Messemarkt Indien:"Eine lang anhaltende Story"

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Warum der indische Markt für deutsche Firmen interessant ist, und was Bayern mit Bollywood verbindet. Ein Gespräch mit Soniar Prashar, Geschäftsführerin der Messe Nürnberg in Indien.

Interview von Katharina Wetzel

Sie kennt die indischen Bedürfnisse und versteht die deutschen Vorlieben. Sonia Prashar, 45, leitet die Geschäfte der Messe Nürnberg in Indien. Sieben Mal im Jahr reist sie nach Deutschland. Schließlich muss sie Nürnberger Flaggschiffe wie die Biolebensmittelmesse Biofach etablieren und oft erst mal ein Bewusstsein dafür schaffen. Wie ihr das gelingt, sagt die Managerin im Gespräch.

SZ: Sie sind seit fünf Jahren die Geschäftsführerin der Messe Nürnberg in Indien. Das hat Ihnen auch den Titel "Superwoman of Indian exhibition industry" eingebracht. Wie kam es dazu?

Sonia Prashar: Den Titel bekam ich vor zwei Jahren durch die IEIA (Indian Exhibition Industry Association) verliehen, den indischen Messeverband. Ich bin seit 22 Jahren in der Messebranche und arbeitete schon immer sehr eng mit deutschen Messegesellschaften sowie den Industrieverbänden zusammen. Auch die Messeabteilung der deutsch-indischen Handelskammer, bei der ich zuvor arbeitete, ist sehr eng in das Geschäft involviert. Meine Aufgabe war es dort, deutsche Messeveranstalter für den indischen Markt zu begeistern. Für jedes deutsche Unternehmen ist es wichtig, einen zuverlässigen und vertrauensvollen Partner zu finden. Wir haben Vertrauen geschaffen.

Die Messe Nürnberg kam erst relativ spät nach Indien, oder?

Ja, aber was wir in den vergangenen fünf Jahren erreicht haben, ist bemerkenswert. Wir befassen uns mit Industriebranchen wie etwa Klimatechnik, Brandschutz, Gebäudesicherheit und Fenster- und Fassadenbau. Der Zeitpunkt für diese spezialisierten Fachmessen war richtig.

Im Mai haben Sie die IT-Sicherheitsmesse It-sa in Mumbai gestartet. Wie lief die Premiere?

Das lief absolut super. Das ist ein Thema, das für Deutschland und Indien wichtig ist, aber auch für die ganze Welt. Die indische Regierung startet gerade Programme zu Digital India. An unserer zweitägigen Messe und Konferenz nahmen Firmen wie Siemens, Kaspersky, Sophos, AVIRA, Systancia, Efficient, Gatschield, Sumologic und alle wichtigen indischen und deutschen Verbände teil.

Die Messe Nürnberg ist geübt darin, heimische Veranstaltungen wie etwa die Biofach im Ausland zu etablieren. Wie gelingt das angesichts kultureller Unterschiede?

Das gelingt nicht immer mit "copy paste", Messen von Nürnberg nach Indien zu bringen. Messen müssen funktional und machbar sein. Die erste Nürnberger Messe, die wir nach Indien geholt haben, war die Biofach. Indien ist einer der größten Produzenten von Bio-Lebensmitteln. Das einzige Problem war, dass sich die indischen Firmen nur auf den Export konzentriert haben, deswegen kommen sie ja auch zahlreich zur Biofach nach Nürnberg. Warum sollten sie auf die Biofach India kommen, wenn sie nach Deutschland oder in die USA exportieren wollen? Die Herausforderung war es, dafür auch einen indischen Markt zu schaffen. Doch in Indien gab es keine Bio-Bewegung wie etwa in Deutschland. Es fehlte an einem Bewusstsein und Biofach India hat das geschaffen.

Die Biofach India gibt es nun das zehnte Mal. Was hat sich seither verändert?

Das Agrarministerium und der Exportförderungsrat (Export Promotion Council) treiben nun auch die Zertifizierung lokaler Produkte voran, was gerade für den heimischen Markt wichtig ist. Die Biofach India hat für Aufmerksamkeit gesorgt und auch den Boden bereitet für den Organic World Congress, der im vergangenen November hier stattfand.

Und wie gelang es Ihnen, ein Bewusstsein für den Markt zu wecken?

Wir brachten alle Parteien an einen Tisch, arbeiteten nicht nur mit dem Regierungsdepartment, sondern auch mit privaten Verbänden und Firmen. Wir haben auch Lernprogramme und Workshops für Konsumenten ausgerichtet. Wir haben viel mehr gemacht, als es eine reine Messe tut.

Das heißt, die Biofach India richtet sich nicht nur an ein Fachpublikum wie in Nürnberg?

Ja, wir müssen uns auch öffnen für die allgemeine Öffentlichkeit, die Konsumenten.

Auch mit der Bollywood-Messe Broadcast setzen Sie eigene Akzente. Die Veranstaltung gibt es nur in Indien. Wie haben Sie denn die Geschäftsführer der Messe Nürnberg davon überzeugt?

Ich weiß es sehr zu schätzen, dass unsere beiden Geschäftsführer die Tochterunternehmen darin unterstützen, über den Tellerrand zu schauen. Die Film- und Unterhaltungsindustrie in Indien hat ein großes Potenzial, und wir merkten, das Thema hat eine Seele - auch, wenn es das Thema nicht in Nürnberg gibt. Die Messe findet im Oktober in Mumbai statt und verzeichnet bereits 20 Prozent Wachstum.

