Millionenprämien:Klaus Esser und die Käuflichkeit

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Im Mannesmann-Prozess gibt die Strategie der Staatsanwälte Rätsel auf. Ihre Fragen zielen bislang hauptsächlich auf den Tatbestand der Käuflichkeit, im Kern sollte es aber um Untreue gehen.

Von Daniela Kuhr

Seit sieben Wochen ist der Mannesmann-Prozess vor dem Düsseldorfer Landgericht im Gange, doch zu wesentlichen Fragen ist die Verhandlung bislang kaum vorgedrungen. Darf der Aufsichtsrat eines Unternehmens dem Vorstandschef im Nachhinein und freiwillig eine Prämie in Millionenhöhe gewähren? Steht einem Vorstandschef, der erst seit neun Monaten im Amt ist und dessen vertraglich vereinbartes Gehalt ohnehin bereits erkennen lässt, dass man von ihm eine außergewöhnliche Leistung erwartet, ein solcher Bonus zu? Welche Überlegungen muss der Aufsichtsrat anstellen, wenn er sich zu solch einer Zahlung entschließt?

Das Lachen ist ihm noch nicht vergangen: Klaus Esser. (Foto: Foto: AP)

Auf diese Fragen erhoffen sich Manager, Juristen, Wirtschaftsprüfer und natürlich Aufsichtsräte eine Antwort. Doch bislang dreht sich die Verhandlung überwiegend um einen ganz anderen Punkt: den der Käuflichkeit von Klaus Esser.

Hat sich der damalige Mannesmann-Chef seine Zustimmung zur Fusion mit Vodafone im Frühjahr 2000 bezahlen lassen? War die Anerkennungsprämie in Höhe von rund 30 Millionen DM der Grund für sein Einlenken nach dem wochenlangen Abwehrkampf?

Kaum Anhaltspunkte

Immer wieder zielen die Fragen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf diesen Punkt ab. Die bisherigen Zeugenaussagen geben für den Verdacht der Käuflichkeit kaum Anhaltspunkte.

So hatte Essers Anwalt Sven Thomas erst vergangene Woche nach der Vernehmung eines Zeugen triumphiert: "Damit ist die These der Käuflichkeit endgültig beerdigt."

Doch die Staatsanwaltschaft hält an ihrem Vorwurf fest - mit einer Hartnäckigkeit, die unter Prozessbeobachtern zunehmend auf Verwunderung stößt. Denn Esser steht nicht wegen des Verdachts der Käuflichkeit vor Gericht, sondern wegen Beihilfe zur schweren Untreue. Er soll dazu beigetragen haben, dass bei der Übernahme durch Vodafone rechtswidrig Prämien und Abfindungen in Höhe von insgesamt 111,5 Millionen DM an Mannesmann-Führungskräfte und Pensionäre gezahlt wurden.

Vorwurf der schweren Untreue

Auf den Weg gebracht hatte die Millionensumme das Aufsichtsratspräsidium von Mannesmann, zu dem auch der heutige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zählte. Alle vier Mitglieder dieses Gremiums müssen sich seit Januar wegen schwerer Untreue vor Gericht verantworten.

Esser dagegen hatte als Vorstandschef rechtlich nicht die Kompetenz, solche Zahlungen zu veranlassen. Deshalb wirft ihm die Staatsanwaltschaft nur Beihilfe vor, obwohl er - im Gegensatz zu Ackermann etwa - von den Zahlungen persönlich profitierte.

Es geht also um Untreue und damit um die Frage, ob die Angeklagten das Vermögen von Mannesmann wissentlich und missbräuchlich geschädigt haben.

Warum aber kommt der Staatsanwalt trotzdem immer wieder auf die Käuflichkeit zurück? Darüber lässt sich nur spekulieren, doch ein möglicher Grund dürfte die Problematik des Vorsatzes sein.

In gutem Glauben

Um zu einer Verurteilung zu gelangen, muss der Staatsanwalt den Angeklagten nachweisen, dass sie wissentlich das Unternehmen Mannesmann geschädigt haben. Doch die Gegenseite kann zwei Dinge für sich in Anspruch nehmen: Zum einen hatten sie das Gutachten eines Aktienrechtlers, der die Rechtmäßigkeit der Millionenzahlungen damals bestätigt hatte. Die Angeklagten werden also sagen, sie hätten in gutem Glauben gehandelt.

Zum anderen aber - und das dürfte viel schwerer wiegen - sah selbst die Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2000 keinen Grund für strafrechtliche Ermittlungen. Es bleibe einem Aufsichtsrat "unbenommen, die Bezüge eines Vorstandsmitglieds geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen und dies auch nachträglich zu tun", hieß es damals nach dem Eingang einer Strafanzeige.

Dass sie ein Jahr später schließlich doch ermittelten, begründeten die Strafverfolger mit dem Verdacht der Käuflichkeit, der inzwischen aufgekommen war. Stellt sich dieser nun als unbegründet heraus, bricht der Anklage damit ihre ursprüngliche Veranlassung weg. Die Staatsanwälte wissen das und wohl auch deshalb halten sie an der These der Käuflichkeit fest.

Waren die Zahlungen überhaupt rechtswidrig?

Bevor es um den Vorsatz geht, muss allerdings erst einmal festgestellt werden, ob die Zahlungen überhaupt rechtswidrig waren. Entscheidend wird dabei sein, ob sie im Interesse von Mannesmann erfolgten.

Welche Rechtsauffassung das Gericht hierbei vertritt, wird sich wohl demnächst zeigen: Die Richter haben für den 31. März klärende Gespräche angekündigt. Damit kann sich der Prozess dann auch endlich seinen eigentlichen Kernfragen zuwenden.

© SZ vom 06.03.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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