Mobiles Geld:Nur noch hinhalten

Lesezeit: 3 min

Kontaktloses Bezahlen mit dem Handy, quasi im Vorbeigehen, wäre in Deutschland vielerorts problemlos möglich. Die Technik ist bereit - nur die Kunden sind es nicht. Dabei besitzen die meisten Menschen die Karten dafür längst.

Von Berrit Gräber, München

Wenn Menschen an der Kasse jeden Cent einzeln aus dem Geldbeutel kramen, kann das kurz vor Ladenschluss, nun ja, nervenaufreibend sein. Es bilden sich Schlangen, das Zahlen dauert. Branchenkenner haben sogar eine Abkürzung für das Phänomen: KZP, Kunde zahlt passend.

Dabei könnte es viel einfacher sein. Die Zukunft soll dem kontaktlosen Zahlen per Kredit- und Girokarte via Funktechnik gehören. Zahlen, quasi im Vorbeigehen. Teilweise hat die Zukunft längst begonnen: Ein Großteil der etwa 800 000 Online-Bezahlterminals bundesweit ist technisch umgerüstet. Die Karten dafür haben viele Kunden schon längst. Nur: Kaum jemand weiß das. "Die Technik ist im Handel schon weit verbreitet, aber der Kunde hat sie noch nicht entdeckt", sagt Horst Rüter, Zahlungsexperte des Forschungsinstituts EHI für Handel. Welche Karten sind bereits umgestellt und verschwindet nun das Bezahlen mit Unterschrift und Code? Ein Überblick.

So funktioniert die Technik

Kontaktloses Zahlen geht mit Kreditkarte oder Girokarte, (früher EC-Karte), die mit einem Mikrochip und einer unsichtbaren Funkantenne ausgestattet sind. Der Kunde muss sein Plastikkärtchen nur noch kurz an das Bezahlterminal des Händlers halten - und schon wird der Zahlvorgang ausgelöst. Kartenchip und Lesegerät tauschen aus wenigen Zentimetern Entfernung die nötigen Daten wie Kartennummer, Gültigkeitsdatum und Betrag aus.

Ein kurzer Piep und der Käufer weiß: Jetzt ist das Geld vom Konto abgebucht. Möglich wird das durch die Funktechnik NFC. Die Abkürzung steht für Near Field Communication, also Nahfeldkommunikation. Das flotte Abbuchen ist nur bei kleinen Einkäufen bis 25 Euro möglich. Höhere Beträge müssen weiter mit PIN oder Unterschrift bestätigt werden.

Mit diesen Karten klappt es

Wer kontaktlos zahlen will, benötigt die moderne Generation der Giro- und Kreditkarten. Millionen Kunden in Deutschland haben diese bereits. Ein Blick aufs eigene Kärtchen zeigt schnell: Sind vier blaue Funkwellen aufgedruckt, meist auf der Vorderseite, ist sie einsatzfähig. Die Kreditkarten von Mastercard, Visa und Amex sind schon seit Längerem für die Funktechnik gerüstet. Bis Ende 2016 wollen die Volks- und Raiffeisenbanken zudem mehr als vier Millionen Girokarten ausgegeben haben. Von 2017 an soll der Rest der etwa 26 Millionen Girokarten der genossenschaftlichen Bankengruppe umgestellt werden. Die Sparkassen hätten 2016 bereits einen Großteil ihrer sieben Millionen Kärtchen auf kontaktlos umgestellt, sagt Handelsexperte Rüter. Die Privatbanken seien noch nicht ganz so weit.

An diesen Kassen läuft es

Der Handel sei am besten gerüstet, was die neue Funktechnik angeht, sagt Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE). In 60 Prozent der großen Läden und 20 Prozent der kleineren Unternehmen heißt es jetzt schon beim Bezahlen: Nicht mehr stecken, nur noch hinhalten. Wer kontaktlos zahlen will, kann das bei vielen Tankstellen, Lebensmitteldiscountern wie etwa Lidl, Penny und Aldi, in großen Supermärkten wie Rewe und Edeka, in Drogerien wie Rossmann oder dm sowie in Parfümerien der Douglas-Gruppe problemlos tun.

Ob die Kasse mit der eigenen Karte kommunizieren kann, erkennt man an den ebenfalls blauen Funkwellen auf dem Terminal. Seit vielen Monaten tauschen Händler schon alte Kassensysteme gegen moderne aus. Bis auch das kleinste Geschäft in Deutschland auf kontaktloses Zahlen umgestellt ist, dürften aber noch ein paar Jahre vergehen.

Das sind die Vorteile

Während der Bezahlvorgang mit dem Einstecken der Girokarte an der Kasse und Unterschrift im Durchschnitt 28 Sekunden dauert, mit PIN sogar noch einen Tick länger, geht das Abbuchen im Vorübergehen deutlich schneller. Es ist in nicht einmal 18 Sekunden erledigt und schlägt damit auch die Barzahlung, erklärt Handelsexperte Rüter. Immer vorausgesetzt, es geht um Kleinbeträge bis 25 Euro ohne Unterschrift. Die verbesserte Geschwindigkeit an der Kasse kommt Händlern wie der Kundschaft entgegen. Die Funktechnik sei sicher und nicht riskanter als herkömmliche Kartenzahlungen, sagt Binnebößel vom Handelsverband HDE. Es sei ausgeschlossen, dass jemand aus Versehen bezahlt, wenn er nur seinen Geldbeutel in die Nähe des Lesegeräts hält. Selbst wenn Betrüger es schafften, Kreditkarten auszulesen und damit im Internet einzukaufen, müssten die Banken für den Schaden aufkommen.

So sieht die Zukunft aus

Kunden sollten wissen: Das kontaktlose Zahlen ist nur eine weitere Option beim Einkaufen. Die Steckfunktion mit PIN oder Unterschrift bleibt auf absehbare Zeit erst einmal erhalten, "bis kein Kunde mehr mit einer alten Girokarte in den Laden kommt", ist Binnebößel überzeugt. Das Handelsinstitut EHI hält das Zahlen im Vorbeigehen grundsätzlich für eine Vorstufe zum mobilen Zahlen per Smartphone oder Tablet. Das funktioniert auf Basis der gleichen Funktechnologie. Immer mehr Banken sind dabei, einen solchen Service via Handy zu entwickeln und anzubieten, meist in Verbindung mit einer Kreditkarte. Aber auch mit der Girokarte soll es von kommendem Jahr schon möglich sein. "Jetzt ist es aber erst einmal an der Zeit, Millionen Bundesbürger mit der Vorstufe vertraut zu machen", sagt Rüter vom EHI.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: