Modewoche:Mailand, Paris, Frankfurt

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Frankfurt hat die drittgrößte Messe der Welt und von Juli 2021 an auch eine Fashion Week, die Stadt und die gesamte Region sollen davon profitieren. (Foto: Jens Kalaene/picture alliance/dpa)

Mit Mode brachte man Frankfurt bislang selten in Verbindung. Das wird sich schon bald ändern.

Von Katharina Wetzel, München

Selbst für Branchenkenner kam die Nachricht überraschend. Im Sommer 2021 findet in Frankfurt erstmals eine Modewoche statt. Danach soll sie zwei Mal im Jahr, im Januar und Juli, zum Anziehungspunkt für Einkäufer und Modefachleute aus aller Welt werden. Die Berliner Modemessen Premium und Seek der Premium-Gruppe ziehen dafür nach fast 20 Jahren von Berlin nach Frankfurt. Für die Messegesellschaft Frankfurt ist dies ein Schachzug, sie nimmt künftig bei der Modewoche eine führende Rolle ein und kann ihre Messe Neonyt für nachhaltige Mode am eigenen Standort austragen.

Zehn Millionen Euro investiert die Stadt Frankfurt in den kommenden drei Jahren, wie der Frankfurter Stadtkämmerer Uwe Becker (CDU) bei einer Onlinepressekonferenz vergangene Woche bekannt gab. Das Geld soll dafür verwendet werden, Frankfurt als internationale Mode- und Lifestylemetropole zu etablieren. Mehr als 2000 Modelabels und 140 000 Besucher werden zur Frankfurt Fashion Week erwartet. Peter Feldmann, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, rechnet damit, dass die Modewoche einen indirekten Nutzen im Wert von mehr als 200 Millionen Euro für die Stadt und die Region erbringt. Das ist höchst willkommen, nachdem man zuletzt den Wegzug der Automesse IAA nach München zu beklagen hatte.

Für die Messe ist die Fashion Week Frankfurt ein Coup

"Durch die Frankfurt Fashion Week wird die Stadt enorm an Attraktivität gewinnen", sagt Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Braun ist neben Premium-Gründerin Anita Tillmann Initiator der Frankfurter Modewoche. Beide kennen sich schon seit den Neunzigern.

Für die Messe Frankfurt ist die Modewoche ein logischer Schritt. Denn dass ihre mit circa 210 Modelabels relativ kleine, aber prestigeträchtige Messe Neonyt bisher in Berlin stattfand, muss doch geschmerzt haben. Über Monate hinweg haben Braun und Tillmann vertrauliche Gespräche geführt, und auch die Stadt Frankfurt und das Land Hessen involviert. Vor 14 Tagen hätten Clarion Events und Blackstone, Investor der Premium Gruppe, sich dann für Frankfurt entschieden. Die Frage, ob die Messe Frankfurt die Premium künftig übernehme, stelle sich derzeit nicht, sagt Braun. "Wir werden unsere Kräfte bündeln, um auch weiterhin relevant und wettbewerbsfähig zu sein", sagt Anita Tillmann, Geschäftsführerin der Premium-Gruppe, die in der Kooperation mit der Frankfurter Messe viele Vorteile sieht. Gemessen am Umsatz steht der Messeplatz weltweit an Stelle drei, die Modewoche soll von der zentralen Lage, der guten Verkehrsanbindung durch den internationalen Flughafen und von kurzen Wege profitieren.

"Der Ruf der Branche nach einer Location war sehr groß", erklärt Tillmann. Früher sei es sehr schick gewesen von einer Location zur anderen zu fahren. "Dies ist abgelöst worden von einem neuen Pragmatismus, um Geschäfte zu machen." Die Einkäufer sind es leid, von einem Termin zum anderen quer durch die Stadt zu jagen. Künftig ist das Messegelände Dreh- und Angelpunkt. "Wir werden als Messe nicht subventioniert, wir mieten uns ein und haben bei der Messe Frankfurt einen langfristigen Mietvertrag unterzeichnet", stellt Tillmann klar, die noch zehn Prozent an der Premium-Gruppe hält.

