Modelle statt Maschinen:Wilhelmina - Schöne Körper für den Katalog

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Horst-Dieter Esch, berühmter Pleitier aus den achtziger Jahren, will den deutschen Model-Markt aufmischen.

Von Cornelia Knust

Aus der Glamour-Welt der Fotomodelle in New York City hat er sich in sein Haus in Park City, Utah, zurückgezogen. Aber die Geschicke seiner Model-Agentur Wilhelmina hat der sechzigjährige Horst-Dieter Esch auch von dort aus fest im Blick.

Die Winterkollektion 2004/2005 wird vorgestellt. (Foto: Foto: AP)

Will er doch sein Unternehmen - eines der größten der Branche - auf dem deutschen Markt etablieren: in dem Land, dem er vor 16 Jahren nach einer spektakulären Pleite und Haftstrafe den Rücken kehrte. IBH hieß das in Mainz ansässige Unternehmen, Baumaschinenhandel war das Metier, mehrere zehn Millionen schwer der Umfang der veruntreuten Gelder, viereinhalbjährig die von Esch verbüßte Gefängnisstrafe.

Die zweite Chance

Das Ehepaar Ingrid und Norman Reiling, Inhaber der Münchner Model-Agentur Nova, hat kein Problem mit dieser Vergangenheit. "Jeder hat eine zweite Chance verdient", sagt Norman Reiling. "Wir haben ihn all die Jahre als sehr seriös kennen gelernt", sagt seine Frau, in den siebziger Jahren selbst Fotomodell.

Die beiden gebürtigen Karlsruher haben ihre 1977 gegründete Agentur im Januar 2004 als Sacheinlage in die "Wilhelmina Nova GmbH in Gründung" eingebracht und halten daran 50 Prozent. Die andere Hälfte verteilt sich auf die Wilhelmina Ltd., deren Geschäftsführer Sean Patterson, deren 50-prozentigen Gesellschafter Brad Krassner sowie Esch selbst.

Üppigere Formen gefragt

Die Nova, die ihren Umsatz mit zwei bis vier Millionen Euro angibt, will ihren "Vorrat" an Fotomodellen damit von 500 auf mehr als 1000 verdoppeln und ihm einen weltläufigeren Anstrich geben; auch auf den Gebieten älterer, üppigerer oder männlicher Modelle hatte Nova noch Nachholbedarf.

Die Wilhelmina, die angeblich 40 Millionen Dollar umsetzt und vier Millionen vor Steuern verdient, will die großen deutschen Versender wie Otto, Quelle und Neckermann stärker an sich binden; sie werden von der Nova seit Jahren mit Modellen für ihre Kataloge versorgt. Kooperations-Verhandlungen mit einer weiteren Agentur in Hamburg laufen, wie Esch per Telefon aus Miami erklärt - mit einer Stimme, die Selbstbewusstsein demonstriert.

"Ich verstehe die Logik nicht, dass Deutschland im Modegeschäft nicht führend sein soll. Paris und Mailand machen zwar das Image, aber das große Volumen läuft doch in Deutschland über die Versandhäuser", sagt Esch. Die Wettbewerber unter den deutschen Model-Agenturen bezeichnet er nachsichtig als "kreative Workshops" und meint: "Wir werden denen mal zeigen, wie man das macht."

Schwierige Zeiten

Die Reilings geben sich bescheidener, verweisen auf die schwierigen Zeiten. Die Werbeabteilungen der Versandhäuser sparten zwar nicht an den Aufnahmeorten; da dürfe es ruhig Südafrika, Miami oder die Karibik sein. Aber sie buchten immer weniger Modelle für immer kürzere Zeiträume, klagen die Nova-Gründer und bezeichnen ihren Berufszweig als schrumpfend.

