Merrill Lynch:Bonus trotz Megaverlust

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Ein Händler der Investmentbank Merrill Lynch soll hohe Verluste vertuscht und wegen seines deklarierten Gewinns einen hohen Jahresbonus kassiert haben.

Andreas Oldag

Alexis Stenfors ist beliebt. Unter Kollegen gilt er offenbar als Kumpeltyp, mit dem man nach Feierabend gern mal ein Bier im Pub trinkt. Für die britische Finanzmarktaufsicht ist Stenfors allerdings ein rotes Tuch: Der 38-jährige Devisenhändler der amerikanische Investmentbank Merrill Lynch soll versucht haben, einen Riesenverlust von 400 Millionen Dollar zu vertuschen. Stenfors hat seinen Arbeitsplatz in London. Statt Verlusten hat der Händler mit seinen Handelsaktivitäten im Jahr 2008 einen Gewinn von 120 Millionen Dollar ausgewiesen. Nun laufen in London die Ermittlungen der Behörden auf Hochtouren. Stenfors wies durch seinen Anwalt alle Vorwürfe zurück. Es handele sich um ein "Missverständnis", ließ Stenfors verlauten.

Ein Händler der Investmentbank Merrill Lynch soll einen Verlust in Höhe von 400 Millionen Dollar vertuscht - und deshalb einen hohen Bonus kassiert haben. (Foto: Foto: AFP)

Brisant ist der Fall in mehrerer Hinsicht: Zum einen soll der Devisenhändler mit seinem deklarierten Gewinn einen üppigen Bonus erhalten haben. Solche Prämienzahlungen sind ein politisch heißes Eisen an Europas größtem Finanzplatz. Sogar der britische Notenbankchef Mervyn King hatte kritisiert, dass die "Bonuskultur" mitverantwortlich sei für die Zockermentalität vieler Banker und Broker. Auf Druck der Labour-Regierung will die britische Finanzaufsicht Financial Services Authority (FSA) bis Mitte März Vorschläge zur Eindämmung großzügiger Bonuszahlungen vorlegen.

Verluste mit schwedischen Kronen

Zum anderen prüft die New Yorker Staatsanwaltschaft derzeit die Umstände, unter denen die notleidende Investmentbank Merrill Lynch ihre Mitarbeiter mit Prämien im Gesamtwert von 3,6 Milliarden Dollar belohnt hat. Das war kurz vor Abschluss der Übernahme durch die Bank of America (BoA) zum Jahreswechsel. Merrill Lynch erwirtschaftete im vierten Quartal einen Verlust von 15,8 Milliarden Dollar. Die BoA musste deshalb in Washington um zusätzliche Staatshilfen bitten.

Stenfors soll sich nach Medienberichten bei Geschäften mit norwegischen und schwedischen Kronen verzockt haben. Beide Währungen verloren im Herbst vergangenen Jahres stark im Wert gegenüber dem Euro. Es könnte sein, dass Stenfors auf steigende Kurse der skandinavischen Währungen gewettet hatte, aber durch die Turbulenzen am Devisenmarkt im Zuge der Finanz- und Kreditkrise überrascht wurde. Bank of America hat indes mitgeteilt, es sei eine Unregelmäßigkeit entdeckt worden, die untersucht werde. Zudem sei die britische Finanzaufsicht eingeschaltet worden. Offenbar ist man in der BoA-Zentrale ungehalten über die unzureichende Kontrolle bei Merrill Lynch. Die Investmentbank stehe für eine Risikokultur, die in im eigenen Haus auf erhebliche Kritik stoße, heißt es bei BoA. "Die fahren bei Merrill Lynch wie ein Motorradfahrer ohne Helm", sagte ein Banker.

Die Beratungsgesellschaft Centre for Economics and Business Research schätzt die Gesamtsumme der Prämienzahlungen, die die Banken- und Finanzbranche der Londoner City für 2008 gezahlt hat, auf 3,6 Milliarden Pfund. Bankmanager und Broker erhalten üblicherweise im Januar oder Februar ihre Boni für das abgelaufene Jahr. Für 2007 beliefen sich die Prämienzahlungen noch auf 8,5 Milliarden Pfund.

© SZ vom 09.03.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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