Die Messe Frankfurt generiert künftig zusätzlichen Umsatz durch die Veranstaltungen Neonyt, Seek und Premium und damit eine höhere Auslastung im Jahr 2021. Die Neonyt ist in der vergangenen Saison stark gewachsen und hat den Break-even mittlerweile erreicht. Weltweit veranstaltet die Messe Frankfurt 58 Textilmessen: "Wir sind bereits in jedem Textilsegment Marktführer", sagt Braun. Die stärkere Profilierung im Modebereich habe noch gefehlt. "Dies ist das Sahnehäubchen", sagt Braun, der auch mit der Expertise und dem weltweiten Vertriebsnetz der Messe zum Erfolg der Modewoche beitragen will.

Ein Coup ist der Messe gelungen, trotzdem wird der Schritt teils mit Verwunderung beobachtet. Die klassischen Messegesellschaften hatten sich schon vor Jahren aus dieser Branche zurückgezogen, Konsumgütermessen stehen aufgrund des Einzelhandelssterbens unter Druck.

Braun und Tillmann wollen etwas ganz Neues wagen, dabei die Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Technologie besetzen und die Messen stärker internationalisieren. "Wir wollen für bisherige und neue Aussteller attraktiv sein und auch die Leute anziehen, die bisher nicht in Berlin waren", sagt Braun. Im Herbst soll das Konzept vorgestellt werden. "Gastronomie, Hotellerie, Museen, Kreativwirtschaft - wir wollen alle involvieren", sagt Braun. Die Messe sei zwar nur für Fachbesucher geöffnet, während der Modewoche sei jedoch eine Vielzahl an Veranstaltungen geplant.

"Die Modebranche ist hart. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit."

Frankfurt hat relativ wenige Berührungspunkte zum Thema Mode und Textil. Die Stoffmesse Interstoff und die Pelzmesse Fur & Fashion sind vor Jahren eingestellt worden. In Eschborn befindet sich ein Orderzentrum. Dagegen kann Düsseldorf vom Glanz der Igedo, der einst größten Modemesse der Welt zehren, und München in Erinnerung an frühere Defilees schwelgen, als Gianni Versace und Karl Lagerfeld den Modepreis erhielten. An beiden Orten finden noch Präsentationen und Ordertermine statt. Doch die Modebranche lebe von Veränderungen und Impulsen, meint Tillmann. "Düsseldorf und München haben eine Historie. Es ist aber viel spannender, etwas Neues zu erzählen."

Frankfurt soll künftig in einem Atemzug mit Paris und Mailand genannt werden, jedoch mit eigenem Profil. "Frankfurt bietet eine gute Möglichkeit, um Finanz- mit Kreativwissen zu vernetzen", meint Tillmann, die auch für junge Designer und Start-ups hier künftig gute Chancen sieht. Im Herbst wolle man auch Konzepte zur Talentförderung erstellen. Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) glaubt, dass die Mainmetropole künftig anders wahrgenommen wird. "Dass Frankfurt eben nicht nur, um jetzt mal eine erfolgreiche ZDF-Produktion zu nennen, der Standort für 'Bad Banks' ist, sondern auch für Good Fashion."

Die Modebranche ist unheimlich schnell und hart, sagt Tillmann: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit." Mitten in der Corona-Krise ist die Ausrufung einer neuen Modewoche gewagt, Messen finden seit Monaten keine statt, Schauen laufen nur noch online. Selbst die Haute Couture in Paris wurde gecancelt. Viele Einzelhändler fragen sich, wie sie die Saison überstehen. "Derzeit ist die Angst in der Branche vor der Zukunft groß. Mit unserem Schritt wollen wir auch ein Zeichen setzen und motivieren. Gerade jetzt ist es wichtig, nicht zurück, sondern nach vorne zu schauen", sagt Tillmann.

© SZ vom 18.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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