Mindestlohn:Sondereinsatz gegen Hungerlöhne

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Der großen Koalition steht eine Diskussion darüber bevor, ob die öffentliche Hand ein verantwortungsbewusster Auftraggeber ist.

Nina Bovensiepen

Die "Soko Bau"' ist in Hamburg täglich im Einsatz. Die zehnköpfige Sonderkommission überwacht auf Baustellen der Hansestadt, ob es dort mit rechten Dingen zugeht - zumindest dort, wo die öffentliche Hand die Aufträge vergeben hat. Seit 2005 gibt es die Soko Bau und ihre Hauptaufgabe ist es, zu überprüfen, ob von der Stadt beauftragte Baufirmen ihre Mitarbeiter ordentlich bezahlen. Auch wenn in Hamburg Putztruppen oder Fensterreiniger im öffentlichen Auftrag tätig sind, ist in der Regel gesichert, dass sie nicht zu Hungerlöhnen arbeiten: Die städtischen Unternehmen schließen nur mit Reinigungsfirmen Verträge ab, die von der Innung als anständiger Arbeitgeber zertifiziert sind.

Neues Wahrzeichen für Hamburg: Direkt am Hafen entsteht die Elbphilharmonie. (Foto: Foto: ddp)

Für Peter Fuchs von der Nichtregierungsorganisation Weed (World Economy, Ecology and Development) ist Hamburg damit ein echtes Vorbild bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Denn obwohl staatliche Stellen jährlich Aufträge in Höhe von etwa 300 Milliarden Euro - das sind rund 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - an die private Wirtschaft vergeben, werde die öffentliche Hand ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung dabei zu wenig gerecht, meint Fuchs. Ob Produkte unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt werden, oder ob Menschen zu Hungerlöhnen beschäftigt werden: Dieselben Politiker, die sonst nach Mindestlöhnen riefen und gegen Kinderarbeit wetterten, seien als Auftraggeber oft nicht besser als die gescholtene Wirtschaft.

Tariftreue als Prinzip

Seit langem fordern Weed und andere Organisationen daher eine Reform des sogenannten Vergaberechts. Aus der Politik bekommen sie nun eine prominente Mitstreiterin: Andrea Nahles, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und Vizevorsitzende ihrer Partei, will sich ebenfalls dafür einsetzen, dass die öffentliche Hand ein besserer Auftraggeber wird. Das ist insofern bemerkenswert, als sich die Häuser von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) gerade erst auf eine Reform des Vergaberechts verständigt hatten. Nach langem Gezerre, in dem Beamte und Lobbyisten um die Interessen von Auftraggebern, -nehmern und Beschäftigten stritten, einigten sich die zwei Ministerien Anfang März auf einen Gesetzentwurf.

Das Ergebnis geht Nahles aber nicht weit genug: "Der Entwurf ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, bleibt allerdings auf halber Strecke stehen", sagte Nahles der Süddeutschen Zeitung. Nächste Woche gibt es eine Anhörung zu dem Thema im Wirtschaftsministerium. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren will die SPD-Frau erreichen, dass der Entwurf nachgebessert wird.

Ihre Hauptforderung zielt auf die Bezahlung der Arbeitnehmer: "Wir fordern, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge mit der Auflage verbunden wird, dass die Auftragnehmer ihre Beschäftigten nach den jeweils in der Region geltenden Entgelttarifen entlohnen", so Nahles. Tariftreue nennt sich dieses Prinzip, das nach Meinung der Sozialdemokratin im Gesetzentwurf verankert werden muss. Denn schon jetzt würden zunehmend Niedriglohnkräfte bei der Erfüllung öffentlicher Aufträge eingesetzt. Das gehe zu Lasten der Qualität - zum Beispiel in der Arbeitsmarktpolitik, wenn bei der Weiterbildung von Erwerbslosen nur auf den Preis der Anbieter geschaut werde. Sozialpädagogen arbeiteten hier teilweise zu Bruttolöhnen zwischen 1200 und 1500 Euro.

Mindestlöhne in Berlin

In dem zwischen Wirtschafts- und Arbeitsministerium ausgehandelten Gesetzentwurf zum Vergaberecht wird die Tariftreue nicht explizit genannt. Dort heißt es lediglich: "Für die Auftragsvergabe können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen." Dass es sich hier nur um eine Kann-Vorschrift handelt, ist für Nahles eine "gravierende Schwäche". Peter Fuchs von Weed sagt, dies sei erst ein "ganz, ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung". Andere Staaten wie die Niederlande oder skandinavische Länder seien mit ihrem Vergaberecht hier viel weiter.

Doch auch innerhalb von Deutschland stellt sich die Situation unterschiedlich dar. Berlin hat kürzlich die wohl am weitesten gehende Reform eines Landesvergabegesetzes beschlossen. Danach dürfen künftig nur noch Firmen Aufträge bekommen, die ihren Beschäftigten einen Mindestlohn von 7,50 Euro zahlen. Ob eine solch weit gehende Regelung zulässig ist, könnte allerdings noch Gerichte beschäftigen. Andere Bundesländer wie Niedersachsen und Hamburg haben etwa für die Auftragsvergabe am Bau die Tariftreue vorgeschrieben - und überprüfen mit Einrichtungen wie der Soko Bau, ob ihre Aufträge auch wirklich zu anständigen Löhnen verrichtet werden.

© SZ vom 3.4.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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