Milliardenschaden:Aufrüsten gegen die Internet-Piraterie

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Unternehmen setzen zunehmend Fahnder auf Fälscher und Plagiate-Händler im Netz an. In der Textilbranche sind bis zu 70 Prozent der Waren gefälscht.

Christoph Brösamle

In Deutschland tätige Unternehmen gehen verstärkt gegen Produkt- und Markenpiraterie im Internet vor. Rund ein Drittel der Firmen, deren Produkte für den Online-Handel geeignet sind, beschäftigen inzwischen eigene Mitarbeiter, die das Internet nach Fälschungen durchsuchen, oder beauftragen dazu Dienstleister, schätzt Doris Möller, Geschäftsführender Vorstand des Aktionskreises Deutscher Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM).

Angesichts des wachsenden Online-Handels hält Möller die Zahl jedoch für zu gering.

Im vergangenen Jahr wuchs allein in Deutschland der Online-Handel mit Waren und Dienstleistungen um 43 Prozent auf einen Umsatz von 32 Milliarden Euro. Gleichzeitig wählten immer mehr Anbieter von Plagiaten den Vertriebskanal Internet.

Allein in der Textilbranche seien 60 bis 70 Prozent der online gehandelten Produkte Fälschungen, schätzt Möller. Bei Parfüm dürfte der Anteil nach Expertenmeinung zwischen 30 und 40 Prozent liegen. Auch der Zoll spürt den zunehmenden Online-Handel.

Jede dritte Waren-Beschlagnahmung in den vergangenen beiden Jahren könne auf Internetbestellungen zurückgeführt werden, sagt der Leiter der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz, Klaus Hoffmeister.

"Ruin einer Marke"

Zu den Unternehmen, die Produktpiraterie im Internet besonders offensiv verfolgen, gehört die Kosmetikgruppe Lancaster. Sie investiert jährlich 120 000 Euro in den Kampf gegen den Online-Handel mit Plagiaten und Testprodukten, die nicht für den Verkauf bestimmt sind.

In Deutschland beschäftigt die zum amerikanischen Konzern Coty gehörende Unternehmensgruppe ein vierköpfiges Markenschutz-Team, das den weltweiten Kampf gegen die Fälscher organisiert. Rund um den Globus kooperiert Lancaster mit zehn Detekteien und zahlreichen auf Markenrecht spezialisierten Anwaltskanzleien.

"Wenn man die Sache laufen lässt, kann das der Ruin einer Marke sein", begründet der Leiter des Teams, Guido Baumgartner, den Aufwand.

Allein bei Ebay Deutschland würden täglich 270 neue Angebote von Lancaster-Produkten ins Netz gestellt, ein Großteil davon gefälscht. "Der Berg ist sehr hoch", beschreibt Baumgartner den fast aussichtslosen Kampf gegen die Fälscher.

Um die Zahl illegaler Anbieter in Online-Auktionshäusern wie Ebay zu verringern, setzt Baumgartner verstärkt auf die Justiz. Lancaster geht dabei nicht nur gegen Fälscher, sondern auch gegen Ebay selbst vor.

In einer Klage, die derzeit dem Bundesgerichtshof vorliegt, wirft Lancaster Ebay International vor, den Verkauf von Parfüm-Testern nicht unterbunden zu haben. Da jegliche Testprodukte nicht für den Handel bestimmt sind, hätte Ebay die entsprechenden Angebote streichen lassen müssen, so Baumgartner.

Der Aufwand lohnt sich

Der Sportartikel-Konzern Adidas beschäftigt zehn Markenschutz-Manager, die weltweit nach Produktpiraten fahnden und dabei häufig das Internet durchforsten. Der Aufwand lohnt sich. Im vergangenen Jahr wurden weltweit sechs Millionen gefälschte Adidas-Produkte sichergestellt.

Auch der Solinger Schneidwarenhersteller Zwilling J. A. Henckel setzt inzwischen auf Piraterie-Verfolgung im Internet. Seit einem halben Jahr beschäftigt die vierköpfige Rechtsabteilung einen Mitarbeiter, der das Internet nach illegalen Produkten durchsucht.

Weil betroffene Unternehmen schnell an Kapazitäts- und Kostengrenzen stoßen, wächst der Markt der Internetdetektive. Etwa 200 Detekteien und Monitoring-Firmen bieten inzwischen deutschlandweit professionelle Hilfe bei der Piratenjagd.

Fälscherfreies Internet ist illusorisch

Die Münchner Internet-Monitoringfirma Partners 4 Management fahndet mit einer Spezialsoftware nach illegal angebotenen Produkten. Auf Wunsch wird das gefundene Datenmaterial anwaltsgerecht aufbereitet. Seit der Gründung im Jahr 2000 hat sich die Mitarbeiterzahl von zwei auf 27 vervielfacht. Weltweit arbeitet die Spezialagentur inzwischen für rund 50 Marken.

Auch der Hamburger Internet-Monitoring-Anbieter Gridpatrol konnte sein Markenmonitoring-Geschäft seit der Gründung 2001 deutlich ausbauen. Derzeit betreuen 15 Mitarbeiter rund 30 Kunden, von denen allein 20 in den vergangenen beiden Jahren gewonnen wurden.

Seit 2001 bietet das Berliner Softwarehaus Rola Business Solutions Sicherheitssoftware zum Aufspüren von Plagiaten an. Zu den Kunden zählen inzwischen 20 Firmen und einige Detekteien.

Da ein Fälscher-freies Internet illusorisch ist, versuchen Unternehmen den Schaden auf ein kleinstmögliches Maß zu reduzieren. "Wir haben inzwischen klare Erkenntnisse, wo die schwarzen Schafe sitzen", sagt Thomas Peter Friedl, Vorstand des größten deutschen Filmverleihs Constantin Film.

Raubkopierer verstehen lernen

Seit vier Jahren unterhält das Münchner Medien-Unternehmen eine zweiköpfige Abteilung, die im Internet nach illegalen Filmangeboten fahndet. Außerdem arbeitet Constantin Film eng mit der Gesellschaft für Urheberrechtsverletzungen in Hamburg zusammen.

"Inzwischen können wir die Techniken und Wege der Raubkopierer verstehen und verfolgen", sagt Friedl.

Dass sich Produktpiraten durch konsequente Bekämpfung zurückdrängen lassen, zeigt das Beispiel Eastpak. Im Jahr 2004 seien bei Ebay Deutschland jeden Tag 1500 Rucksäcke und Taschen dieser Marke verkauft worden, bei einer Fälschungsquote von rund 80 Prozent.

Inzwischen, so erzählt die Markenschutz-Beauftragte von Eastpak, Andrea Gress, sei bei durchschnittlich 950 laufenden Angeboten der Anteil von Plagiaten auf sieben Prozent gesunken.

© SZ vom 29.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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