Also war es nicht schwierig, Peter Ottmann und Roland Fleck zu überzeugen?

Für jede Partnerschaft oder Eltern-Kind-Beziehung gilt, die Eltern müssen den Träumen ihrer Kinder vertrauen.

Es gibt ja auch eine Verbindung zwischen Bollywood und Bayern. Der bayerische Filmpionier Franz Ostermayr legte einst den Grundstein für die indische Filmindustrie in Mumbai. Würden Sie es sich wünschen, dass irgendwann ein Ableger der Broadcast nach Nürnberg kommt?

Ja, das würde ich mir wünschen. Wir produzieren mehr als 800 Filme pro Jahr in Indien.

Mit 1,3 Milliarden Menschen i st Indien nach China das bevölkerungsreichste Land der Welt. Sie haben 15 Veranstaltungen, 40 Mitarbeiter, drei Standorte in Mumbai, Neu-Delhi und Bangalore. Wie werden Sie dem riesigen Markt gerecht?

Erstens müssen wir die richtigen Themen aufspüren. Zweitens brauchen wir die richtige Strategie. Drittens, und das ist das Wichtigste, brauchen wir die richtigen Leute. Es ist ein Team, das für ein Ziel arbeitet. Und mit dem Vertrauen aus Nürnberg kann die Nürnberg Messe Indien auch liefern. Also: Potenzial, Strategie und Menschen.

Sonia Prashar, Geschäftsführerin der Messe Nürnberg in Indien, ist zwar in Delhi geboren, fühlt sich aber auch als Deutsche. Unter anderem hat die Managerin schon in Düsseldorf gelebt. (Foto: Frank Boxler/Messe Nürnberg)

Und wo sehen Sie noch Potenzial?

Zunächst in den Veranstaltungen, die wir schon haben, wie etwa der Broadcast India. Wir sehen uns zuerst die Veranstaltungen in unserem Portfolio an. Das ist meine Strategie für die nächsten fünf Jahre. Natürlich schauen wir uns auch Messen an in Nürnberg, die wir noch nach Indien bringen können.

Warum sollen deutsche Firmen nach Indien gehen, wenn sie auch nach China gehen können?

In Indien gibt es noch viel zu tun. Wir sind nicht China. Deutsche Firmen werden in den kommenden Jahren eine große Bedeutung in der Entwicklung Indiens haben. Die indisch-deutsche Beziehung wird stärker wachsen, weil Deutschland viel an technischer Expertise zu bieten hat und Indien viele Aufgaben zu erledigen hat. In Indien passiert gerade sehr viel.

Was sind die größten Herausforderungen?

Ob es um Straßen, den Transport oder Logistik geht - im Bereich Infrastruktur muss noch viel getan werden. Das geht nur langsam voran, Schritt für Schritt, aber Indien ist eine lang anhaltende Story.

Die bittere Armut, auf der Straße schlafende Kinder, die Umweltverschmutzung - Macht Ihnen das keine Sorgen?

Es gibt große Fragen, die nicht sofort zu lösen sind, aber ich denke, dass Indien auf dem richtigen Weg ist. Das Land ist sehr speziell. Wir haben alle möglichen Wetterarten, ganz verschiedene Kulturen, und sprechen weit mehr als 100 verschiedene Sprachen. Demokratie ist gut, aber langsam. Ich glaube, dass die Entwicklung langfristig nachhaltig sein wird. Die Menschen hoffen, dass wir nächstes Jahr erneut eine stabile Regierung bekommen, so dass die Reformen vorangehen und sich das Vertrauen in unser Land verbessert.

Welchen Beitrag können deutsche Firmen leisten, um die Umweltverschmutzung Indiens zu reduzieren? Viele sagen, das Land müsse erst mal andere Probleme lösen, wie etwa den Hunger.

Ich glaube schon, dass das über kurz oder lang Hand in Hand gehen muss. Erziehung und Bildung sind die Schlüsselwörter. Das wird auch ein anderes Bewusstsein für die Umwelt schaffen. Indische Firmen sehen sich bereits die Technologien deutscher Firmen an, die in Umweltfragen helfen können.

Planen Sie auch eine "grüne" Messe?

Wir haben bereits Messen zu den Themen Kälte-Klima, Green Building und Transportkühlung und wir überlegen intensiv, ob andere grüne Themen Potenzial haben.

Deutsche Firmen freuen sich über Indiens Wirtschaftswachstumsraten von sechs Prozent. Der Handelskrieg und die Türkeikrise könnten der guten Entwicklung Indiens aber einen Strich durch die Rechnung machen. Indiens Währung stürzte bereits auf ein neues Allzeit-Tief, und die Finanzmärkte befürchten Ansteckungseffekte.

Indien bleibt nicht unbeeinflusst von dieser Entwicklung, aber das wird sich nicht unmittelbar auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Indien hat sogar sein Ranking als Investmentstandort verbessert und angesichts des Bevölkerungswachstums eine große Nachfrage zu stillen.

Sie sind eine gute Netzwerkerin. Ist das der Schlüssel Ihres Erfolgs in der Branche?

Um in der Messebranche zu überleben, muss man Menschen lieben. Das Wichtigste ist, ein Menschenfreund zu sein. Klar kann das Messegeschäft manchmal anstrengend und hektisch sein, aber ich liebe das.

© SZ vom 23.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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