Montag wird Schmidt-Tag:Late Night bis der Arzt kommt

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Harald Schmidt hält nichts von Arbeitszeit-Verkürzung: Zukünftig gilt für den Sat1-Star die Fünf-Tage-Woche. Selbst Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust gab Schmidt seinen Segen — und seinen angestammten Sendeplatz.

Christopher Keil

(SZ vom 04.06.2003) — Bei Harald Schmidt ist es nun mal so, dass Harald Schmidt das Ereignis ist. Und deshalb kann man sich auch darauf verlassen, dass auf einer so genannten Pressekonferenz recht bald viel gelacht wird. Beispielsweise über Journalisten in kurzen Hosen, die Fragen mit "Ich bin da nicht ganz vorbereitet" beginnen.

Freut sich auf die Mehrarbeit: Harald Schmidt. (Foto: dpa)

Dass da Journalisten über einen Journalisten lachten am Dienstag in Berlin, wird Harald Schmidt großartig gefunden haben. Er hat mal bei der Telemesse in Düsseldorf die Mediaplanerinnern als "Pradaschlampen" begrüßt: Also jene Damen, die das Geld ihrer Kunden in Fernsehwerbezeit investieren. Verkaufte Werbezeit ist das Öl der Television. Doch am meisten haben sich die Pradaschlampen über "Pradaschlampen" gefreut.

"Aus Liebe zu Deutschland"

Folglich war es nur eine Frage der Jahre, bis Harald Schmidt das ganze Land auf seine Seite brachte. Oder wenigstens durchschnittlich 1,4 Millionen Menschen des ganzen Landes in den ersten fünf Monaten 2003. So viele waren es noch nie. Folglich wird Schmidt bald auch montags um 23.15 Uhr auf Sendung gehen, erstmals am 30. Juni. Bei Sat1 nennt man das Einführung der Fünf-Tage-Woche. Schmidt sagte: "Aus Liebe zu Deutschland."

Und Stefan Aust sagte: "Ja." Was hat Aust, der Spiegel-Chefredakteur, nun wieder mit Harald Schmidt zu tun? Künftig vielleicht mehr als je zuvor, und Focus, bislang das Magazin, für das Schmidt noch regelmäßig seine Kolumnen meißelt, wird schon erkennen, was passiert.

Denn um Schmidts Late Night Show montags um 23.15 Uhr abzustrahlen, musste sich Sat1 mit Aust einigen. Bislang war Montag zwischen 23 und 23.30 Uhr die Spiegel TV-Reportage zu sehen. Künftig wird das Magazin zwischen 22.45 und 23.15 Uhr angeboten. Aust oder Spiegel TV, sagte Martin Hoffmann, seien nicht bezahlt worden, der Vorverlegung zuzustimmen. Das kam bei den Journalisten gut an.

Hoffmann, der Sat1-Geschäftsführer, ist der eigentliche Montagssieger. Sat1 hat in den vergangenen Monaten enorm zugelegt. Neue Formate und Programmierungen haben den Familiensender in der allgemeinen Branchenkrise zwar nicht zu RTL aufschließen lassen, aber nach vorne gebracht.

Der Vorabend ist augenblicklich Sat1-dominiert, in der schwächeren Primetime werden Lösungen gesucht, am Ende des Tages steht Schmidt und breitet die Arme aus: Seid umschlungen zu Hunderttausenden. Genau genommen sind das zwar nicht die Zuwächse, von denen Sat1 plötzlich bequem leben könnte. Doch es sind Zuwächse. Harald Schmidt ist etabliert, nicht nur im Feuilleton, sondern auch beim Mitternachtspublikum.

In ewiger Treue zu Sat1

Begonnen hatte das Humorexperiment im Dezember 1995 mit Polenwitzen, Boykottaufrufen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und empörten Briefen sämtlicher Landsmannschaften. Inzwischen hält auch der ARD-Vorsitzende Jobst Plog viel von der Schmidt-Kultur. Sein Interesse muss sich in etwa - und ohne Gewähr - so dargestellt haben: "Ich versuch' Sie mal in Saarbrücken auf die U-Sitzung zu bringen."

U steht jedenfalls für Unterhaltung und ist öffentlich-rechtlich ausgedrückt wirklich nicht sehr viel größer als ein U. Die Zukunft von Harald Schmidt wird sich damit genau so gestalten, wie Harald Schmidt das immer gesagt hat: Late Night bis der Arzt kommt, worauf er sich als Hypochonder höchst wahrscheinlich freut.

Seine Vorbilder sind genannt: Johnny Carson, David Letterman und Jay Leno, zusammen fast 70 Jahre Late Night. Die Treue zu Sat1 hat er wieder betont ("Die haben es mit Fred Kogel durchgezogen, und wenn Sat1 das nicht mehr macht, ist Feierabend"), und den Montag hat er immer gewollt: "als Möglichkeit, von zuhause wegzukommen".

Betroffen ist von der Änderung vor allem Reinhold Beckmann ("Montag ist Spiegel-Tag und Beckmann-Tag. Jetzt ist Montag auch noch Schmidt-Tag. Nicht schlecht."), der ebenfalls Montagabend ab 23 Uhr talkt. Man fragt sich, warum Sat1 erst jetzt den Sendeplatz räumt für Schmidt? Weil der Sendeplatz erst mit alter Konfektionsware freigesendet werden musste. Momentan läuft die vierte Wiederholung irgendeiner Helicops-Staffel. Und mit den Helicops verschwindet wieder ein Stück Kirch.

Harald Schmidt sprach irgendwann in gutem österreichischen Dialekt zu den Journalisten in Berlin. Es ging um seine Sendung. Er wechselte ins Hochdeutsche, und man verstand: "Zwei, Drei haben angerufen, und um Gnade für ihre Lebensgefährtin gebeten." Alle lachten. Wen meinte er?

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