Mobilität:Das afrikanische Taxi neu erfunden

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Dit is nich Berlin: Shuttles von Moia verkehren vorerst nur in Hamburg und, wie hier im Bild, in Hannover. (Foto: oh)

In Hannover gibt es nun Ride-Sharing. Der Erfindungsgeist von Anbietern scheint keine Grenzen zu kennen, wenn es darum geht, Kunden von A nach B zu bringen. Neu ist das alles nicht.

Von Max Hägler, München

Der erste große Schritt in diese neue Mobilitätswelt war ja noch recht verständlich, samt dem englischen Gattungsbegriff. Beim Carsharing in der Variante "Free Floating" parken Autos oder Roller irgendwo in den Großstädten. Auf einer Handy-App lässt sich nachsehen, wo genau ein Fahrzeug steht, man kann es für eine Viertelstunde reservieren - und währenddessen hinlaufen. Abgerechnet wird meist minutenweise, ab dem Aufsperren. Und geparkt wird hernach dort, wo eine Parklücke ist, danach wird die Tür per Wisch am Handy geschlossen. Mehrere Millionen Nutzer gibt es in Deutschland schon und die Geschäftsaussichten für das Carsharing, aber auch Fahrdienste mit Chauffeuren, sind zunehmend vielversprechend. Diverse Studien zeigen, dass junge Großstadtbewohner immer seltener ein eigenes Auto erwerben. Und falls in einigen Jahren tatsächlich Roboter am Steuer von Taxis sitzen, dann könnten Fahrdienste sehr günstig angeboten werden - und extrem nachgefragt sein. Im Jahr 2030 soll all das, was die Branche "Mobility as a Service" nennt, weltweit 1,2 Billionen US-Dollar Umsatz bringen, prognostiziert die Beratungsagentur Accenture. Der normale Autoverkauf hingegen wird wohl stagnieren bei zwei Billionen US-Dollar. Soweit die Theorie. In der Praxis könnte das hingegen ganz anders aussehen, vor allem in Europa. Denn die Kunden verstehen zunehmend nicht mehr, für was sie alles zahlen sollen. Das gilt selbst für die gute alte Daimler AG. Jüngst hat der Konzern seine Aufspaltung bekanntgegeben, eine der neuen Säulen soll die Daimler Mobility AG sein. Dort bieten sie Carsharing an, unter dem Markennamen Car-2-go. Aber auch: "On-Demand Ridesharing".

Was man darunter versteht? Das fragen sich auch die Niedersachsen, die an diesem Montag vom Volkswagen-Konzern Ähnliches vorgesetzt bekamen: "Startschuss für Ridesharing in Hannover." Die Beschreibung: "140 Fahrer in 35 Fahrzeugen und ein intelligenter Algorithmus sorgen auf einem Einsatzgebiet von rund 90 Quadratkilometern für ein neues Mobilitätserlebnis für die Hannoveraner." Was ganz genau nun das Erlebnis ist, das muss der geneigte Hannoveraner hingegen erst einmal selbständig recherchieren: Eine Software koordiniert bei dem Angebot namens Moia Menschen, die vorankommen wollen. Nacheinander werden die Fahrgäste eingesammelt und wunschgemäß an verschiedenen Orten aus dem Wagen entlassen.

Eine gemeinsame Taxi-Fahrt also, mit ein paar kurzen Abstechern unterwegs? Ja, Ridesharing ist zu Deutsch ein Sammeltaxi. Den herumreisenden Menschen auch aus Afrika seit Jahrzehnten bekannt: Matatu heißt das auf Suaheli. Die Berater von Accenture wiederum führen das unter "Demand Responsive Transit". In München heißt so ein Angebot hingegen: Ridepooling. So nennt der dortige Anbieter Clevershuttle diese Art des Herumfahrens. Es ist dabei davon auszugehen, dass auch der Service in München on Demand ist, weil ein Clevershuttle auf Bedarf, also nach Wischen auf der App, angefahren kommt. Auch auf gut Glück lässt sich mit Hilfe des Handys reisen: Blabla-Car etwa bietet per App an, was bis vor einigen Jahren bekannt war unter einem gut verständlichen, aber halt nicht skalierbaren Begriff: Mitfahrzentrale. Die neue Eigenschreibweise lautet nun: Carpooling. Alles klar? Wer Ruhe sucht, der sollte indes "Peer-to-Peer Ridehailing" nutzen. Da muss man keine Mitfahrer erdulden und kommt ganz genau von A nach B. Die Anbieter heißen hier etwa Didi, Uber oder Lyft. Ein privater Fahrer kommt angefahren mit seinem privaten Wagen - veranlasst von der App des jeweiligen Anbieters. Auch das kennt man: Es ist quasi ein Taxi. Nur dass die Chauffeure vielerorts keine Lizenz benötigen und keine Funkzentrale mehr. Jetzt mal ehrlich: Wer durchblickt diese ganzen Geschäftsmodelle eigentlich noch? Man habe ja viel herumüberlegt, antworten Wirtschaftsmenschen aus Konzernen. Aber man müsse an diesen Begriffen festhalten. Die Angebote müssten schließlich "dynamisch" klingen. Nach "Mobility". Und "skalierbarer Plattform". Die Kunden würden das dann schon lernen. Die Manager in München, Stuttgart, Wolfsburg und anderswo haben es ja auch verstanden: Es geht um 1,2 Billionen US-Dollar Umsatz und deswegen heißen Autokonzerne nun Mobilitätsanbieter.

Beim Geldverdienen können übrigens auch deutsche Autobesitzer mitmachen. Wer sich auf Get-a-way registriert, kann seinen eigenen Wagen registrieren und per App verleihen, beinahe so unkompliziert wie bei DriveNow oder Car-2-Go. Dahinter steckt eine junge Berliner Firma - die einen eigenen Blick auf diese Geschäftsmodelle hat. "Wir nennen uns Autovermietung von privat", sagt Gründer Edgar Schiller. Das ist aber doch nicht dynamisch? "In der Branche nennt sich das peer-to-peer-Sharing - was kaum jemand versteht und unserer Meinung nach auch nicht genau zutrifft." Denn wer teile schon gerne den Komfort des eigenen Autos mit Fremden? "Der Nutzer bekommt ein Fahrzeug und zahlt etwas an den Besitzer, das ist kein richtiges Teilen, sondern eben ein Mieten", sagt Schiller.

Das wiederum ist nicht anders beim Car-sharing, das die Industrie anbietet. Der neue Begriff hübscht letztlich Altbekanntes auf: die Minis und Smarts, die in den Straßen von München, Hamburg und Berlin stehen, sind schlicht Mietwagen. Wobei die Geschäftsmodelle dank ein paar Datenbanken samt zugeschalteten Telefonisten sehr spontane und komfortable Buchungen ermöglichen, gerade auf kurzen Strecken. Schnell kann man einsteigen zu einem einen Ride durch die City, oder für eine Fahrt an den See. Keine schlechte Idee, so etwas. Sofern gerade ein Wagen verfügbar ist, man das Konzept versteht und die App installiert ist.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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