Die digitale Fotografie mit ihren Manipulationsmöglichkeiten mache es zudem möglich, Bilder mehrfach zu verwenden und den Modellen per Computer immer neue Kleider anzuziehen. "Es wird der Tag kommen, an dem Sie das alles am Rechner machen und den Mädchen einfach einen größeren Busen hinfummeln", meint Norman Reiling.

Er glaubt daher, dass Model-Agenturen in nicht allzu ferner Zukunft eigene Foto-Produktionen von Modellen in standardisierten Posen machen und sie in riesigen Datenbanken sammeln müssen, die der Kunde dann gegen Gebühr abrufen kann. Noch läuft aber alles klassisch.

In dem Vier-Zimmer-Altbaubüro in der Schwabinger Antonienstraße haben die Mädchen ihre Set Cards, die Bücher mit ihren Veröffentlichungen werden noch per Kurier verschickt, der Kunde von einer achtköpfigen Mannschaft per Telefon beraten. Der zahlt einen Tagessatz von zum Beispiel 2000 Euro plus 15 Prozent Kommission an die Nova, und die gibt 80 Prozent vom Tagessatz an das Modell weiter.

Eschs Tochter, damals im Teenager-Alter, hatte sich für eine solche Karriere interessiert, als er 1988 in die USA ausgewandert war. Für acht Millionen Dollar habe er die Agentur Wilhelmina gekauft, wird kolportiert. Die Tochter wurde dann lieber Innenarchitektin, doch Esch blieb Wilhelmina treu. Die Geschäftsführung hatte er bis vor wenigen Monaten selbst inne. Jetzt ist er Aufsichtsratsvorsitzender, was ihn, wie er sagt, jeden Monat eine Woche beschäftigt.

Werbeverträge für Stars

Inzwischen betreut die Agentur auch Prominente aus dem Show- oder Sportgeschäft, verschafft ihnen Werbeverträge mit der Industrie oder platziert sie in Fotoproduktionen. Mit verschiedenen Kosmetikherstellern laufen angeblich Lizenz-Verhandlungen über eine Kosmetikserie unter dem Namen Wilhelmina, der in Amerika unter jungen Mädchen bekannt ist.

Obwohl dies in Deutschland weniger der Fall sein dürfte, hat das Unternehmen begonnen, 100.000 "Beauty Cases" an die hiesige Weiblichkeit zu versenden: Drauf steht Wilhelmina, drin ist Kosmetik von Procter & Gamble oder Beiersdorf.

"Ich bin sehr expansiv orientiert", erklärt Esch und weist Vermutungen zurück, er betreibe Wilhelmina womöglich nur noch als Hobby oder wolle seine Anteile komplett verkaufen. In New York habe er immer noch ein Apartment. Oft sei er in Miami anzutreffen, wo er abwechselnd arbeite und Golf spiele. Neben dem Skifahren im Winter beschäftigt ihn seine Briefmarkensammlung, mit der er sich auch auf Auktionen sehen lässt. Die Länder des britischen Commonwealth lautet sein Spezialgebiet: "Ich habe das schon als Junge gemacht."

Im Rückblick entspannt

In Amerika hatte der Sohn eines Maschinenschlossers aus Hannover in den sechziger Jahren studiert. Während seiner anschließenden Karriere beim britischen Baumaschinenhändler Blackwood Hodge legte er mit Aktienspekulationen den Grundstein für sein Vermögen. 1975 gründete er die IBH, die reihenweise Baumaschinenunternehmen aufkaufte und 1983 mit umgerechnet einer halben Milliarde Euro Schulden Vergleich anmeldete.

"Ich finde, dass ich ein relativ entspanntes Verhältnis zu Deutschland habe", sagt er heute. Nach seiner Vergangenheit werde er kaum gefragt. Und die zweite Karriere scheint ihn selbst mit Stolz zu erfüllen: "Wilhelmina ist mit meinem Namen verbunden, und dass diese Branche heute etwas geschäftsmäßiger ausgerichtet ist als damals, dazu habe ich viel beigetragen."

© SZ vom 28.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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