München - Die Mindestlöhne in Europa sind 2019 im Schnitt um 4,4 Prozent gestiegen, wenn man die Inflation einrechnet. Am stärksten haben mittel- und osteuropäische Länder den Mindestlohn erhöht. Polen hat den Wert um 15,6 Prozent angehoben, Spanien um 22 Prozent, wie aus dem Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (WSI) hervorgeht. Ausgewertet wurden dafür die Mindestlöhne jener EU-Staaten, die Anfang 2020 einen gesetzlichen Minimalverdienst festgelegt hatten. Mit dabei, noch: Großbritannien. Einen Mindestlohn gibt es übrigens in 22 der 28 untersuchten Länder.
Der deutsche Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde belegt im EU-Vergleich zusammen mit dem britischen den sechsten Platz. Den höchsten Mindestlohn gibt es in Luxemburg, er liegt dort bei 12,38 Euro. Auch Frankreich, die Niederlande, Irland und Belgien haben eine höhere Lohnuntergrenze als Deutschland. Dabei hat das Land seinen Mindestlohn im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent erhöht - 2019 betrug er noch 9,19 Euro.
Das WSI bietet auch einen Vergleich der Mindestlöhne mit dem sonstigen Lohnniveau an. Das Institut definiert einen Mindestlohn in Höhe von mindestens 60 Prozent des mittleren Lohns als existenzsichernd. Wer in Deutschland 9,35 Euro verdient, bekommt demnach 46 Prozent des deutschen Durchschnittsverdienstes. Im EU-Mittel erreichen die Mindestlohnbezieher 51 Prozent.
Der deutsche Mindestlohn liegt weit über dem der ost- und südeuropäischen EU-Staaten. In Polen etwa liegt der Mindestlohn bei 3,50 Euro, in Spanien bei 5,76 Euro. EU-Schlusslicht ist Bulgarien mit 1,87 Euro. Im Verhältnis zu den jeweiligen Lebenshaltungskosten verringert sich der Unterschied innerhalb der EU. In diesem Ranking liegt der deutsche Mindestlohn auf Platz vier hinter Luxemburg, Frankreich und den Niederlanden. Lettland schneidet am schlechtesten ab.
Die Mindestlöhne steigen im EU-Schnitt seit zwei Jahrzehnten: Europäische Staaten haben ihre Lohnuntergrenze jährlich zwischen 1,5 und 6,7 Prozent angehoben. Nicht immer bedeutete die Erhöhung auch mehr Kaufkraft: Im Verhältnis zu steigenden Lebenshaltungskosten sank der durchschnittliche Mindestlohn zwischen 2011 und 2013. Italien, Österreich und die nordischen Länder sind nicht Teil des WSI-Reports, dort gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn. Die höchsten Lohnuntergrenzen außerhalb Europas haben Australien und Neuseeland mit 12,10 Euro und 10,41 Euro. Auch die Kaufkraft der Mindestlohnbezieher ist dort am stärksten.