwa 40 Arten von Mikrobakterien auf der Haut." Und Düfte mit einer Pfirsichnote können die Blutsauger besonders betören.

Die Chemielaborantin beschäftigt sich seit fast zwanzig Jahren mit der Frage, wie man sich vor Mücken schützen kann. Weil die surrenden Biester nicht nur nervig sind, sondern zu einer immer größeren Gefahr für die Gesundheit werden, hat Tombeux gerade gut zu tun. Ihr Labor in Leverkusen gehört zu Saltigo. Das Unternehmen ist eines der wenigen weltweit, die einen chemischen Wirkstoff zur Mückenabwehr herstellen. Den Namen, unter dem dieser vermarktet wird, Saltidin, kennen nur wenige. Bekannt sind oft nur die Namen der Mückenschutzmittel aus Drogerien und Apotheken: Autan oder Antibrumm, Mosquito oder Nobite.

Ende vergangenen Jahres aber empfahlen Menschen in Internetforen erstmals Saltidin, erzählt Saltigo-Chef Torsten Derr. Es waren Schwangere in Brasilien, auf der Suche nach einem Mittel, mit dem sie sich vor Mücken und dem dort grassierenden Zika-Virus schützen könnten - ohne sich und ihr Ungeborenes gefährlichen Nebenwirkungen auszusetzen. "Wir erwarten für dieses Jahr eine mehr als doppelt so hohe Nachfrage wie im vergangenen Jahr. Und wir gehen davon aus, dass dieses hohe Level bis ins nächste Jahr hinein anhält", sagt Derr. Die Schlagzeilen über den Zika-Virus haben das Geschäft von Saltigo kräftig angekurbelt.

Ätherische Öle schneiden in Tests zur Wirksamkeit von Mückenschutzmitteln nicht sonderlich gut ab. Vor allem dort, wo Mücken Malaria, Gelbfieber oder eben das Zika-Virus übertragen, empfehlen Gesundheitsbehörden chemische Produkte. Der bekannteste Wirkstoff ist Deet. Er wurde vom US-Militär entwickelt. Es ist eine ziemlich heftige Keule. Wer sich ein Spray mit Deet auf den Körper sprüht, muss damit rechnen, dass auch mal das Plastikarmband der Uhr oder die Kleidung Schaden nimmt. Und womöglich noch mehr: Der Wirkstoff dringt über die Haut ins Blut, kann zu einem Kribbeln oder gar zu Nervenschäden führen.

Moskito im Fokus: Auch in Europa machen sich langsam die Überbringer gefährlicher Krankheiten breit. (Foto: mauritius images)

Saltidin hingegen wehrt Blutsauger ebenso verlässlich ab, ist aber deutlich milder. Deshalb empfahlen Schwangere in Brasilien einander Apotheken, die noch Mückenschutzmittel mit diesem Wirkstoff führten.

Entwickelt wurde Saltidin in den Achtzigerjahren unter dem Dach von Bayer. 1998 tauschte der Konzern in seinen Anti-Mücken-Produkten Autan den harten Wirkstoff Deet weitgehend gegen das sanftere Saltidin. 2002 kaufte das familiengeführte US-Unternehmen SC Johnson, hierzulande für die Möbelpflegemittel Pronto oder die WC-Ente bekannt, von Bayer das Geschäft mit Haushaltsinsektiziden und Insektenschutzmitteln. Und damit auch Autan. Die Amerikaner machten aber einen Fehler: Sie sicherten sich nicht die Rechte am Wirkstoff Saltidin. Und so stellt Saltigo, eine Tochter des Lanxess-Konzern, in den Bayer 2004 große Teile seines Chemiegeschäftes auslagerte, den Wirkstoff nach wie vor als einziges Unternehmen auf der Welt her. Es beliefert damit jene Hersteller, die ihn in Lotionen, Wachsstiften oder Sprays verarbeiten.

Sie haben, so erzählt Tombeux, auch schon Tests mit Schaben und Ameisen gemacht. Auf der einen Seite die Insekten, auf der anderen Futter, dazwischen: eine Linie mit dem Wirkstoff Saltidin. "Sieben Tage lang haben die sich kein Futter geholt", sagt die Chemikerin. Es könnten sich eines Tages also auch Hersteller von Putzmitteln für den Wirkstoff interessieren. Bislang sind es neben jenen, die die eigene Haut gegen Mücken abschirmen wollen, Züchter von Rindern, die das spätere Leder, oder Reiter, die ihre Pferde schützen.

Etwa 10 000 Tonnen an chemischen Wirkstoffen fließen Schätzungen zufolge weltweit jedes Jahr in die Abwehrmittel gegen Mücken. Allein an deutsche Apotheken wurden im vergangenen Jahr Mittel im Wert von 13,5 Millionen Euro ausgeliefert; wie viel noch einmal als preiswertere Produkte in Drogeriemärkten landete, wird nicht erfasst. Produkte mit Saltidin sind in etwa 40 Ländern zugelassen. Brasilien, sagt Derr, sei bis vor kurzem kein nennenswerter Markt für Saltidin gewesen. Mit der Ausbreitung des Zika-Virus hat sich das geändert. Im Werk in Dormagen haben sie die Produktionskapazität in diesem Jahr ausgebaut, eine zusätzliche Anlage in Leverkusen in Betrieb genommen.

In den USA benutzt jeder zweite Haushalt ein Mückenmittel, rechnet Derr vor. Die Deutschen liegen deutlich darunter. Hierzulande denken die meisten, wenn sie in die Natur gehen, noch nicht daran, sich mit einem Schutzmittel einzusprühen. Aber Derr glaubt, dass sich das ändert: Mit dem Klimawandel wandern die Insekten, die gefährliche Krankheiten übertragen, vom Süden immer weiter gen Norden. Die Globalisierung tut ein Übriges: So hat sich der Tigermoskito, eine aus den Tropen stammende Mückenart, die Dengue und andere Krankheiten überträgt, bereits in Italien ausgebreitet. Eingereist ist er vermutlich per Schiff in gebrauchten Autoreifen, in die Weibchen ihre Eier abgelegt hatten. Nun kommt der Tigermoskito als blinder Passagier mit Lkws über den Brenner - am Rhein wurde er bereits gesichtet.

"Das Wissen um das Ozonloch und die schädliche Wirkung von zu viel Sonne hat die Menschen auch dazu gebracht, sich mit Sonnenmilch einzucremen", sagt Derr. Das, was das Ozonloch für die Hersteller von Sonnencreme war, das könnte die Sorge vor dem Tigermoskito und anderen Blutsaugern nun für Saltigo werden.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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