Mindestlohn:Eigene Gesetze bei TNT

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Der Postdienstleister TNT sieht sich nicht an den gesetzlichen Mindestlohn gebunden - und rechnet in diesem Monat 6,50 Euro statt acht Euro ab.

Henning Hinze

Der private Briefdienstleister TNT Post zahlt seinen Zustellern weiter weniger als den im Dezember von der Bundesregierung vereinbarten gesetzlichen Mindestlohn. "In den Lohnabrechnungen am Ende dieses Monats wird unseren Zustellern mindestens 6,50 Euro im Osten und 7,50 Euro im Westen gezahlt", sagte eine TNT-Post-Sprecherin.

Einen solchen Tarifvertrag hatte der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste im Dezember mit der Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste für das Segment Mehrwertdienstleistungen im Briefverkehr vereinbart, in dem sich TNT sieht. "Das heißt, dass wir uns auf taggenaue Zustellung, Zeitschriften und Kataloge beschränken", hatte TNT-Post-Chef Mario Frusch gesagt. Seiner Firma drohen nun Klagen.

TNT und der Konkurrent Pin hatten ursprünglich in den zum Jahreswechsel vollständig liberalisierten Briefmarkt für Privatleute einsteigen und normale Briefe austragen wollen. Beide stoppten die Pläne, nachdem sich ein hoher Mindestlohn abzeichnete. Sie stellen nun weiter nur Briefe für Firmen und Behörden zu, die beispielsweise über Nacht oder an einem festen Tag beim Empfänger abgegeben werden müssen.

Tief in der Krise

Deshalb sehen sich die Firmen nicht an den zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste (AGV Postdienste) und der Gewerkschaft Verdi vereinbarten und vom Bundesrat am 20. Dezember für allgemeinverbindlich erklärten Mindestlohn von acht Euro im Osten und 9,80 Euro im Westen gebunden, der ihrer Ansicht nach nur für reine Briefzusteller gilt. "TNT Post hält sich an die gesetzlichen Regelungen, wir sind für Mindestlöhne", sagte die Sprecherin.

Ein Pin-Sprecher sagte, dass die Firma Löhne in sehr unterschiedlicher Höhe zahle. Pin war nach dem Beschluss für Mindestlöhne von seinem Mehrheitsgesellschafter, dem Axel-Springer-Verlag, fallengelassen worden und befindet sich seitdem in einer existenzbedrohenden Krise. Für 17 Tochterfirmen ist Insolvenz angemeldet.

Der AGV Postdienste verwies auf ein Gutachten, dass der Arbeitsrechtsprofessor Thomas Blanke an der Universität Oldenburg angefertigt hatte. Demnach müssen alle Firmen in Deutschland, die überwiegend Briefsendungen befördern, ihren Mitarbeitern die höheren gesetzlichen Mindestlöhne zahlen. Die Allgemeinverbindlichkeit dieses Mindestlohntarifvertrags sei verfassungs- und europarechtlich zulässig. Er umfasse alle Briefdienstleistungen und habe Vorrang vor anderen Regeln, die nur Teilbereiche des Briefmarktes wie Mehrwertdienste erfassen.

"Keine Gewerkschaft"

Ähnlich äußerten sich Arbeitsrechtsprofessoren gegenüber der Süddeutschen Zeitung. "Ein Mindestlohntarifvertrag nach dem Entsendegesetz geht normalen Tarifverträgen vor", sagte Volker Rieble von der LMU München. Sein Hamburger Kollege Ulrich Zachert zweifelte die Tariffähigkeit der Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste an. "Ich bin sicher, dass sie nach den Kriterien, die das Bundesarbeitsgericht anlegt, keine Gewerkschaft sein kann."

Unterdessen geht der Verband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP), zudem die Paketdienste gehören, gerichtlich gegen den gesetzlichen Mindestlohn vor. Eine entsprechende Klage sei beim Verwaltungsgericht Hamburg eingereicht worden, sagte ein Sprecher. Das Gericht wolle aber noch klären, ob es selbst oder das Verwaltungsgericht in Berlin zuständig sei.

© SZ vom 11.01.2008/sho/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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