Messe Nürnberg:Nummer eins in Athen

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Die Messen in Athen drehen sich vorwiegend um Lebensmittel, Nahrungsmitteltechnik, Gastronomie und Tourismus. Im Bild die Akropolis. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Messe Nürnberg sieht auf dem griechischen Messemarkt noch viel Potenzial. Die Geschäfte entwickeln sich nach der Übernahme des Messeveranstalters Forum sogar besser als geplant.

Von Uwe Ritzer

Nikos Choudalakis hatte 31 Jahre lang das alleinige Sagen. 31 Jahre lang wuchs sein Unternehmen stetig. Selbst als Griechenland am wirtschaftlichen Abgrund entlang taumelte, wuchs die Firma Forum SA, als gäbe es überhaupt keine Krise im Land. Seit 2009 vervierfachte sich der Umsatz auf 17,5 Millionen Euro im Jahr 2019, und das Ergebnis vor Steuern verachtfachte sich im selben Zeitraum sogar auf 4,6 Millionen Euro. Acht internationale Messen organisiert das Unternehmen jedes Jahr in Athen, und obendrein gibt es vier Fachmagazine heraus. "Wir sind Pioniere, wir entwickeln die Trends", heißt es selbstbewusst bei Forum SA. "Wenn wir 100 Prozent sagen, meinen wir 110 und streben nach 120."

Forum SA ist mit einem Marktanteil von knapp einem Viertel der größte Messeveranstalter Griechenlands und seit 2019 Teil der Nürnberg-Messe Group. Als die Übernahme von 80 Prozent der Gesellschafteranteile an Forum SA durch die Franken vorigen Sommer in Athen verkündet wurde, sprachen die Nürnberger Messechefs Roland Fleck und Peter Ottmann selbstbewusst von einem "neuen Kapitel der deutsch-griechischen Wirtschaftsbeziehungen", das da aufgeschlagen werde.

Dabei war damals vor Ort große Skepsis zu spüren. Nicht bei Choudalakis und seinen Leuten; da habe die Chemie mit den neuen, fränkischen Mehrheitseignern von Anfang an gestimmt, versichern alle Beteiligten. Weite Teile der griechischen Öffentlichkeit fürchteten jedoch, dass da ein Ausverkauf stattfindet. Dass ausgerechnet die Deutschen, die während der Krise besonders harte Reformen und eine rigorose Sparpolitik von Athen verlangt hatten, nun auch noch im Messewesen plündern.

Umgekehrt wiederum löste die Übernahme auf dem Messemarkt hierzulande Erstaunen und Verblüffung aus. Allein deshalb, weil von den großen, deutschen Messegesellschaften niemand erkennbar den griechischen Markt auf dem Schirm hatte, zumindest nicht in den vergangenen, wirtschaftlichen Krisenjahren.

Nun ist Griechenland im globalen Maßstab auch ein kleiner Messeplatz, wenn auch mit Wachstumspotenzial. Das hat zum einen geografische Gründe. Es gibt von Athen aus viele gewachsene Verbindungen in den Mittelmeerraum, den Nahen Osten und die benachbarten Balkanstaaten.

Hinzu kommt, dass die griechische Wirtschaft nach jahrelangem Niedergang wieder spürbar anzieht. Experten beziffern das Wirtschaftswachstum im abgelaufenen Jahr auf 1,9 Prozent. Griechenland ist also ökonomisch betrachtet nach schwierigen Jahren wieder auf dem Weg nach oben.

Griechenland ist definitiv kein saturierter Messemarkt

Speziell für die Nürnberg-Messe ergab der Zukauf von Forum SA nicht nur unter regionalen Gesichtspunkten Sinn. Die Nürnberger sind Spezialisten darin, Nischen mit Potenzial zu identifizieren, zu besetzen und ebenso behutsam wie zielstrebig auszubauen. Die Übernahme von Forum SA folgte dementsprechend auch dem (unausgesprochenen) Prinzip, lieber die Nummer eins in einem überschaubaren Messemarkt mit Wachstumschancen zu sein als die Nummer zehn in einem überlaufenen. Und Griechenland ist definitiv kein saturierter Messemarkt, in dem alles bereits ausgereizt ist. Vielmehr eröffnen sich Gestaltungsmöglichkeiten.

