Messe Anuga in Köln:Flamingo-Käsekuchen für Junggesellen

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Nichts für Kalorienzähler: Käsekuchen mit Marshmallows. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Wer bei der weltweit größten Ernährungsmesse Anuga auffallen will, muss Außergewöhnliches bieten.

Von Benedikt Müller, Köln

Die Blätter sind schon gewaschen und geschnippelt: Rucola und Romana, Grünkohl und Spinat, dazu Karottenscheiben. Wer das Gemüse aus der Plastiktüte in den Mixer gibt, samt einer Banane und etwas Orangensaft, erhält zwei Gläser grünen Smoothie - also nährstoffreiche Rohkostbrühe. Die Schweizer Firma Eisberg bringt die Rohkostbeutel derzeit in Europa auf den Markt. Sie richtet sich an Käufer, die sich gesund und frisch ernähren wollen, aber wenig Zeit zum Zubereiten haben. Das trifft den Zeitgeist auch in Deutschland, wo beispielsweise der Absatz ganzer Salatköpfe nicht mehr steigt, weil die Menschen immer mehr vorbereitete Salatmischungen kaufen. Plastikmüll hin oder her: Schnell muss es gehen.

Bis Mittwoch präsentieren 7400 Unternehmen solche Neuheiten auf der Anuga, der weltgrößten Ernährungsmesse, in Köln. Darunter Kräutertees, die das Gedächtnis stärken; Protein-Kaffees, die Muskeln aufbauen sollen. "Immer mehr Menschen versuchen, sich möglichst nachhaltig und gesund zu ernähren", sagt Robert Kecskes von der Marktforschungsgesellschaft GfK. So sehr die Branche auch beobachtet, dass viele Menschen in Deutschland bei Lebensmitteln auf jeden Cent achten oder achten müssen: "Die Qualitätsorientierung nimmt zu", so Kecskes. Das könne man auch daran sehen, wie viele Marken- und Bioprodukte es mittlerweile bei Discountern wie Aldi oder Lidl gebe.

Die GfK veröffentlichte zur Anuga eine Studie, wonach mittlerweile 29 Prozent der Verbraucher ihren Lebensstil auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausrichten. Demnach haben die Deutschen im vergangenen Jahr Bio-Produkte im Wert von gut sechs Milliarden Euro gekauft, sechs Prozent mehr als im Vorjahr. "Bio ist inzwischen im Mainstream angekommen", sagt Kecskes. Die Studie fußt auf dem echten Kaufverhalten von 30 000 Haushalten.

Das stärkste Wachstum beobachtet die GfK bei proteinreichen Nahrungsmitteln. Deren Absatz ist allein im vergangenen Jahr um 62 Prozent gestiegen. Zum Beispiel die kleinen Cerealien-Knödel der britischen Firma The Protein Ball, die es hierzulande in Fitnessstudios und Supermärkten zu kaufen gibt: Die süßen Bällchen halten den Körper vor dem Kraftsport oder während des Dauerlaufs auf Trab. Danach kann sich der Protein-Käufer noch die besonders eiweißreichen Chips der US-amerikanischen Firma Our Little Rebellion gönnen, die jedoch einen recht trockenen Mund hinterlassen.

Mit der Rekordzahl an Ausstellern aus 107 Staaten ist die Anuga die größte Leistungsschau der Ernährungsindustrie. Für die Branche in Deutschland mit ihren 580 000 Beschäftigten besteht diese Leistung darin, überhaupt noch Wachstumsfelder zu finden in einem buchstäblich gesättigten Markt ( siehe Nahaufnahme)

. Neben Bio- und Proteinprodukten verzeichnet vor allem Fleisch- und Fischersatz starkes Wachstum: Gut 18 Prozent Plus pro Jahr schätzt die GfK. Dabei richten sich Neuheiten wie der Thunfisch-Ersatz der Lörracher Firma Land of Tofu mitnichten nur an Veganer. Eine genauso wichtige Zielgruppe seien sogenannte Flexitarier, die insgesamt weniger Fleisch und Fisch essen - und womöglich gefährdete Thunfisch-Arten schützen wollen. Sowohl geschmacklich als auch optisch kommt der Soja-Thuna nahe ans Original heran.

Gesund allein, das genügt nicht mehr. Essen soll auch Spaß machen

Es gibt auf der Anuga aber auch Süßes, das weder dem Muskelaufbau noch dem Schutz der Weltmeere dient. Das zeigt die Firma Petri Feinkost mit ihrem Flamingo-Käsekuchen: In den Frischkäse auf Keksboden hat das Unternehmen aus dem Weserbergland pinke Marshmallow-Stücke eingelassen. Die Käsekuchen-Stücke fänden etwa bei Junggesellen-Abschieden Anklang, erzählt Geschäftsführer Sven Tönjes, und halten Einzug in die Kühlregale der Supermärkte. "Re-Ästhetisierung" nennt Robert Kecskes das Phänomen: "Die Menschen möchten viel stärker wieder Spaß haben an dem, was sie essen", sagt der Marktforscher. Einzig die Plastikverpackung samt Plastiklöffel passt bei dem Käsekuchen so gar nicht in den Zeitgeist nachhaltigen Konsums.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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