Microsoft vor Geldstrafe:Brüssel verliert die Geduld

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Die Geschäftspraktiken des Software-Riesen gefallen dem EU-Wettbewerbskommissar gar nicht. Kann das US-Unternehmen den Vorwurf des Marktmissbrauchs nicht entkräften, droht eine Geldstrafe aus Brüssel.

Die EU-Kommission hat dem Software-Konzern Microsoft erneut vorgeworfen, seine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen. Am Mittwoch gab die Kommission dem Unternehmen eine letzte Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen, ehe sie zu rechtlichen Maßnahmen greift.

Äußern soll sich Microsoft zu einer Liste von Beschwerden und Forderungen, die im Laufe von vier Jahren zusammengetragen wurden. In diesen Forderungen, die sich auf das Betriebssystem Windows beziehen, sieht sich die Kommission durch eine Marktuntersuchung bestätigt.

Die Marktuntersuchung habe den Verdacht erhärtet, dass Microsoft "seine überwältigende beherrschende Stellung im Bereich der PC auf die einfachen Server ausweitet", heißt es in einer Erklärung. Server sind Rechner, die mehrere PCs mit einander vernetzen.

Da fast alle PCs mit dem Betriebssystem Windows ausgerüstet sind, sind die Unternehmen nach den Erkenntnissen der Kommission praktisch dazu gezwungen, auch für ihre Server Microsoft-Produkte zu kaufen.

Die Kommission verweist auf eine vorangegangene "umfassende Marktuntersuchung". Dort habe die überwältigende Mehrheit der befragten Unternehmen angegeben, sie seien durch die Praktiken von Microsoft bei der Auswahl von Serverprodukten erheblich beeinflusst worden.

Kritikpunkt 1: Fehlende Schnittstelleninformationen

Weil Microsoft keine Schnittstelleninformationen weitergebe, könnten die Server der Wettbewerber nicht zufriedenstellend mit Windows-betriebenen PC- und Serversystemen kommunizieren.

Daher sähen sich viele Unternehmen gezwungen, immer wieder auf Microsoft-Produkte zurückzugreifen. Als Abhilfe schlägt Brüssel dem US-Konzern vor, die erforderlichen Schnittstellenangaben künftig den Wettbewerbern preiszugeben, damit diese kompatible Systeme entwickeln können.

Kritikpunkt 2: Media Player

Ein weiterer Beschwerdepunkt betrifft den Windows Media Player, eine Anwendung zum Abspielen von Musik und Videos, die in das Betriebssystem Windows integriert ist. Diese Verknüpfung führe zu Wettbewerbsnachteilen für andere audiovisuelle Softwareprodukte wie Apple Quicktime und Real Networks, schreibt die Kommission.

Dies habe eine Umfrage bei Musik- und Filmproduzenten sowie Softwareentwicklern ergeben. Die Entscheidung, welche Technologie sie zur Verbreitung ihrer Inhalte im Internet benutzten, werde durch die Verknüpfung des Windows Media Player mit dem allgegenwärtigen Betriebssystem Windows beeinflusst.

Dadurch werde der Leistungswettbewerb geschwächt, die Produktionsinnovation behindert und schließlich die Wahlmöglichkeit der Verbraucher eingeschränkt, erklärt die Kommission weiter.

Die EU-Exekutive schlägt Microsoft zwei Gegenmaßnahmen vor: Die Firma müsste entweder eine Windows-Version ohne Media Player anbieten, oder neben dem Media Player auch die Software der Wettbewerber in sein Betriebssystem integrieren. "Wir sind entschlossen zu gewährleisten, dass das endgültige Ergebnis der Innovation und den Verbrauchern gleichermaßen dient", sagte EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti.

Nach mehreren Niederlagen vor dem Luxemburger EU-Gericht in anderen Fällen steht die Monti-Behörde unter erheblichen Druck, ihre Entscheidungen hieb- und stichfest zu gestalten. Das Verfahren wegen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung läuft in Brüssel bereits seit Mitte 2000. Die Beschwerde war von Sun Microsystems angestoßen worden.

Kartellverfahren können sich auch gegen ein einzelnes Unternehmen richten, wenn dies seine marktbeherrschende Stellung auszunützen scheint. Ein Bußgeld kann bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes betragen. Diese Spanne wurde aber bis jetzt bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Im Februar dieses Jahres hatte die Sun Microsystems gemeinsam mit anderen Unternehmen wie dem Softwarekonzern Oracle, dem Handybauer Nokia und dem Medienkonzern AOL Time Warner eine weitere Beschwerde gegen Microsoft in Brüssel wegen des Betriebssystems Windows XP eingereicht.

© sueddeutsche.de/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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