"Uns hat aber auch beeindruckt, wie Forum SA vorher jahrelang unter Beweis gestellt hat, dass sich die Firma auch unter schwierigsten Bedingungen hervorragend bewegen kann", sagt Nürnberg-Messe-Geschäftsführer Peter Ottmann. "Es wäre in vielfacher Hinsicht fahrlässig gewesen, diese Chance liegen zu lassen und nicht zu nutzen." Dabei sind die von Forum bearbeiteten Themenfelder an sich überschaubar. Die Messen in Athen drehen sich vorwiegend um Lebensmittel, Nahrungsmitteltechnik, Gastronomie und Tourismus. Eine Folge dessen, dass Griechenland nur über eine überschaubare Industrie verfügt und das Geschäft mit Urlaubern eine der wichtigsten Branchen ist. Genauso wie der Export von südländischen Nahrungsmitteln, allen voran Obst und Gemüse.

Allerdings: "Hier zeigen sich uns bereits erste Synergieeffekte", sagt Thomas Koch, Kommunikationschef der Nürnberg-Messe. Seit der Übernahme vorigen Sommer waren erfolgreiche Nürnberger Messen, die ebenfalls den Food- und FoodtechnikBereich abdecken, wie die Biofach, die Brau-Beviale oder die Fachpack, auch bei den Forum-Messen in Athen vertreten, um Aussteller und Besucher zu werben. Umgekehrt macht die griechische Neuerwerbung auf ihr spezielles Angebot bei den entsprechenden Messen in Nürnberg aufmerksam, wie zuletzt bei der weltgrößten Ökomesse Biofach.

Das Wechselspiel steht im Einklang mit dem strategischen Ziel der Franken, ihre Messen nicht singulär zu betrachten und auszubauen, sondern vielmehr Produkt- und Themenfamilien zu kreieren und diese weiterzuentwickeln.

So zeigen sich nicht einmal ein Jahr nach der Übernahme von Forum SA die Verantwortlichen zufrieden. "Es ist eine hochinteressante Lernkurve für beide Seiten", sagt Thomas Koch. Auch das durch die politischen Rahmenbedingungen anfangs nicht einfache, bilaterale Verhältnis entwickle sich positiv. "Unsere griechischen Kollegen brennen genauso für das Messewesen wie wir", sagt Thomas Koch. Und wie oft im Leben habe auch das ein oder andere gemeinsame Feierabendgetränk zum Miteinander beigetragen.

Was das Geschäft angeht, seien die wirtschaftlichen und messetypischen Kennzahlen nach den ersten Monaten seit der Übernahme "etwas besser als geplant", sagt Koch. Nun soll eine langfristige Wachstumsgeschichte geschrieben werden, Schritt für Schritt. Was in Athen auf Dauer wohl auch voraussetzen würde, dass das dortige Messegelände vergrößert wird, das an sich verkehrsmäßig äußerst gut gelegen unmittelbar am Athener Flughafen angesiedelt ist. Von Nürnberg übergestülpt werde den Griechen nichts, sagt Koch. "Wir werden alles mit unseren griechischen Partnern und den Verantwortlichen dort auf Augenhöhe besprechen."

Insgesamt beträgt der Auslandsanteil am Gesamtumsatz der Nürnberg-Messe etwa zehn Prozent. Im Vergleich mit anderen großen Messegesellschaften hierzulande ist das kein hoher Wert, was auch daran liegt, dass die Franken weit später ins Auslandsgeschäft eingestiegen sind. Größere Neuerwerbungen der Nürnberger gab es die vergangenen Jahre in Brasilien und Indien. Was Griechenland angeht, wird zumindest das Pendeln zwischen beiden Städten ab Sommer 2020 einfacher. Dann gibt es eine direkte Flugverbindung zwischen Nürnberg und Athen.

© SZ vom 25.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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