Merkel bei Opel:"Das ist doch alles Show"

Lesezeit: 3 min

Vor dem Merkel-Besuch in Rüsselsheim: Die Opel-Arbeiter hoffen auf klare Worte der Kanzlerin - doch die Skepsis überwiegt.

Harald Schwarz

Der Opel-Arbeiter hat die Kapuze seines Mantels tief ins Gesicht gezogen. Es ist kalt am Autowerk in Rüsselsheim. "Sie soll uns endlich helfen oder wegbleiben", sagt er und spricht damit vielen "Opelanern" aus dem Herzen. Ein Kollege, der ebenfalls Tor 60 zustrebt, meint: "Wenn sie nichts mitbringt außer leeren Worten, wird es Ärger geben.

"Sie soll uns endlich helfen oder wegbleiben" (Foto: Foto: AP)

Dann werden wir sie ausbuhen." Sie - das ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie besucht am kommenden Dienstag das Rüsselsheimer Opel-Werk.

Wer sich ein paar Tage vor der Visite der CDU-Politikerin an der Opel-Basis umhört, spürt schnell: Die Leute haben die lange Debatte über Sinn und Unsinn staatlicher Hilfen für Opel satt.

Die Diskussionen nerven sie. Sie wollen endlich eine Entscheidung - so oder so. Merkel soll Klarheit schaffen. Aber längst nicht jeder glaubt daran. "Da kommt doch wieder nix raus, das ist doch alles Show", winkt einer ab, der sich als Fließbandarbeiter zu erkennen gibt.

Proteste mit Oldtimern

Klar ist: Es wird für Merkel kein leichter Auftritt. Die um ihre Jobs fürchtenden "Opelaner" möchten ihr zu Wahlkampfzwecken nicht einfach nur Spalier stehen und ein medienwirksames "Bad in der Menge" ermöglichen.

Sie wollen verbindlich wissen, ob ihr angeschlagener Autohersteller mit der erbetenen Kreditbürgschaft in Deutschland von 2,6 Milliarden Euro und europaweit von 3,3 Milliarden Euro rechnen kann oder nicht. Redet die Kanzlerin am Dienstag um das heiße Thema herum, wird sie keine Wähler für sich gewinnen können.

Nicht nur die Mitarbeiter bangen um Opel. Ein paar tausend Sympathisanten der Marke mit dem Blitz werden an diesem Samstag am Adam-Opel-Haus erwartet. Teilweise kommen sie mit Oldtimern. Für die meisten soll die als "Opel-Konvoi 2009" titulierte Protestaktion am Nürburgring in der Eifel mit dem Ziel Rüsselsheim starten.

Die Organisatoren rechnen aber mit Opel-Fans aus dem ganzen Bundesgebiet. Ihr Anliegen ist es, vor dem drohenden Untergang des Autoherstellers zu warnen. Dabei geht es ihnen nicht zuvorderst um die Firma, sondern um das Schicksal der Mitarbeiter und ihrer Familien. Nach der Ankunft in Rüsselsheim wird eine Party steigen.

Fieberhaft Einsparmöglichkeiten gesucht

Opel sucht derweil weiter fieberhaft nach Einsparmöglichkeiten, auch wenn Opel bisher überdurchschnittlich von der Abwrackprämie profitierte: von Januar bis März wurden 120.000 Fahrzeuge bestellt. Um knapp eine Milliarde Euro sollen die Kosten sinken. Dem Vernehmen nach jagt ein Treffen zwischen Management und Betriebsräten das nächste.

Es heißt, es gebe Fortschritte. Mehr wird nicht gesagt; man will die eigene Verhandlungsposition nicht schwächen. Opfer sind gefragt, damit Opel überlebt. Viele sind bereit dazu. Aber nicht jeder akzeptiert das einfach so. "Niemals werde ich hier freiwillig gehen und mich abfinden lassen", sagt der Träger einer für Opel typischen grauen Arbeiterkluft.

Die Stadthalle von Rüsselsheim ist ein schmuckloser Bau. Hier veranstaltet die SPD eine Diskussion zu Opel. "Der Steinmeier (SPD-Kanzlerkandidat, d.Red.) war hier, da muss die Merkel natürlich auch kommen", sagt einer vor der Halle zu seinem Kollegen. Der Mann antwortet: "Egal, ich gehe am Dienstag auf jeden Fall hin. Ich bringe ein paar Tomaten mit."

Drinnen im Saal gibt der Gastgeber die Parole des Treffens vor. Sie lautet: Jammern verboten, Mutmachen ist Pflicht. Etwa 250 Zuhörer sind da, darunter viele Opel-Rentner. Am besten erfüllt Klaus Franz, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, den Wunsch des Gastgebers: Erst wettert er gegen den ungeliebten Opel-Mutterkonzern General Motors (GM), dann lobt er die Opel-Autos und die Motivation der Mitarbeiter.

Und er sagt, es gebe mehrere Interessenten für einen Einstieg bei dem Unternehmen. "Zu gegebener Zeit" werde man die Namen möglicher Investoren nennen. Schließlich ruft er: "Wir werden es schaffen. Opel wird leben." Dafür erntet Franz tosenden Applaus.

In einer schwarzen Mercedes-Limousine ist Hendrik Hering zur Stadthalle gekommen. Der SPD-Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz beteuert trotzdem, er und seine Landesregierung stünden zu Opel. Die von der Bundesregierung beauftragten Wirtschaftsprüfer von PwC, sagt er, hätten das Zahlenwerk des Autobauers für "schlüssig und tragfähig" befunden.

Sein Land werde die notwendigen Hilfen für Opel leisten. Darlehen, Bürgschaften und eine zeitweise Beteiligung des Landes könne es geben. Auch das macht Mut und wird mit Beifall quittiert. So weit wie Hering wird Merkel am Dienstag nicht gehen: Die Kanzlerin lehnt eine Staatsbeteiligung bisher ab.

© SZ vom 28.03.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: